Die sechs wichtigsten IT-Entscheidungen

Strategie-Serie - Teil 4: IT-Ressourcen-Management

03.07.2006 von Peter  Weill und Jeanne W.  Ross
In ihrer Unkenntnis von IT treffen CEOs und CFOs ständig die falschen Entscheidungen - bis hin zum Total-Outsourcing. In der folgenden Artikelserie erklären Peter Weill und Jeanne W. Ross von der Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT), wie Vorstände ihre Hilflosigkeit bei IT-Entscheidungen überwinden können. Im vierten Teil der Serie erläutern die Autoren, wie Führungskräfte die Leistungsanforderungen für die IT richtig definieren sollten.

Ein EDV-System, das nicht funktioniert, ist nutzlos. Das aber heißt nicht, dass jedes System den höchsten technischen Standards entsprechen muss. Eigenschaften wie maximale Zuverlässigkeit, Reaktionsfähigkeit und einfacher Datenzugang gibt es nicht umsonst. Es ist Aufgabe des Top-Management zu entscheiden, wie viel Geld es für welche Funktionen und Services ausgeben will.

4. Entscheidung: Welcher Leistungsstandard ist wirklich notwendig?

Einige Unternehmen kommen an absoluter Spitzentechnik nicht vorbei. Investmentbanken etwa diskutieren gar nicht erst darüber, wie viele Daten bei einem Systemabsturz verloren gehen dürfen; eine 100-prozentige Datensicherung ist für sie eine existenzielle Notwendigkeit. Genauso wenig kann zum Beispiel die Gtech Corporation , die weltweit die meisten staatlichen Lotterien managt, Kompromisse in Sachen Schnelligkeit eingehen.

Die Mehrheit der Verträge des Unternehmens in den USA beinhaltet den Passus, dass Kunden ihren Lotterieschein innerhalb von fünf Sekunden ausgehändigt bekommen - wobei allein das Drucken der Scheine drei Sekunden dauert. Auch Ausfallzeiten kann sich Gtech nicht leisten: Die amerikanischen Bundesstaaten erheben Strafen von bis zu 10.000 Dollar für jede Minute, in der das Computersystem nicht erreichbar ist. Das ist eine überzeugende Begründung dafür, die Funktionsfähigkeit der Rechner auch bei Überflutungen, Tornados, Stromausfällen oder Netzzusammenbrüchen zu gewährleisten - egal, wie viel das kostet.

Die meisten Firmen können jedoch mit gewissen Ausfallzeiten oder gelegentlichen Geschwindigkeitseinbußen leben. Sie müssen den daraus resultierenden Problemen die Kosten für deren komplette Vermeidung gegenüberstellen.

Ein Beispiel ist Dow Corning, ein großer amerikanischer Anbieter für Spezialchemie. Ein kurzer Ausfall der Unternehmenssoftware ist für Dow Corning ärgerlich, würde aber nicht zu einem Produktionsstopp oder zum Verlust von Aufträgen führen. Obwohl die Firmenleitung Ausfälle ganz vermeiden wollte, hätten die Kosten für die völlige Sicherheit den Finanzrahmen des Unternehmens gesprengt.

Also entschied man sich 1999 für die Einführung eines Backup-Systems, das nur dann aktiviert wird, wenn das Hauptsystem mehrere Stunden lang lahm liegt. Das Unternehmen überprüft seine Sicherungskapazität regelmäßig und hat in den vergangenen Jahren die fallenden Preise für IT-Systeme genutzt, um die Sicherheit weiter zu erhöhen.

Solche Entscheidungen über die notwendige Leistungsfähigkeit der IT-Services müssen von hochrangigen Managern getroffen werden. Denn die EDV-Abteilungen tendieren in der Regel zur aufwändigsten Lösung, weil ihre Arbeit danach beurteilt wird, wie oft es zu Systemausfällen kommt.

Üblicherweise sind die Kosten für die höhere Leistungsfähigkeit in die Gesamtpreise der IT-Systeme eingerechnet und werden nicht extra ausgewiesen oder getrennt diskutiert. Die IT-Experten sollten den Führungskräften deshalb mit einer Auswahl von Leistungen und Preisen erläutern, wofür wie viel Geld ausgegeben wird. Die Führungskräfte sollten dann in Absprache mit den IT-Fachleuten entscheiden, welches der richtige Leistungsumfang ist, zu einem Preis, den sich das Unternehmen auch leisten kann.

Eine solche Analyse kann Auswirkungen nicht nur auf einmalige IT-Investitionen, sondern auch auf die jährlichen Unterhaltskosten haben. Gerade die sind in Unternehmen häufig ein umstrittenes Thema.
In vielen Fällen können die Fixkosten während der Systementwicklung durch niedrigere Vorgaben für Systemstabilität und Geschwindigkeit erheblich reduziert werden. Umgekehrt kann die Analyse auch zeigen, dass ein Unternehmen die Risiken von Ausfallzeiten unterschätzt hat und nicht ausreichend dagegen gewappnet ist.

Peter Weill ist Direktor des Center for Information Systems Research an der renommierten Sloan School of Management am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Jeanne W. Ross arbeitet als Principal Research Scientist am Center for Information Systems Research.

Bereits erschienen in dieser Reihe sind folgende Artikel: