Deutsche Börse Cloud Exchange

Speicherplatz meistbietend abzugeben

11.11.2013 von Christoph Lixenfeld
Ab 2014 gibt es in Frankfurt eine Börse für den Handel mit RZ- und Cloud-Speicherkapazitäten. Das dadurch die Preise sinken, ist keineswegs sicher.
Von Frankfurt aus soll ab dem kommenden Jahr auch mit Speicherplatz gehandelt werden.
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Die Idee ist bestechend: Ein großer Online-Händler hat mehr Rechenleistung und mehr Speicherplatz, als er braucht, zum Bespiel weil gerade nicht Weihnachten, sondern Urlaubszeit ist und die Maschinen deshalb nur mit halber Kraft laufen. Ein anderes, junges Unternehmen startet eine neue Videospiel-Onlineplattform und benötigt Rechenpower. Eigene Maschinen anschaffen? Lieber erstmal schauen, wie es läuft und so lange Kapazitäten extern zukaufen. Zum Beispiel vom oben erwähnten Onlinehändler.

Beide unkompliziert zusammenzubringen, dafür will ab dem kommenden Jahr die Deutsche Börse Cloud Exchange AG (DBCE) sorgen, eine Kooperation der Deutschen Börse AG in Frankfurt dem Berliner Softwareunternehmens Zimorys und dem TÜV Rheinland. Natürlich können Unternehmen seit Jahren die beschriebenen Leistungen extern kaufen, aber eben nicht über einen Marktplatz, der Angebote und Konditionen standardisiert und Preise vergleichbar macht.

Walter Brenner, Professor und Direktor am Institut für Wirtschaftsinformatik der Uni St. Gallen, hält den Ansatz für sehr gelungen. Er vergleicht ihn mit der 2002 entstandenen Strombörse in Leipzig. "Damals hatten viele Beobachter durchaus Zweifel, ob das funktionieren würde, mittlerweile hat sich die EEX zu einem mächtigen Player auf dem Energiemarkt entwickelt." Ähnliches will die Deutsche Börse erreichen. Aktuell können Teilnehmer eines Early-Adopter-Programms die Handelssoftware in einer Testumgebung ausprobieren - der Start ist "für das erste Halbjahr 2014" geplant, genauere Angaben machen die Beteiligten dazu aktuell nicht.

Das Angebot wendet sich an vier Zielgruppen:

Erste Anbieter sind im Boot: Die DBCE nennt etwa T-Systems, Host Europe, das Leibniz-Rechenzentrum, aber auch Colocators wie Equinix und Global Switch. Weitere dürfen und sollen hinzukommen.

"Die über den neuen Marktplatz flexibel skalierbare IT-Infrastruktur reduziert Kosten und ermöglicht die sofortige Verfügbarkeit der gekauften Ressourcen", sagt Michael Osterloh, Vorstand von Deutsche Börse Cloud Exchange. "Da der Vertragsabschluss automatisch erfolgt, wird der zeitliche Aufwand für Konsumenten im Gegensatz zu bilateral verhandelten Vertragsabschlüssen enorm reduziert."

Jeder Kunde sieht, wo seine Daten liegen

Ob das ganze in der Praxis wirklich so unkompliziert über die Bühne geht, muss sich allerdings noch erweisen. Denn ein Vorteil des Angebots könnte sich am Ende zugleich als Hemmschuh erweisen. "In unserem Marktplatz soll jeder Käufer Transparenz darüber erhalten, wo seine Daten liegen," so DBCE-Vorstand Michael Osterloh.

Sicherheitsaspekte sollen beim geplanten Handel mit Cloud-Kapazitäten eine wichtige Rolle spielen.
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Wer also auf dem Marktplatz als Anbieter zugelassen werden will, muss mitteilen und belegen, wo genau er die Daten potentieller Kunden lagern wird. Fragt sich, ob das jene, die kurzfristig eigene Überkapazitäten weitervermieten, immer belegen können und wollen. Und Transparenz verlangt der Marktplatz nicht nur Anbietern, sondern auch Nachfragern ab, schließlich wirbt die Cloud Exchange-Plattform damit, dass jeder Kunde genau sehen kann, wer außer ihm noch in einem Rechenzentrum ist. Auf die Frage, ob sich alle Kunden diese Offenheit wünschen, sagt DBCE-Vorstand Osterloh, das könne man noch nicht abschließend beurteilen.

Es wird auf langen Atem ankommen

Ob das Projekt DBCE gelingt, hängt nach Ansicht von Experten vor allem davon ab, wie viel Geduld die Macher mit ihrem Baby haben.
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Wie auch immer sich die Dinge weiterentwickeln: Frank Türling, Vorsitzender des "Cloud Ecosystems", einem Netzwerk von 30 Anbietern in Deutschland, geht davon aus, dass sich der Markt durch die Wolkenbörse deutlich verändern wird, weil Kunden die Angebote besser als bisher miteinander vergleichen können. "Sicherheit ist dabei für den Mittelstand wichtig, noch wichtiger ist aber die praktische Nutzbarkeit einer Lösung." Der Rückschluss, kleinere Unternehmen bräuchten externe Kapazitäten und sie wollten möglichst billig einkaufen, deshalb hätten sie auf eine solche Börse nur gewartet, greift nach Ansicht von Frank Türling zu kurz: "Beim Thema Software-as-a-Service wurde exakt genauso argumentiert, trotzdem halten sich Mitteständler hier bis heute noch zurück. Das liegt auch daran, dass die Anbieter sehr technisch argumentieren, das Kundenbedürfnis nicht richtig bedienen und Mittelständler nicht dort abholen, wo sie stehen."

Wenn Deutsche Börse Cloud Exchange am Ende ein Erfolg werden soll, dürfe sich dieser Fehler nicht wiederholen, findet Frank Türling. Seiner Ansicht nach hängt viel davon ob, ob die DBCE den erforderlichen langen Atem hat und tatsächliche kundenorientiert vorgeht.

Bleibt die Frage, ob der neue Marktplatz für dauerhaft niedrigere Preise sorgen wird. Walter Brenner, Professor und Direktor am Institut für Wirtschaftsinformatik der Uni St. Gallen: "Der Marktpreis, der dabei ensteht, ist mehreren Einflüssen ausgesetzt. Er dürfte zum Beispiel Saisonal unterschiedlich sein. Vor Weihnachten brauchen alle Online-Händler Kapazitäten, die Nachfrage steigt und damit auch die Preise."

Brenner geht davon aus, dass die Preise insgesamt zunächst sinken werden. "Mittelfristig ist aber nicht auszuschließen, dass es durch den Marktplatz zu einem Rezizing der Rechenkapazitäten, dass heißt zu einem Sinken der Rechenkapazitäten in den Unternehmen kommt. Weil sich immer mehr Unternehmen dafür entscheiden, extern Leistung einzukaufen, statt die Rechner selbst vorzuhalten." Wenn aber Anbieter ausscheiden und gleichzeitig immer mehr Nachfrager am Markt auftreten, dann kann das nur eine Folge haben: die Preise werden steigen.