Applikationsportfolios managen

Standard-Preismodelle taugen nicht

12.06.2013 von Alexander Müller-Herbst
Die gängigen Kostenmodelle für Applikationsportfolios wie Festpreis, nach Aufwand und Volumenbasiert sind unflexibel und intransparent. Wie künftig Modelle für Unternehmen aussehen können, erläutert Alexander Müller-Herbst von der Information Services Group in seiner Kolumne.
Alexander Müller-Herbst ist Partner Managing Director bei der Information Services Group Germany GmbH (ISG).
Foto: ISG

Jeder CIO kennt diesen Druck: Das Applikationsportfolio unterliegt dynamischen Veränderungen und muss kontinuierlich gepflegt werden. Hier wie in jedem anderen Bereich, der dem CIO unterstellt ist, sind zudem die Nutzung von Einsparungsmöglichkeiten sowie Preistransparenz wichtig. Das Management der Applikationen wird jedoch meist in Form intransparenter Festpreisverträge vom externen Service Provider übernommen.

Der Status Quo

Die IT-Applikationsportfolios der Fortune 500-Unternehmen sind in den vergangenen 15-20 Jahren in historischem Ausmaß gewachsen. Sie umfassen im Normalfall zwischen 800 und 2000 Applikationen in verschiedenen Technologien und Geschäftsbereichen sowie in verschiedenen Stadien ihrer Lebensdauer, von neu bis auslaufend.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Lifecycle-Stadien der Applikationen ist eine Portfolio-Wechselrate von bis zu 40 Prozent während einer Laufzeit von 4-5 Jahren nicht ungewöhnlich. Da auch die IT immer schneller auf wirtschaftliche Anforderungen reagieren muss, wird die Wechselrate immer höher. So kommen während der Vertragslaufzeit ständig neu entwickelte Applikationen hinzu und alte werden aus dem Programm genommen. Fazit: Standard-Preismodelle sind schlicht und einfach nicht mehr zeitgemäß.

Ein weltweit tätiges Fortune 100-Unternehmen etwa hat ein Applikationsportfolio mit über 2000 Applikationen, die sich auf über 15 Geschäftseinheiten und verschiedene Technologie-Stacks erstrecken. Ein Lieferanten-Konsolidierungsprogramm zur Kostensenkung führte zur Konzentration der ADM-Services (Application Development and Maintenance) auf einige wenige große Anbieter.

Die Idee hierbei war, durch einen Festpreisvertrag mit fünf Jahren Laufzeit die Kosten vorhersagbar zu gestalten. Der stetige Wechsel in den Applikationsportfolios führte dann jedoch zu monatlichen zähen Diskussionen mit den Service Providern über die Preisgestaltung für Änderungswünsche.

Die bei solchen Verträgen verwendeten Standard-Preismodelle wie Festpreisverträge und ticketbasierte Preismodelle sind nicht geeignet, dem stetigen Wechsel im Portfolio gerecht zu werden.

Preismodelle sind auf Bedürfnisse der Service Provider ausgerichtet

Das ideale Applikations-Preismodell
Foto: Information Services Group

In aktuellen Fachbeiträgen wird die Preisgestaltung entweder in Form von Strategien aus der Sicht des Service Providers behandelt (Penetrationsstrategien, Skimming-Strategien) oder als Vergleich zwischen häufigen Formen der Preisstellung (Festpreis vs. Preis nach Aufwand).

Die meisten der oben genannten Preismodelle (Festpreis, Berechnung nach Aufwand, Volumenpreis,…) sind direkt in den Arbeitskosten begründet und spiegeln die Welt des Service Providers wider.

In Verbindung mit dem Wettbewerbsumfeld, in dem solche Vereinbarungen geschlossen werden, greifen Service Provider oft auf Standard-Preisstrategien zurück - auch wenn sie längst nicht mehr die aktuellen Bedürfnisse der Unternehmen wieder spiegeln.

Standard-Preismodelle sind unflexibel und nicht transparent

Daraus ergibt sich ein Muster, Standard-Preismodelle sind:

Die ständigen Veränderungen im Applikationsportfolio führen zu zahlreichen Diskussionen über Änderungsanfragen, bei denen es sich um kleine Geldbeträge dreht. Das Management solcher Verträge wird zu einem kostspieligen Fulltime-Job. Bei einem durchschnittlichen monatlichen Preis in der Größenordnung von 300 - 700 Euro pro Applikation in so großen Portfolios ist dieser Aufwand nur schwer zu rechtfertigen.

Probleme mit heute gebräuchlichen Preismodellen

Festpreise für große Portfolios legen den Preis für den aktuellen Zustand des Portfolios fest, wobei nachfolgende Portfolio-Änderungen durch Änderungsanfragen gehandhabt werden müssen. Jede Änderungsanfrage könnte dann mit einem Service Provider verhandelt werden, der den Auftrag möglicherweise über Penetrationspreise gewonnen hat und jetzt versucht, die verlorenen Margen wieder gutzumachen.

Nach Aufwand abgerechnete Verträge verlagern das Betriebsrisiko vollständig auf die IT-Abteilung.

Volumenbas ierte Preismodelle wie z.B. ticketbasierte Preise mögen auf den ersten Blick gut aussehen, da sie sich nach der Größe des Betriebs richten - aber fördern sie auch das richtige Verhalten des Providers? Ein Service Provider, der durch proaktives Problemmanagement die Anzahl der Tickets verringert, schadet seinen eigenen Umsätzen.

Um die Kosten ihrer komplexen und dynamischen Applikationsportfolios effektiv im Griff behalten zu können, sollten sich CIOs nicht mit dem bestehenden Angebot des Marktes zufrieden geben - sondern ein Kostenmodell anstreben, das ihren individuellen Anforderungen entspricht.

Anforderungen an ein Anwenderfreundliches Modell

Grundsätzlich gilt, dass ein derartiges "kundenfreundliches" Modell

Das ideale Kostenmodell für Applikationen

Ein Applikationskostenmodell, das die Realität in einer IT-Abteilung tatsächlich widerspiegelt, sollte aus drei Säulen bestehen, die gemeinsam die Ziele unterstützen:

Ein solches Kostenmodell sollte sehr sorgfältig konzipiert werden, da es die Grundlage für die gesamte zukünftige Vertragsgestaltung und das Kostenmanagement bildet. Bevor ein Unternehmen in den Dialog mit einem Service Provider tritt oder gar einen Vetragsabschluss erwägt, sollte es seine Hausaufgaben erledigt haben. Dazu zählen etwa die frühzeitige Analyse des Applikationsportfolios sowie die Festlegung der finanziellen Grundlagen.

Einige Fortune 500-Unternehmen haben bereits die ersten Schritte zur Einführung eines solchen Applikationskostenmodells getan, indem sie die Dienste externer Sourcing-Berater in Anspruch genommen haben, und die Ergebnisse sind ermutigend.

Ein europäisches Unternehmen hat ein solches Modell bereits für 30 Prozent seines gesamten Applikationsportfolios umgesetzt. Es hat die vergangenen drei Jahre sehr genau betrachtet, um die einzelnen Parameter auf seinen Bedarf abzustimmen und befindet sich jetzt mitten in der Einführung des entwickelten und abgestimmten Modells für den Rest der Applikationen.

Ein anderes Unternehmen zieht die Einführung eines solchen Modells bei der Neuverhandlung eines Vertrages mit seinem aktuellen Provider in Betracht, um seinen Vertrag transparent zu machen, ohne unbedingt den Provider wechseln zu müssen.

In den vergangenen drei Jahren haben sich auch führende Anbieter von Applikationsmanagement-Lösungen mit solchen Modellen vertraut gemacht und zeigen Bereitschaft, die Preise für ihre Leistungen entsprechend zu gestalten.

Das Modell muss zukunftsorientiert sein

Bei der Umsetzung eines transparenten Applikationskostenmodells sollten CIOs die folgenden Elemente einer flexiblen Service-Erbringung in den Vordergrund stellen:

Preistransparenz und Flexibilität in Applikationsportfolios sind möglich

Mit einem erfolgreich implementierten Applikationsportfolio Kostenmodell können Unternehmen den Spagat zwischen Transparenz, Skalierbarkeit, Flexibilität und Vorhersehbarkeit (Predictability) meistern.

Mit zunehmender Beliebtheit solcher Modelle haben einige Fortune 500-Unternehmen in Europa bereits die ersten Schritte mit vielversprechenden Ergebnissen getan, und viele andere dürften ihrem Beispiel folgen.

Alexander Müller-Herbst ist Partner Managing Director bei der Information Services Group Germany GmbH (ISG).