Bertelsmann AG

Umbruch im Medienkonzern

10.10.2002 von Marita Vogel
Die IT der Gütersloher Bertelsmann AG wird weltweit reorganisiert: Die Infrastruktur der Unternehmensbereiche wird in so genannten "IT-Shared Service Center" zusammengezogen, Outsourcing im größeren Stil aber vermieden. Das sei politisch nicht durchsetzbar, sagt CIO Ragnar Nilsson.

Die Ansage an den neuen CIO Ragnar Nilsson war deutlich: DieIT-Struktur des Medienkonzerns Bertelsmann AG müsse konkurrenzfähigaufgestellt und die Kosten reduziert werden, verlangte der Vorstanddes Gütersloher Unternehmen. Das soll nun durch eine Re-Organsiationder konzernweiten IT-Struktur erreicht werden: "Wir werden ab 2004etwa 60 bis 90 Millionen Euro jährlich einsparen können", sagteNilsson.

Damit könnte Nilsson zumindest einen kleinen Teil der Umsatzverlusteauffangen, die der Medienkonzern im ersten Halbjahr 2002 verzeichnenmusste: Der Umsatz sank - bedingt durch schwache Werbeeinnahmen - um500 Millionen Euro auf 8,8 Milliarden Euro. Allerdings konnte derGewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) nach einemherben Verlust im Vorjahreszeitraum (minus 885 Millionen Euro) wiederauf 157 Millionen Euro verbessert werden.

Das neue Kostensenkungsmodell, das Nilsson Mitte Oktober dem Vorstandpräsentierte und das unter "Ignition" firmiert, steht auf drei Beinen:Zum einen soll die stark fragmentierte IT-Infrastruktur zentalisiertwerden, zum anderen soll die Zusammenarbeit der Unternehmensbereicheverbessert werden. Der dritte Ansatz steckt im Service Management: Dassoll durch Service-Level-Agreements verstärkt werden, die für mehrKostenbewusstsein in den Fachbereichen sorgen.

Der wichtigste Bereich von Ignition ist die Zusammenlegung derInfrastruktur der sieben Unternehmensbereiche Gruner + Jahr, RTL,Direct Group, Corporate Center, Arvato sowie die US-amerikanischenVerlage Random House und BMG in "IT-Shared Service Center". DieseCenter - die schwerpunktmäßig in den USA und Europa gebündelt werden -werden die Bereiche Rechen- und Serverzentren, Enduser-Computing, HelpDesks und Vernetzung bearbeiten. "Um erste Erfahrungen zu sammeln, läuft in dennächsten Wochen ein Pilotprojekt in den USA bei den TöchternRandom House, BMG, Gruner und Jahr und Direct Group", sagt Nilsson.

Diese Erfahrungen sollen ab dem ersten Quartal 2003 auch im neu zubildenden deutschen Service Center in Gütersloh umgesetzt werden.Darin eingebunden ist die Bertelsmann-Tochter Arvato Systems, diezurzeit als IT-Dienstleister auch die Infrastruktur betreut. "ArvatoSystems ist Teil des Konzeptes", sagt Nilsson.

Mit dieser Lösung erteilte der Medienkonzern dem Thema"Komplett-Outsourcing" - wie es die Deutsche Bank momentan vollzieht -eine Absage. Weil seit dem Frühjahr rund 50 IBM-Berater an derInventarisierung der Bertelsmann-IT-Infrastruktur mitwirkten,befürchteten Mitarbeiter eine entsprechende Auslagerung. "Das ist beiuns lange diskutiert worden, und es wäre auch machbar gewesen", sagtNilsson. "Ein vollständiges Outsourcing ist aber aus politischen undorganisatorischen Gründen in der dezentralen Bertelsmann-Welt nichtumsetzbar."

Nun sollen wie bisher Dienstleister in verschiedenen BereichenAufgaben übernehmen. Dabei wird die Zahl dieser Dienstleisterreduziert: "Wir arbeiten beispielsweise im Bereich Weltweite Netze mitetwa 50 bis 60 verschiedenen Lieferanten zusammen. Daraus könnten wirein bis zwei auswählen, die diese Aufgaben übernehmen", sagt derBertelsmann-CIO. Für welche weiteren Bereiche dieses Modell nochgreifen wird, stehe noch nicht fest. Das Finanzvolumen derDienstleister-Verträge werde insgesamt sinken, das inhaltliche Volumenzunächst konstant bleiben. In den kommenden Jahren werde der Umfangaber vermutlich steigen.

Auch über die Auswirkungen von Ignition auf die IT-Arbeitsplätze istnichts Konkretes zu hören. Klar scheint jedoch, dass es hier zukünftigStreichungen geben wird: "Eine Arbeitsplatzgarantie kann es nichtgeben - schließlich haben Kostenreduzierungen auch immer mitPersonalreduzierung zu tun", sagt Nilsson.

Da dürfte es die sieben Divisions-CIOs des Medienkonzerns zumindestein wenig beruhigen, dass sie auch nach der Umstrukturierung weiterhinHerr im eigenen Unternehmensbereich sein werden - wie es übrigens auchder allgemeinen Konzernstrategie entspricht. DerenVerantwortlichkeiten werden nicht gekürzt, so Nilsson. Auch eineBerichtspflicht an den Konzern-CIO sei nicht im Gespräch: "Bei einemguten Team ist das nicht nötig", sagt er.

Das CIO-Council, das aus Klaus-Peter Blobel (Konzern-Auditing), MilesBraffett (BMG), Hans-Dieter Groffmann (Gruner + Jahr), Michael Pesch(Arvato), Robert Simmeth (Direct Group), Pierre Wagner (RTL) undAndrew Weber (Random House) besteht, war an der Entwicklung der neuenLösung maßgeblich beteiligt. "Das war quasi ein demokratischerProzess", meint Nilsson. Gemeinsam habe man wichtige Punkte wieBudget, Strategie und Sicherheit erarbeitet.

Eine neue Aufgabe für das CIO-Council ist bereits in Sicht: Sobald dererste Teil von Ignition implementiert ist, sollen in den nächstenJahren die Applikationen auf den Prüfstand. Doch das ist nochZukunftsmusik: "Wir haben mit der Infrastruktur jetzt erstmal einenRiesenbrocken vor der Brust - mit dem Rest lassen wir uns Zeit", sagtNilsson.