IMDS und CDX

Sicheres Material-Reporting innerhalb der Lieferkette

09.07.2014 von Oliver Häußler
Hersteller sind verpflichtet, regelmäßig Berichte über Verwendung und Herkunft bestimmter Materialien zu erstellen. Das seit Jahren bewährte IMDS-System aus der Automobilbranche hilft dabei.

Verstöße gegen die Chemikalienverordnung REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) werden mit bis zu 50.000 Euro oder Haftstrafen bis zu zwei Jahren geahndet. Die Einhaltung von Vorschriften über Einkauf und Nutzung von Materialien nach Vorschriften wie REACH, der Rohstoffverordnung RoHS (Restriction of Hazardous Substances), der Hong-Kong-Konvention oder des Dodd Frank Acts (Conflict Minerals Report) und weiteren ist für Unternehmen bindend, die entweder direkt oder indirekt über die Lieferung an einen Hersteller in einem dieser Länder tätig sind. Im Mittelpunkt aller Verordnungen oder Gesetzesvorgaben steht die Meldepflicht über die Zusammensetzung und Herkunft der in der Fertigung verwendeten Materialien.

Frank Notteborn, Account Delivery Executive IMDS & CDX bei HP Enterprise Services: "In Excel sind die Daten nicht sicher genug"
Foto: HP Deutschland

Bislang behelfen sich viele Unternehmen damit, die Daten in Excel-Formularen zu erfassen und sie dem nächsten Glied in der Lieferantenkette in dieser Form zur Verfügung zu stellen. "Das hat den großen Nachteil, dass die Daten nicht sicher sind, die Datenqualität auf Grund fehlender Plausibilitätsprüfungen oft schlecht ist, und der Aufwand bei komplexeren Materiallisten zu hoch wird", sagt Frank Nottebom, Account Delivery Executive IMDS & CDX; HP Enterprise Services. Der vermeintliche Vorteil, dass diese Variante zwar kostengünstig ist, kann sich aufgrund von Fehlern, die sich einschleichen, schnell ins Gegenteil kehren.

Erfahrungen aus Automobilbranche auf andere Industrien übertragen

Die Automobilbranche arbeitet seit Jahren mit einem Materialdatensystem namens International Material Data System (IMDS), das auf einer gemeinsamen Datenbank basiert, die von den großen Automobilfirmen entwickelt wurde. Hersteller wie Lieferanten stellen damit sicher, dass nationale wie auch internationale Gesetzgebung erfüllt wird. "Von den Erfahrungen aus dieser Branche können nun auch andere Industrien profitieren", sagt Nottebom, der das Thema IMDS bei HP seit Jahren betreut. Als Partner für die Entwicklung und den Betrieb der Internet-basierten IMDS Anwendung wählten die Hersteller bei der Gründung die EDS, einen IT-Dienstleister, der heute zum HP-Konzern gehört.

Inzwischen stellt HP eine weiterentwickelte Lösung unter der Bezeichnung Compliance Data Exchange (CDX) bereit und bietet diese für Branchen wie Schiffbau, Elektronik, Fahrzeug- und Maschinenbau sowie die Luftfahrtindustrie an, um Materialdaten über alle Ebenen der Lieferkette zu sammeln, zu pflegen und zu analysieren.

Schiffbau nutzt Mehrwert der Plattform

Eine der ersten Branchen, die das Tool testen, ist der Schiffbau. Die Sustainable Shipping Initiative (SSI), ein Zusammenschluss internationaler Schiffbauer, erprobt derzeit in drei Pilotprojekten die Materialnachverfolgung der gesamten Lieferkette beim Neubau von Schiffen, angefangen vom direkten Zulieferer bis hinunter zum Komponentenhersteller für Schrauben, Anstrichmittel oder Elektronikteile:

"Die Lösung kann in allen Branchen eingesetzt werden, in welchen ein Material-Reporting in irgendeiner Weise wichtig oder vorgeschrieben ist", sagt Nottebom, "denn die Plattform hilft, alle relevanten Materialinformationen zu sammeln, zu aggregieren und auswertbar zu machen". Sinnvoll ist es, das System konsequent entlang der Lieferkette einzuführen und sämtliche Zulieferer mit einzubinden.

Beim Bau ans Recycling denken

Einen äußerst nachhaltigen und über die Einhaltung von Gesetzen hinausgehenden Ansatz verfolgt die Reederei Maersk mit ihrem "Closed Loop Materials Management". Vor dem Hintergrund, dass Schiffe nach 20 oder mehr Jahren Laufzeit irgendwann abgewrackt werden müssen, ist es hilfreich, bereits bei der Konstruktion die Zusammensetzung der verwendeten Metalle zu erfassen. Das hilft bei der Wiederverwendung der einzelnen Teile, da sie aufgrund der Daten nach ihrer Qualität selektiert werden können. Bislang kommt es beim Abwracken stets zu massiven Qualitätsverlusten bei der Metallwiederverwertung, weil unterschiedliche Qualitäten aufgrund der Unkenntnis der Zusammensetzung zusammen eingeschmolzen werden müssen.

"Dieses Beispiel zeigt, dass neben den gesetzlichen Vorgaben verstärkt auch ökonomische Aspekte zum Tragen kommen", so Nottebom. "Die Unternehmen wollen nicht nur wissen, welche Schadstoffe verbaut wurden, sondern auch welche Wertstoffe mit Aussagen beispielsweise über Stahlqualitäten enthalten sind, um sie hinterher zu separieren und zu recyceln - hier geht es um richtige Werte."

Auswahl relevanter Vorschriften

Unternehmen, die in den USA börsennotiert sind, müssen am 31. Mai 2014 erstmals an die US-Aufsichtsbehörde U.S. Securities and Exchange Commision (SEC) berichten, ob sie 2013 "Konflikt-Rohstoffe" (Conflict Mineral Regulation) wie Zinn, Wolfram, Tantal oder Gold eingekauft und wie sie diese verwendet haben.

Die EG-Richtlinie RoHS regelt die Verwendung von Gefahrstoffen in Geräten und Bauteilen. Sie bezweckt, dass weniger unerwünschte Inhaltsstoffe in Elektro- und Elektronikgeräten in der EU in Verkehr gebracht werden.

REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals) ist eine EU-Chemikalienverordnung, die am 1. Juni 2007 in Kraft getreten ist. Sie regelt die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien. Sie bezweckt, dass Risiken, die von besonders besorgniserregenden Stoffen ausgehen, "ausreichend beherrscht werden und dass diese Stoffe schrittweise durch geeignete Alternativstoffe oder -technologien ersetzt werden."

SVHC (Substances of Very High Concern) sind besonders besorgniserregende Stoffe, die innerhalb der REACH-Verordnung als besonders gefährlich eingestuft und dort auch aufgelistet werden. Über eine sog. Kandidatenliste werden sie aktualisiert. Für verwendete SVHCs aus der Liste gelten bestimmte Informationspflichten innerhalb der Lieferkette.

DieHong Kong Konvention ist eine Vereinbarung der Mitgliedsstaaten der IMO (Internationale Seeschifffahrts-Organisation) mit dem Ziel, das umweltfreundliche Recycling von Schiffen und die Arbeitsbedingungen in den Abbruchwerften bzw. Abbruchbetrieben zu verbessern. Sie tritt erst in Kraft, wenn eine Reihe von Bedingungen erfüllt ist. Bislang wurde sie von zu wenigen Staaten ratifiziert. Auf EU-Ebene gilt daher seit 31. Dezember 2013 die REGULATION (EU) No 1257/2013. Sie regelt das Recycling von Schiffen.

WEEE (Waste of Electrical and Electronic Equipment) ist eine Richtlinie der EU zur Reduktion von Elektronikschrott, die die Hersteller in die Verantwortung nimmt. Sie wird in Deutschland durch das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) umgesetzt.