Die sechs wichtigsten IT-Entscheidungen

Strategie-Serie - Teil 3: IT-Standardisierungen

29.06.2006 von Peter  Weill und Jeanne W.  Ross
In ihrer Unkenntnis von IT treffen CEOs und CFOs ständig die falschen Entscheidungen - bis hin zum Total-Outsourcing. In der folgenden Artikelserie erklären Peter Weill und Jeanne W. Ross von der Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wie Vorstände ihre Hilflosigkeit bei IT-Entscheidungen überwinden können. Im dritten Teil der Serie erläutern die Autoren, wie Führungskräfte den Spagat zwischen einer zentralisierten IT und dezentralen Standorten schaffen.

Entscheidungsträger erkennen zunehmend die erheblichen Einsparmöglichkeiten und strategischen Vorteile, die unternehmensweit zentralisierte IT-Leistungen und eine standardisierte IT-Infrastruktur mit sich bringen. Dieser Ansatz macht die vorhandene technologische Expertise unternehmensweit nutzbar, erlaubt weit reichende und kostengünstige Verträge mit Softwareanbietern und erleichtert globale Geschäftsprozesse.

3. Entscheidung: Welche IT-Ressourcen werden zum Standard?

Gleichzeitig können Standardisierungen aber die Beweglichkeit einzelner Geschäftsbereiche beschneiden und die Fähigkeit des Unternehmens beschränken, flexibel auf unterschiedliche Kundensegmente einzugehen. Und sie können den Widerstand der Geschäftsbereichsleiter herausfordern.

Wenn IT-Managern die Entscheidung überlassen wird, was zentralisiert und vereinheitlicht werden soll und was nicht, wählen sie in der Regel eine von zwei Vorgehensweisen. Je nach Unternehmenskultur vereinheitlichen sie entweder alles, um Kosten zu sparen. Oder sie erkennen die Wichtigkeit autonomer Geschäftsbereiche und machen für jeden aufbegehrenden Bereichsleiter Ausnahmen.

Die erste Möglichkeit beschränkt die Freiheit der Fachbereiche, die zweite ist teuer und erschwert Synergieeffekte. In manchen Fällen arbeiten Systeme mit unterschiedlichen Standards sogar gegeneinander - es entsteht eine IT-Infrastruktur im Unternehmen, die insgesamt weniger wert ist als die Summe ihrer Teile. Folglich sollten Topmanager bei diesem entscheidenden Prozess der Interessenabwägung die Führungsrolle übernehmen.

Die Erfahrung von Johnson & Johnson (J&J ), dem weltweit tätigen Anbieter von Konsum- und Gesundheitsprodukten, illustriert die Schwierigkeit, bei der Einführung unternehmensweiter Standards die richtige Balance zu finden.

Fast hundert Jahre lang war J&J als dezentralisiertes Unternehmen erfolgreich. Anfang der 90er bekam J&J es dann mit einer neuen Art von Kunden zu tun: Diese hatten wenig Verständnis für die Vielzahl der Vertriebsmitarbeiter, die unterschiedlichen Rechnungen und Warenlieferungen, die unweigerlich auftauchten, wenn sie mit mehr als einer der rund 200 Geschäftseinheiten zu tun hatten.

Das Management von J&J musste entscheiden, wie die wachsende Notwendigkeit eines einheitlichen Unternehmensauftritts mit der traditionellen Autonomie der einzelnen Bereiche vereinbart werden sollte. Informationstechnik sollte eine entscheidende Rolle bei der Lösung des Problems spielen.

Datenstandards erleichtern das IT-Leben

Eine Kernentscheidung in Sachen IT betraf die Datenstandards. Die leitenden Manager erkannten schnell, dass die Einführung globaler Datenformate, die den Informationsaustausch zwischen den Fachbereichen erleichtern würden, keine einfache Aufgabe werden würde.

Jahrelang waren Datenformate etwa für Produktkennungen, Produktkosten und Kundenkonten jeweils vor Ort definiert worden, um den Bedürfnissen der einzelnen Geschäftsbereiche in den verschiedenen Ländern nachzukommen. Also betraute die Unternehmensleitung ein Team mit der Aufgabe, Datenformate zu definieren, die zwingend notwendig waren, um ein einheitliches Bild des Kunden zu erhalten. Sämtliche übrigen Datenformate durften weiter regional oder auf Ebene der einzelnen Geschäftsbereiche bestimmt werden.

Ein einheitliches Bild des Kunden zu bekommen, machte aber auch eine einheitliche Technologiebasis notwendig, die eine elektronische Kommunikation zwischen den einzelnen Regional- oder Geschäftsbereichen erlaubte. Also brach J&J mit seiner Tradition. Statt auf Ebene der Geschäftsbereiche wurde für das Gesamtunternehmen ein Budget zur Einrichtung standardisierter Workstations mit genau definierter Schnittstelle zu den übergreifenden Unternehmenssystemen und -daten bereitgestellt.

Im Laufe der Zeit übertrug J&J immer mehr EDV-Aufgaben der Geschäftsbereiche auf die zentralen Systeme. Aber das Unternehmen ging dabei behutsam vor; wohlwissend, dass der plötzliche Wechsel zu einer einheitlichen Umgebung zu gefährlichen internen Erschütterungen führen kann.

Management-Teams in jedem Unternehmen, ob zentralisiert oder dezentralisiert, müssen bei der Verteilung von IT-Ressourcen und -Fähigkeiten kontinuierlich die Balance zwischen Gesamtunternehmen und einzelner Geschäftseinheit finden. Traditionell zentralisierte Organisationen wie UPS stellen fest, dass die von allen genutzten Infrastrukturen oft nicht den Bedürfnissen neuer und kleinerer Geschäftsbereiche gerecht werden. Deshalb haben sie nach und nach IT-Kompetenzen auf die lokale Ebene verlegt - so wie umgekehrt das traditionell diversifizierte Unternehmen J&J Aufgaben zunehmend zentralisiert hat.

Peter Weill ist Direktor des Center for Information Systems Research an der renommierten Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Jeanne W. Ross arbeitet als Principal Research Scientist am Center for Information Systems Research.

Bereits erschienen in dieser Reihe sind folgende Artikel: