Implementierung - Pilotbetrieb - Echtbetrieb

Strategische KIS-Auswahl und Iplementierung (Teil 2)

23.08.2007 von Carl Dujat, Hanns A. Michel, Kurt Becker, Cornelia R. Vosseler, Hans-Werner Rübel und Werner Gräser
Für die Entscheider im Krankenhaus ist die Wahl eines geeigneten KIS ein komplexer Vorgang, bei dem eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen sind, die häufig nicht auf den ersten Blick offensichtlich sind.

Nach der Unterschrift unter den Vertrag für das neue KIS beginnt erst die eigentliche Arbeit. Projektgruppen müssen gebildet, Feinspezifikationen erarbeitet, Installation und Implementierung vorbereitet sowie die Schulungen geplant und terminiert werden. Der Arbeitsaufwand und die Mitwirkungspflichten des Auftraggebers während der Implementierungs- und Pilotierungsphase werden von den Entscheidern in den Krankenhäusern häufig unterschätzt. Dies bestätigten u.a. auch die zahlreichen Anwender, welche im Workshop "Migration" der kürzlich von GMDS und BVMI in Ludwigshafen veranstalteten KIS-Tagung 2007 im Plenum mitdiskutierten. Die Referenten des Workshops, die über eigene KIS-Einführungsprojekte berichteten, konnten aber auch zahlreiche Tipps geben, Abläufe und Einführungsstrategien zu verbessern.

Es empfiehlt sich grundsätzlich, einen Vollzeit-Projektleiter mit Krankenhaus-Erfahrung für dieses strategische Projekt zu berufen und diesem zusätzlich einen erfahrenen externen Coach an die Seite zu stellen, damit die Weichen im Projekt bereits zu Beginn richtig gestellt werden und die gewünschten Projektziele auch zeitgerecht erreicht werden. Viele Probleme in Informationstechnologie-Projekten sind auch menschlich-sozialer Natur und häufig Schwierigkeiten in der Kommunikation zwischen Projektteams, Lieferant/Auftragnehmer und Anwendern ausgesetzt. Deshalb müssen Projektleiter und Projekt-Coach über soziale Kompetenz und gute Kommunikationsfähigkeiten verfügen sowie Erfahrungen im Konfliktmanagement mitbringen.

Das Projektteam-Coaching und ein projektbegleitendes Controlling werden von erfahrenen Beratungsunternehmen, wie denen der Autoren, im Rahmen von fest vereinbarten Personentagen in überschaubarem Umfang pro Monat angeboten.

In der Projektrealisierungsphase hat es sich außerdem bewährt, Mitarbeiter aus den betroffenen Abteilungen für die Umsetzung als "Power-User" zu gewinnen. Bei ihrer Auswahl ist auf soziale Kompetenz, Akzeptanz in der Abteilung, Know-How und Motivationsfähigkeit zu achten. Es ist eine unabdingbare Voraussetzung, diese Mitarbeiter für ihre Projektaufgaben und Konfigurationsarbeiten gut auszubilden und zeitlich ausreichend freizustellen. Die Systemanpassung wird durch die Power-User der Abteilungen durchgeführt, muss aber durch Spezialisten des Herstellers kompetent unterstützt und kontinuierlich begleitet werden.

Der Aufwand für die Ausbildung der Anwender wird immer unterschätzt bzw. zu gering bemessen oder unter Umständen gänzlich vergessen. Der Schulungsbedarf ist in der Regel sehr hoch und sollte individuell ermittelt werden. Trainer sind Mitglieder aus der Projektgruppe, die die Systemkonfiguration durchgeführt haben. Sie werden vom Hersteller üblicherweise nach dem "Train-the-Trainer"-Konzept ausgebildet. Hier ist strickt darauf zu achten, dass dies in ausreichendem Umfang geschieht.

Ein Schulungsraum im Krankenhaus muss grundsätzlich zur Verfügung stehen und sollte den interessierten MitarbeiterInnen auch für Übungszwecke außerhalb ihrer Dienstzeiten geöffnet werden. Die Schulungen werden auf einem separaten, mit der Kundenkonfiguration versehenen, Testsystem durchgeführt. Sie sind sehr langfristig im Voraus zu planen und dürfen nicht kurzfristig verschoben werden, da sie in den Dienstplanungen des Krankenhauses Berücksichtigung finden müssen. Soweit möglich empfehlen wir eine Trennung bei den Schulungen nach Geschlecht (Frauen finden auf andere Weise als Männer den Zugang zum Computer), Alter (ältere Teilnehmer benötigen längere Übungszeiten) und nach Berufsgruppe (Ärzte, Pflege, Schreibdienste, Abrechnung etc.).

Ein kompletter Pilotbetrieb kann häufig wegen des hohen Aufwands nicht durchgeführt werden, dennoch ist ein ausgiebiges Testen der wichtigsten Funktionalitäten notwendig. Können sich alle Anwender im Echtsystem wirklich anmelden, werden alle Formulare richtig gedruckt usw.? Speziell die Altdatenübernahme und Schnittstellen sind ausgiebig zu überprüfen.

Echtbetrieb

Nach der erfolgreichen Implementierungsphase kann das neue KIS stufenweise in den Echtbetrieb gehen. Hier gilt es, die im Vertragswerk festgelegten Abnahmekriterien regelmäßig und exakt zu prüfen und deren Umsetzung durch den Anbieter zu überwachen.

Bei den einzelnen Routinestarts der Projektstufen - gestaffelt nach dem Zeit- und Stufenplan im so genannten "Roll-Out“ - ist sicherzustellen, dass alle verfügbaren Personen aus der Projektgruppe und vom Hersteller in den ersten Tagen zur Unterstützung der Anwender jeweils vor Ort sind.

Bei medizinischen IT-Systemen ist ein Support für die Anwender an 24 Stunden und 365-Tagen notwendig. Das kann durch eigenes Personal im Krankenhaus ermöglicht werden, wenn es dafür eine IT-Rufbereitschaft gibt. Nur besonders unternehmenskritische Systeme für die medizinische und pflegerische Dokumentation sollten durch einen 24-Stunden/365 Tage-Vertrag mit dem Hersteller abgesichert werden.

Der Erfolg einer effizienten Systemnutzung zeigt sich in der Akzeptanz des Informationssystems bei den Anwendern, in Prozessoptimierungen, in den erzielten Einsparungen und im Erreichen der Projektziele. Dies wird nur durch kontinuierliche Einführung aller geplanten Funktionen erreicht.

Nach den Erfahrungen der Autoren aus einer Vielzahl von durchgeführten KIS-Projekten macht sich eine professionelle, qualifizierte und gezielte Projektbegleitung häufig schon nach kürzester Zeit bezahlt. Projektverzögerungen bei Investitionen einer solchen Größenordnung, wie sie in komplexen KIS-Projekten üblicherweise anfallen, verursachen dann häufig ein Vielfaches der Investition in kompetente und zeitgerechte Beratungsleistungen. Von großer Bedeutung ist die professionelle und kontinuierliche Begleitung des Routinebetriebes, weil nur so eine optimale "Systemevolution" sichergestellt ist.