Enge Parkhäuser, schmale Straßen

Unsere Lieblingsautos sind zu dick fürs Parkhaus

18.03.2014 von Meike Lorenzen
SUV und Geländewagen werden auch bei der deutschen Kundschaft immer beliebter. Doch hält unsere Infrastruktur den neuen, größeren Modellen Stand? Über die Probleme mit engen Parkhäusern und schmalen Straßen.
Länge: 4,88 m, Breite: 2,18 m, Höhe: 1,76 m: Das sind die Abmessungen des aktuellen BMW X5. Bei dieser Größe wird es mit diesem SUV in so manchem deutschen Parkhaus zu eng.
Foto: BMW Group

Mühsam schlängelt sich der SUV-Fahrer durch die Einbahnstraße, setzt den Blinker und schert nach hinten in die Parklücke. Die Einparkhilfe piept und die Reifen quietschen an der Bordsteinkante. Der Spiegel wird vorsorglich einklappt. Immer mehr Autofahrer entscheiden sich beim Fahrzeugkauf für die sogenannten neuen Sport Utility Vehicle (SUV). Dabei sind unsere Straßen, Autobahnen, Parkplätze und Parkhäuser nur bedingt für die breiten Fahrzeuge ausgelegt. Ein Problem, dessen Konsequenzen kaum jemand zu Ende denken mag.

Schon seit einigen Jahren bemängelt der ADAC, dass unsere Autos werden immer breiter werden, während die Infrastruktur nicht mitwächst. Laut einer Studie der Westsächsischen Hochschule Zwickau in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Verkehr und Stadtbauwesen der TU Braunschweig haben sich die Ausmaße unserer Fahrzeug massiv ausgedehnt. Gemessen wurden Länge, Radstand, Höhe und Breite (ohne Spiegel) aller neu zugelassenen Fahrzeuge in den Jahren 2000 und 2010. In allen Kategorien haben die Autobauer ein paar Zentimeter draufgepackt:

Betrachtungsjahr

Länge (m)

Radstand (m)

Höhe (m)

Breite ohne Spiegel (m)

1999/2000

4,74

2,7

1,51

1,76

2010

4,93

2,85

1,76

1,91

Dabei handelt es sich um Durchschnittswerte für den gesamten Fahrzeugmarkt - vom Mini, über den Kleinwagen bis hin zum Großraumvan und SUV, ohne Berücksichtigung der Häufigkeit. Schon die Durchschnittswerte zeigen, dass die Pkw in der vergangenen Dekade 19 Zentimeter länger, 15 Zentimeter breiter und 25 Zentimeter höher geworden sind.

Besonders bizarr wird es bei konkreten Vergleichen. So ist der heutige Polo zum Beispiel größer als der Golf der ersten Generation aus dem Jahr 1974. Zwischen dem Golf I und dem aktuellen Golf VII liegt etwa ein halber Meter Längenunterschied. Inzwischen misst der "kleine" VW über 4,20 Meter. Die beliebten SUV und Geländewagen sind laut Studie 4,86 Meter lang.

"Wir sind zu Amerikanern geworden"

"Was früher Fließheck- und Stufenheck-Limousinen waren, läuft heute als SUV", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. "Man könnte sagen, die Deutschen sind zu Amerikanern geworden.“ Tatsächlich sind SUV derzeit das am stärksten steigende Segment im Automobilmarkt. Betrug der Marktanteil im Jahr 2000 noch 2,9 Prozent, liegt er heute bei 16,3 Prozent - ein enormes Wachstum. Allein 2013 wurden in den ersten drei Quartalen wurden über 360.000 SUV in der Bundesrepublik verkauft.

Auf diesen Fakten ruht die Kritik des ADAC. Erst kürzlich wies der Automobilclub auf die Gefahr in Autobahnbaustellen hin. Fahrzeuge, die breiter als zwei Meter sind, dürfen die linke Spur nicht nutzen. Dabei knacken diese Marke heutzutage sogar etliche Kleinwagen. Rund 67 Prozent der Neuwagenmodelle sind breiter, hat einer Erhebung des ADAC ergeben, bei der 280 Neuwagen untersucht wurden.

Wer gegen die Regelung verstößt, riskiert eine Geldstrafe von 20 Euro und eine Einschränkung des Kaskoschutzes, sollte es zum Unfall kommen. Laut ADAC steht die Angabe der tatsächlichen Breite nicht im Fahrzeugschein. Sie ist lediglich ohne die Werte des Außenspiegels eingetragen.

Abzocke an Autobahnbaustellen

Insgesamt sind derzeit etwa 120 Fahrzeuge auf dem Markt, die breiter sind als 2,20 Meter. Der ADAC hat sie in einer Liste zusammengestellt. Darunter befinden sich auch vermeintlich schmale Wagen wie der Audi A3, der Ford Focus, der Honda Civic oder der Peugeot 308. "Wir fordern daher die Grenze für die Fahrzeugbreite auf 2,20 Meter zu erweitern", sagt ein ADAC-Sprecher. Damit würden 80 Prozent der Pkw auch die linke Spur nutzen können.

Aktuell wird an einer Erneuerung der Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen (RSA) gearbeitet, die die Baustellensituation auf Autobahnen regelt. Wann diese erscheinen wird, ist derzeit jedoch unklar.

"Die Konsequenzen der neuen Fahrzeugbreiten hat derzeit noch niemand zu Ende gedacht", sagt Stephan Hoffmann, Oberingenieur am Institut für Verkehr und Stadtbauwesen an der TU Braunschweig. Auf ausgewählten Straßen könne es durch den Trend durchaus schneller zu Unfällen kommen. Und dabei sind nicht nur die Autobahnen, sondern auch der Stadtverkehr betroffen.

"Vor allem die Längsparkstreifen sind mit zwei Metern zu schmal", sagt Hoffmann. Schnell wird bei diesen Parkbedingungen der Spiegel abgefahren. Auch das Aussteigen kann ab einer stark befahrenen Straße gefährlich werden.

Die Top SUV und Geländewagen 2013
Die Top-5-Geländewagen
Seit 2013 trennt das Kraftfahrt-Bundesamt zwischen SUV und Geländewagen. Bei den als Geländewagen erfassten Modellen führt laut KBA-Statistik der VW Tiguan mit einem Anteil im Segment von fast 27 Prozent. Mit weitem Abstand folgen Audi Q3 (11,5%), BMW X3, Audi Q5 und Mercedes ML.
Welche SUV die KBA-Statistik anführen
Die Top-5-SUV nach Statistik des Kraftfahrt Bundesamt in diesem Jahr bisher sind der Nissan Qashqai, gefolgt vom BMX X1, Skoda Yeti, Opel Mokka und Ford Kuga.

Um die Situation zu ändern, müssten die Kommunen reagieren. Dabei ist wenig wahrscheinlich, dass die Straßen verbreitert werden. Am ehesten würde wohl auf der Fußgängerseite Platz weggenommen, mutmaßt Hoffmann. Was mögliche Umbaumaßnahmen kosten würden, weiß derzeit noch niemand. "Aktuell lassen wir in einer Masterarbeit erstmals berechnen, welche Anpassungen erforderlich werden könnten. Konkrete Aussagen oder auch Zahlen gibt es bisher noch nicht", so der Oberingenieur.

Der Kampf um 20 Zentimeter

Auch etliche Parkplätze in Parkhäusern sind noch nicht an die heutigen Riesenschlitten angepasst. Wer sich schon einmal in einer engen Parklücke stehend aus seinem SUV gezwängt hat, wünscht sich beim Ein- und Aussteigen mehr Platz. "Das größte Problem sind Parkplätze oder auch Parkbauten, die nur nach den Park- und Garagenverordnungen der Länder geplant werden."

Die Länderverordnung der Bauministerkonferenz (Argebau) erlaubt Stellplätze ab 2,30 Meter Breite. Parkt ein Durchschnittsfahrzeug (siehe Tabelle auf Seite 1) genau mittig, bleiben also knapp 60 Zentimeter zum Aussteigen - sofern der Spiegel eingeklappt ist. Daher fordern der ADAC, etliche Forschungseinrichtungen und auch der Bundesverband Parken e.V. seit Jahren eine Anhebung auf 2,50 Meter.

"Wir haben von Verbandsseite die Argebau mehrfach aufgefordert, die aktuell geltende Garagenverordnung anzupassen", sagt Verbandsgeschäftsführer Gerhard Trost-Hetmekers. Bisher sei der Vorschlag jedoch abgelehnt worden. In einem Anschreiben begründete die Behörde das Vorgehen wie folgt: "Die Vorgaben stellen lediglich Mindestmaße dar und greifen dort, wo örtliche Bauvorschriften Stellplätze fordern, ohne jedoch die Abmessungen zu regeln." Konkret bedeutet das, die Gemeinden haben freie Hand. Sie können eigen Vorschriften geltend zu machen. Noch konkreter: Sie dürfen, aber sie müssen nicht. Gerade wenn Privatpersonen einen Bauantrag stellen, winken die Ländern den Antrag auf eine Baugenehmigung in der Regel durch, sofern die vorgeschriebenen Parkplätze 2,30 Meter breit sind.

Parkhausvermieter sind stärker auf die Kundenzufriedenheit angewiesen. Also nehmen etliche sie das Zepter selbst in die Hand. Der bundesweit größte Vermieter Apcoa zum Beispiel hat bereits 2007 ein Handbuch für Garagen-Design entworfen und darin die Standard-Breite 2,50 sowie für Familienstellplätze die Breite 3,50 Meter vorgeschlagen. "Aus unseren Erfahrungen können wir sagen, dass unser Handbuch bei Neubauten von unseren Verpächtern gerne umgesetzt wird", sagt Tilman Kube, Sprecher der Apcoa Parking Holding.

Ein Graus für SUV-Fahrer

Doch stehen in Deutschland nicht nur schicke, geräumige Parkhäuser wie die Tiefgarage am Frankfurter Goetheplatz. Etliche Bauwerke der 70er und 80er Jahre sind ein Graus für SUV-Fahrer. Erst kürzlich hat ein ADAC-Test gezeigt, wie schlecht es um die Stellplätze in der Republik bestellt ist. Von 60 untersuchten öffentlichen Garagen in 15 europäischen Metropolen fielen elf komplett durch. Und nicht ein einziges Mal wurde die Note sehr gut vergeben. In den alten Gebäuden sind die Parkplätze zu schmal, die Einfahrten zu niedrig und die Rampen für die großen Wagen zu steil, kritisiert der Automobilclub.

Umgebaut werden die Sorgenkinder dennoch nicht. "In alten Parkhäusern muss der Bestandsschutz gelten, da diese nach Stützenrastern geplant wurden", erklärt Gerhard Trost-Hetmekers vom Parken e.V. und fügt hinzu: "Müssten diese einen Abstand von 2,5 Meter einrichten, würden 30 Prozent der Stellplätze wegfallen." Ein enormer Verlust für die Betreiber. Entsprechend verzichtet man auf die Umstrukturierung und nimmt in Kauf, dass hier und da ein großes Auto etwas zu viel Platz weg nimmt.

Werden die Autos wieder schrumpfen?

Im Streit um die großen Autos und die kleine Infrastruktur glauben einige Experten auch daran, dass unsere Pkw vielleicht eines Tages auch wieder kleiner werden könnten. Die Gründe für die wachsenden Karosserien macht diese Überlegung jedoch unglaubwürdig.

Laut Angaben des TÜV Süd würden vor allem die neuen Sicherheitssysteme wie Airbags das Auto größer machen. Auch die vielen neuen Technologien im Armaturenbrett brauchen Platz. Gleichzeitig haben sich die Crash-Vorschriften geändert. Inzwischen müssen die Autobauer viel mehr Raum für die Knautschzone einberechnen - vor allem in der Breite.

Gleichzeitig werden die Menschen immer größer. Ende der 1960er Jahre brachte ein Mann bei der Musterung zum Wehrdienst im Schnitt noch 1,73 auf das Maßband. Heute sind es 1,75 Meter. Mit der Körpergröße ist auch der Anspruch an den Komfort gestiegen. Bequemes Ein- und Aussteigen auf Sitzhöhe ist inzwischen für nicht wenige ein Kaufargument. Und die Hersteller passen sich der Nachfrage an. Und das werden sie auch weiterhin tun. Für die Gestaltung von Straßen und Parkhäusern sind sie nicht verantwortlich.

Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht die Lösung für das Dilemma in der Technik. Selbstfahrende Autos seien die Lösung. "Das automatische Fahren ist auf dem Vormarsch", sagt er. Immerhin können Autos schon heute komplett alleine Einparken, während der Fahrer daneben steht, statt sich dem Fiepen der Einparkhilfe auszusetzen.

(Quelle: Wirtschaftswoche)