Interview mit Klaus Doppler

"Sie sind ein Sozial-Idiot"

12.06.2007 von Andreas Schmitz
Der ehemalige Priester, Psychoanalytiker und Unternehmensberater leitet seit über 30 Jahren Coachings und gruppendynamische Workshops für Führungskräfte. Seine Erfahrung: IT-Leute sind oft gestört in der Kommunikation.

Herr Doppler, die Umfrage "State of the CIO" ergab, dass drei der fünf größten Hürden, die CIOs derzeit sehen, unter dem Mantel "mangelhafte Kommunikation" zu fassen ist. Wundert Sie das?

Klaus Doppler (67), Autor des Buches "Incognito".

Es passiert häufig, dass IT-Manager fachlich mit allen Wassern gewaschen sind. Doch ebenso viele sind in der Kommunikation noch im Kleinkind-Stadium. Vorschläge von Mitarbeitern werden etwa mit Worten abgetan wie "Interessiert mich nicht, was Sie dazu sagen", oder "Ich bin im Recht".

Letztens gab es einen Streit zwischen Fachbereichen und IT in einem großen Konzern. Ich sollte moderieren. Nach ein paar einleitenden Sätzen fuhr mich der CIO an, fragte mich, ob ich überhaupt was von IT verstehen würde. Ich sagte: "Nein, das muss ich auch nicht. Ich bin ein EDV-Idiot, und dazu stehe ich. Aber Sie sind ein Sozial-Idiot." Schlagartig schwieg die ganze Runde.

Das dürfte wohl ein Extremfall gewesen sein. Was macht denn einen guten IT-Manager aus?

Er muss ein Wanderer zwischen vier Quadranten sein. In seinem Bereich, den Systemen und Strukturen muss er absoluter Profi sein. Das ist auch oft der Fall. Doch schon bei den anderen drei Quadranten hapert es. Er muss das Geschäft verstehen, für das er eine Support-Funktion übernimmt. Dritter Bereich: Veränderungen im Unternehmen. Hierfür muss er die Betroffenen mitnehmen in die neue Situation und - Punkt 4 - dafür Sorge tragen, dass sie das beherrschen, sprich die Performance mitbringen.

Schon das Business-Verständnis ist nur bei einem Drittel der IT-Manager vorhanden, auch die eigenen Aufgaben können IT-Manager oft nicht vermitteln. Deshalb ist ein guter CIO meist niemand mit IT-Hintergrund, sondern jemand, der aus dem General Management stammt.

Schon vor fünf Jahren forderte man von CIOs, über den Tellerrand ins Business zu schauen. Das ist wohl nicht so recht geglückt?

Leute aus der IT lieben Zahlen und das binäre Denken. Daraus leitet sich dann auch der Berufswunsch ab. Ein CIO muss über den eigenen Bereich hinausgucken können, eine andere Perspektive einnehmen können. Er muss Grenzen überschreiten können, also in einer Sprache Dinge klar machen, die andere, etwa aus den Fachbereichen, auch verstehen. Und er muss die Politik im Unternehmen mitmachen, also lernen in Interessensbereichen zu denken und über eine Vernetzung wichtige Ideen durchzusetzen. Könnte er das, wäre er sicher häufiger im Vorstand zu finden.

Sie werden von Unternehmen geholt, um Störungen wie Kommunikationsdefizite zu beheben. Wie gehen Sie da vor?

Meist geht es darum, Konflikte zwischen zwei Parteien zu lösen oder Veränderungen zu begleiten. Ich lasse die Teilnehmer etwa ein Bild malen, und schon werden die Konflikte klar. Meist lässt sich daraus ersehen, was mit den Prozessen, Strukturen und der Kommunikation nicht stimmt. Die moderierten Workshops helfen, die eigene Welt als nur eine Perspektive unter vielen zu akzeptieren, die eigene Sicht auch mal zu verlassen und eine andere einzunehmen.

In Ihrem letzten Buch "Incognito" (siehe unten) betrachten Sie Führung von unten. Sie lenken die Aufmerksamkeit von dem "alleinigen Herrscher" eines Bereiches wie etwa IT ab. Welchen Anteil haben Mitarbeiter etwa des unteren oder mittleren Managements an Fehlentscheidungen oder Missmanagement?

Oft stellt sich das mittlere Management als Opfer dar. Dabei ist es häufig Teil des Problems. Nimmt etwa der Chef konstruktive und innovative Ideen nicht auf oder lässt diese versanden, dann ist offene Rückmeldung angesagt, statt sich nur hinter dem Rücken des Chefs mehr oder weniger unflätig über dessen Borniertheit auszulassen. Ohne gezieltes Feedback über die Unzufriedenheit kann sich nichts ändern.

Die Gefahr ist aufgrund des miesen Arbeitsmarktes einfach zu groß, nach einigen gut gemeinten aber harten Feedbacks auf der Straße zu landen.

Ducken gegen die eigene Überzeugung ist tödlich. Denn zum Schluss wissen Sie selbst nicht mehr, was Sie glauben. Sie müssen ein Kräftefeld aufbauen, Kollegen suchen, die genauso denken wie Sie, und eine Gegenmacht aufbauen, eigene Netzwerke ausbauen - sprich ein Stück weit Politik machen. Wenn nur drei Kollegen mit Ihnen gegen den Chef stimmen, haben Sie schon weit bessere Karten. Mächtige akzeptieren nur die Gegenmacht.

Das ist einfacher gesagt als getan.

Der CEO oder CIO hat eigentlich vorrangig ein Interesse, dranzubleiben. Also betreibt er zu 70 Prozent Politik. Viele himmeln ihn an, lassen sich beeindrucken und schließlich einspannen von ihm - nach dem Motto "Du gehörst zu meinem Heer". Um die Silo-Zuordnung und Grabenkämpfe zu durchbrechen, brauchen Sie Bundesgenossen, mit deren Hilfe Sie Paroli bieten. Sonst bleibt alles so, wie es immer war.

Sie haben kürzlich eine Klausur mit den Direktoren eines Unternehmens gemacht, deren Projektskizzen, die Sie bei einem ersten Treffen mit ihnen entwickelt hatten, vom Vorstand angeblich zwar interessiert zur Kenntnis genommen, aber nicht umgesetzt worden waren. Beim zweiten Treffen mit den Direktoren war die Bereitschaft der Teilnehmer, sich erneut mit Verbesserungsideen auseinanderzusetzen, geradezu auf dem Nullpunkt.

Wir haben diese Situation offen angesprochen und entschieden, dieses Mal einen anderen Weg zu gehen, und uns darauf geeinigt, dass ich als neutraler Moderator mit in die Sitzung mit dem Vorstand gehe. Dort wurden zunächst einmal wie üblich die neuen Projektideen vorgestellt. Als der Vorsitzende im Glauben, die Präsentation sei beendet, ansetzte, sich für die "interessanten Anregungen" zu bedanken, und die ersten Vorstände begannen, ihre Unterlagen zusammenzupacken, informierte ich den Vorstand darüber, dass die Präsentation noch nicht beendet sei. Nun kam der eigentliche Clou: Die Gruppe redete Tacheles und brachte ohne jede Verschleierung zum Ausdruck, dass sie auf dem Hintergrund ihrer bisherigen Erfahrungen völlig davon überzeugt sei, dass ihre Vorschläge wieder im Sande verlaufen würden. Sie nannte auch Ross und Reiter, wen sie im Hinblick auf die einzelnen Vorschläge für die Verhinderung verantwortlich machen würde.

Erst dieses provokative Feedback brachte den Vorstand dazu, sich mit den Vorschlägen intensiv auseinanderzusetzen und Dinge auf den Weg zu bringen, die jahrelang verschleppt worden waren.