Alltag eines Klinik-CIOs

"So kann man doch nicht arbeiten"

28.02.2007 von Name der Redaktion bekannt 
Hobby-DVler aus Fachabteilungen wissen ständig alles besser als die IT. Der CIO eines Groß-Klinikums berichtet über die alltäglichen Schikanen.

Der CIO will unerkannt bleiben. Der Vorstand wird ohnehin schon von den Ärzten und Mitarbeitern über angebliche Missstände in der IT per Mail informiert.8.30 Uhr: Arbeitsbeginn. Auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz hält eine Führungskraft eines internen Kunden den IT-Leiter auf. Er lobt einen IT-Mitarbeiter explizit, weil dieser als einziger Vertreter aller internen Dienstleister pünktlich und verlässlich sei. Der IT-Chef freut sich und verspricht, es dem Mitarbeiter zu sagen. Nun versucht er, schnell wegzukommen, bevor die erwartete Wunschliste der Führungskraft auf ihn herabprasselt. Doch er schafft es nicht.

Man bräuchte in der Abteilung dringend 19-Zoll-TFTBildschirme, die ja neuer Beschaffungsstandard seien. Sie müssten schwarz sein, weil sie dann besser zum Mobiliar passen würden als jene, die gerade beschafft werden. Die alten 17-Zoll-Röhrenmonitore seien zum Wegwerfen zu schade, und das könne man sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht erlauben. Die andere Abteilung könne mit denen noch Jahre auskommen.

Stammelnd, dass man dies noch überprüfen müsse, flieht der IT-Leiter vor seinem internen Kunden. Kaum im Büro angekommen, klingelt das Telefon. Ein erboster Oberarzt sprudelt einen Beschwerde-Wortschwall heraus: „Wie kann es sein, dass in einem Haus dieser Größenordnung vom Spam-Filter eindeutig als Spam erkennbare Mails in mein Postfach gelangen können?“

Erleichtert, das Gespräch irgendwann beendet zu haben, sieht sich der IT-Leiter (in einigen Kliniken auch als CIO bezeichnet) den Mail-Eingangspostkorb an. Ins Auge fällt die als „dringlich“ markierte Mail eines Institutsleiters. Der neue Spam-Filter habe, obwohl das klar erkennbar sei, eine Mail in den Ordner Spam-Verdacht abgelegt. Man müsse alle Mails einzeln im Spam-Verdacht überprüfen, um nicht aus Versehen relevante Mails zu löschen. Wie könne man in der DV so leichtfertig mit dem Kommunikationsgut umgehen? Man wolle dazu schnellstens eine Stellungnahme, wie und wann das Problem gelöst sei. Eine Kopie der Mail ging auch an den stellvertretenden Vorstand, damit dieser der DV Beine machen möge.

Die zweite Mail eines Mitarbeiters entpuppt sich als äußerst fragwürdig: Auf einer Messe hat ein Softwarelieferant ihm gesteckt, dass die Probleme im Klinikum ja hausgemacht seien. Es liege am fehlenden Willen der DV, zielgerichtet zu investieren. Mit dem Hintergrund dieser Informationen enthält die Mail mit Kopie an „Gott und die Welt“ den Hinweis, dass die DV doch nun endlich aktiver werden müsse.

Dunkel erinnert sich der IT-Leiter, dass er sich ja von der Firma eine Zusage holen wollte, dass diese Investition auch zum Erfolg führen werde. Darauf hatte allerdings der Geschäftsführer des Lieferanten geantwortet, dass er für diese besondere Installation nun doch keine signifikante Verbesserung des Antwortzeitverhaltens versprechen könne. Eine Kopie dieser Auskunft hatte damals auch der Schreiber der Beschwerde-Mail erhalten. An fehlendes Verständnis, Ignoranz, Vergesslichkeit oder an Bosheit und Dummheit bei ihm mag der IT-Leiter nicht denken. Er stellt sich die Frage, ob es nicht vielleicht an IT-Grundkenntnissen fehlt.

Noch während des Lesens der Mails betritt ein Mitarbeiter das Büro und beginnt einen ellenlangen Klagemonolog über ein Problem, das ihn behindere, seine Aufgabe effektiv zu erfüllen. Er habe ein Ticket aus dem Service-Desk erhalten, in dem die Identifikationsdaten der Örtlichkeit eines Items nicht mit denen in seiner Datenbank übereinstimmen würden. „So kann man doch nicht arbeiten“, klagt er. Auf die Frage des IT-Leiters, ob er denn schon mit dem Kollegen gesprochen habe, der diese Daten verantwortet, kam ein selbstverständliches „Nein“. Ungläubig und knapp vor einem Wutausbruch bringt der IT-Leiter diesen Vollakademiker dazu, den betreffenden Kollegen mit Doktortitel doch mal persönlich zu fragen, ob hier ein Grundsatzproblem vorliege. Wie sich herausstellt, handelt es sich um kein Grundsatzproblem.

10 Uhr: Ein Controller kommt schnell zum Punkt. Man habe ein neues, tolles Auswert-Werkzeug gesehen. Damit könne man den Kliniken in farbigen Grafiken deren Probleme verständlich vor Augen führen. Das sei zwar für das Wirtschaftsjahr n icht geplant. Weil aber die Leitung davon äußerst angetan ist, sei es doch sicher kein Problem, diese Software kurzfristig zu lizenzieren. Auf die Frage des IT-Leiters, ob es dafür vielleicht eine schriftliche Entscheidung der Leitung gibt, zuckt der Controller mit den Schultern. Nun erdreistet sich der IT-Leiter zu fragen, warum man denn dies nicht mit den in den Vorjahren investierten Tools abwickeln könne. Verärgert antwortet der Bedarfsübermittler: Wenn die IT glaubt, dem Wunsch nicht nachkommen zu können, dann müsse eben der Vorstand Prioritäten setzen. Schon war das Gespräch zu Ende.

Wenn die Chefarztsekretärin anruft

In der Hauspost findet der IT-Leiter zu seiner Freude mal wieder einen interessanten anonymisierten Verbesserungsvorschlag. Man möge doch einen Bildschirmschoner freigeben, der den Kollegen Gesundheitsratschlägen gebe. Ohne diese Tipps sehe sich der Vorschlagende gibt nicht in der Lage, gymnastische Übungen zu absolvieren und effektiv vor dem Bildschirm zu arbeiten. Das alles überfällt den IT-Leiter, noch bevor ihn ein erster Kaffee aufmuntern kann.

11 Uhr: Erst jetzt merkt er, dass seine Sekretärin erkrankt war und ihm deshalb keine Wiedervorlage gezeigt wurde. So konnte er nicht sehen, dass er vor einer halben Stunde einen Termin beim Chef gehabt hätte.

11.30 Uhr: Eine Chefarztsekretärin beschwert sich lautstark am Telefon: „Ich habe nun zigmal vergeblich versucht, Ihren Mitarbeiter im Service zu uns zu bewegen. Wir haben einen neuen Schreibtisch bekommen, und nun müssen doch die Anschlusskabel des PCs wieder neu im Leitungsschacht des neuen Tisches verlegt werden.“ Man sei Sekretärin und nicht DV-Spezialistin. Wie der DV-Kollege im Service die Frechheit besitzen könne, überhaupt die Frage zu stellen, ob es nicht schneller und kostengünstiger für das Unternehmen sei, wenn sie das schnell selbst machen könne.

Der IT-Leiter weist die Sekretärin auf die Regelung hin, dass solche Leistungen der sogenannte DV-Beauftragte der Organisationseinheit erledigen muss. Daraufhin antwortet sie patzig und empört, für diese Verantwortlichkeit habe s ich doch ihr Chef e intragen lassen, und der werde dies ganz bestimmt nicht erledigen. Der Vertreter des DV-Beauftragten wisse gar nicht, dass er dafür benannt worden sei.

11.36 Uhr: Der IT-Leiter will gerade mit Kollegen zur Kantine gehen, da klingelt das Telefon nochmals. Ein Assistenzarzt erzählt, sein Klinikchef habe mit der Einkaufsabteilung ein zentrales Diktat-Management beschafft. Die Firma sei nun hier und brauche einen DVler für die Installation. An dieser Stelle ist es für den IT-Leiter zu viel. Der Assistenzarzt lässt das Gebrüll des IT-Leiters stoisch über sich ergehen; man habe ja als Klinik nicht gewusst, dass man dazu die DV-Abteilung brauche würden. Außerdem sei die Installation ja nur eine Kleinigkeit, so die Firma.

Der IT-Leiter solle sich nicht so aufregen, die Kollegen vom Einkauf hätten das doch wissen müssen. Zudem müsse die Installation nun erfolgen, es gebe ja schließlich einen rechtsgültigen Vertrag, und der Chefarzt habe ausrichten lassen, wenn dies nicht erledigt werde, könne er sein Patientenvolumen nicht mehr bewältigen.

An dieser Stelle hört die Aufzählung des leidgeprüften IT-Leiters auf. Ich bin immer noch IT-Leiter. Manchmal macht der Job auch wirklich Freude. Allerdings kann ich mich immer weniger sarkastischer Kommentare enthalten. Aber wie sonst soll man es verkraften, wenn Tausende Hobby-DVler nicht merken, dass sie doch nur Hobby-DV-ler sind?