Große Gehaltsunterschiede gefährden den Erfolg

Teams richtig strukturieren

08.06.2006 von Inke Suhr
In den meisten Firmen werden die Gehälter der Beschäftigten wie ein Geschäftsgeheimnis gehütet - aus gutem Grund. Denn gravierende Einkommensunterschiede in einem Team können die Leistung ruinieren. Das fanden Forscher im "Labor Fußball" heraus.

Personalchefs und Fußballtrainer plagen die gleichen Sorgen: Wie setzt man eine Mannschaft optimal zusammen? Sollten die Talente gleich verteilt sein? Oder leistet man sich einen hoch bezahlten Top-Performer, der das Team nach vorne ziehen soll?

Besser nicht, so das Ergebnis einer Studie, die das "Institute for Empirical Research in Economics" an der Uni Zürich erstellt hat. Um herauszufinden, wie sich Lohnunterschiede auf die Gesamtleistung eines Teams auswirken, suchten sich Professor Bruno Frey und seine Mitarbeiter Versuchskaninchen in der deutschen Bundesliga.

Sie analysierten die Daten von 1.114 Spielern in 2.833 Begegnungen, die zwischen 1995 und 2004 stattfanden. Ihr Ergebnis: Selbst Traumkicker bringen einer Mannschaft nicht den gewünschten Erfolg - wenn sie relativ zu den anderen zu viel verdienen. Superstars wie Ronaldinho und Beckham, die in der spanischen Liga über 20 Millionen Euro im Jahr verdienen, könnten in der deutlich niedriger bezahlten Bundesliga jedes Team ruinieren, folgern die Autoren.

Teamfähigkeit von Gehaltsgestaltung abhängig

Je größer die Einkommensunterschiede in einem integrierten Team seien, "desto schlechter wird die Gesamtleistung", fasst Frey die Ergebnisse zusammen. Aus der "Glücksforschung" wisse man, dass sich Menschen mit anderen in ähnlicher Position vergleichen. "Wer weniger verdient, findet, dass sein Anteil nicht genug gewürdigt wird, und fühlt sich ungerecht behandelt." Sogar die Fähigkeit der hoch bezahlten Kräfte könne abnehmen, wenn ihnen Neid und Leistungsdruck zu schaffen machen.

Die Forschung über den Zusammenhang zwischen Bezahlung und Leistung leidet traditionell unter einem Mangel an empirischen Daten - die meisten Firmen weigern sich, Einblick in Gehälter ihrer Mitarbeiter zu geben. Deshalb kamen die Ökonomen darauf, sich Fußballspiele anzusehen. "Bundesligaspiele finden quasi unter Laborbedingungen statt, immer gelten die gleichen Regeln und Restriktionen", erklärt Frey die Fußballbegeisterung seines Teams. Die Daten - gewonnene Zweikämpfe, Torvorbereitungen, Tore und der aktuelle Marktpreis der Kicker - wurden von Fachmagazinen geliefert.

Schon in den neunziger Jahren hatten die Wissenschaftler die US-Senior PGA Golf Tour untersucht - mit etwas anderen Ergebnissen. Sie fanden heraus, dass hohe Preisgelder hier durchaus zu besseren Leistungen führten. Beim Golf mit seinen unterschiedlich dotierten Turnieren zogen hohe Preisgelder exzellente Individualisten heran, die bessere Leistungen brachten.

Indem sich die Züricher dem Mannschaftssport zuwandten, konnten sie die Auswirkungen von Einkommensunterschieden auf Gruppen erforschen - eine Sicht, die eine gute Übertragung auf das Wirtschaftsleben und Teams von Angestellten zulässt.

Unklarheit herrschte bislang über die Frage, ob ausgeprägte Gehaltshierarchien Mitarbeiter auf den untersten Rängen zu höheren Leistungen anspornen - oder ob sie zum deprimierten Rückzug führen, nach dem Motto: "Mit denen da oben kann ich eh nicht mithalten". Nach Ansicht der Züricher Forscher können beide Effekte eintreten, je nachdem, welche weiteren Faktoren im Spiel sind: Müssen die Teammitglieder eng zusammenarbeiten, führt stark unterschiedliche Bezahlung eher zu Frustration und schlechter Leistung.

Bei Ärger ist das Team schuld

Gerade Teams von Mitarbeitern, die eigentlich gut funktionieren, reagieren stark auf hohe Einkommensunterschiede, fanden die Forscher heraus. "Vermutlich treten in Spitzenteams alle Effekte deutlicher auf", sagt Frey. Oft neigten hoch bezahlte Teammitglieder dazu, sich Erfolge selbst auf die Fahne zu schreiben. Bei schlechtem Abschneiden würde aber eher das gesamte Team für den Misserfolg verantwortlich gemacht - mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Motivation. Firmenchefs sollten deshalb mit Konkurrenzdruck sparen, so die Folgerung aus der Studie.

Werden etwa Verkäufer anhand der Anzahl ihrer Abschlüsse entlohnt, veröffentlichen Firmen oft Ranglisten; weniger erfolgreiche Mitarbeiter sollen so zu besserer Leistung animiert werden. Diese Methode kann aber das Gegenteil bewirken, wenn schlechtere Kandidaten ihr Abschneiden auf Probleme wie ein undankbareres Einzugsgebiet oder Geschäftsfeld zurückführen, die im Einkommen nicht berücksichtigt werden. Die Neigung, sich unfair behandelt zu fühlen, ist dann groß.

Auch bei Einstellungen ist Vorsicht geboten

Zwar überwiegt bei neuen Kollegen, die unterdurchschnittlich bezahlt werden, zuerst die Freude über den Job. Schließlich ist er für viele gegenüber der vorherigen Position immer noch eine Verbesserung.

Haben sich die Neuen jedoch im Team integriert, kann ihr relativ geringeres Einkommen schnell zur Ursache von Motivationsproblemen werden. Um der einseitig auf die Bezahlung gerichteten Konkurrenz zu entgehen, empfehlen die Forscher, Mitarbeiter durch Preise anzuspornen.

Die könnten zum Beispiel an besonders innovative Angestellte verliehen werden - oder an die besten Teamplayer.

Dieser Artikel stammt vom Online-Angebot des Manager Magazins.