Wachstum vor allem bei externen Anwendungen zur Kommunikation mit Kunden

Unternehmen geben in fünf Jahren 4,6 Milliarden Dollar für Web 2.0 aus

25.04.2008 von Nicolas Zeitler
Der Markt für Web 2.0-Technologien soll bis 2013 jährlich um 43 Prozent wachsen. Das schätzt Forrester Research. 2013 werden Firmen weltweit demnach 4,6 Milliarden US-Dollar ausgeben, um über Wikis, Blogs oder soziale Netzwerke innerhalb des Unternehmens und nach außen zu kommunizieren. Vor allem die externe Kommunikation treibt das Wachstum an. Viele CIOs stehen den neuen Anwendungen allerdings noch skeptisch gegenüber.
Soziale Netzwerke sind der Bereich von Web 2.0, in den Unternehmen am meisten Geld stecken.
Foto: Forrester

Den derzeitigen Markt für Web 2.0-Anwendungen für Unternehmen bezeichnen die Marktforscher als klein. Doch sie stellen ihm ein gigantisches Wachstum in Aussicht. Dieses Jahr werden Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten weltweit etwa 764 Millionen Dollar für soziale Netzwerke, Wikis oder Blogs ausgeben. Innerhalb von nur fünf Jahren soll diese Summe um 3,8 Milliarden Dollar wachsen – auf 4,6 Milliarden.

Die sozialen Netzwerke werden an diesem Wachstum den größten Anteil haben. Sie stellen schon jetzt den Bereich des Web 2.0 dar, für den Firmen das meiste Geld ausgeben. 258 Millionen Dollar sollen es in diesem Jahr sein, fast zwei Milliarden im Jahr 2013. Gefolgt werden die Netzwerke von Mashups, für die große Unternehmen in fünf Jahren 682 Millionen ausgeben werden.

Den mit Abstand größten Markt macht Nordamerika aus. Die Web 2.0-Ausgaben steigen laut der Prognose von 480 Millionen in diesem auf 2,8 Milliarden Dollar im Jahr 2013. Europäische Firmen werden dann 957 Millionen für derartige Anwendungen ausgeben, Unternehmen mit Sitz im asiatisch-pazifischen Raum 877 Millionen.

Die Forrester-Analysten zählen insgesamt sieben Technologien zu den wesentlichen Anwendungen des Web 2.0: Neben sozialen Netzwerken, Mashups und Blogs sind dies Podcasting, RSS, Widgets und Wikis. Den Einsatz dieser Werkzeuge für den Kontakt zum Kunden lassen sich Firmen derzeit 379 Millionen kosten, für die interne Kommunikation via Web 2.0 geben sie insgesamt 384 Millionen aus. Bis in fünf Jahren wird sich dieses Verhältnis verschieben. Die Ausgaben für externe Kommunikation übers Netz werden dann mit fast 2,8 Milliarden deutlich über denen für die unternehmensweite Verständigung liegen (knapp 1,9 Milliarden).

Künftig wird sich der Schwerpunkt des Einsatzes von Web 2.0-Anwendungen verschieben: von der internen zur externen Kommunikation.
Foto: Forrester

Worauf die Akteure der Wirtschaft ihren Schwerpunkt legen, ist indes je nach Region unterschiedlich. In Europa wird wohl der interne Web 2.0-Einsatz weiter vorherrschen, weil Forrester zufolge vergleichsweise wenige europäische Konsumenten offen für die Technologien sind. In Asien und rund um den Pazifik wird wegen des von Europa unterschiedlichen Kundenverhaltens dagegen das Marketing über Web 2.0 eine gewichtige Rolle spielen. Spitzenreiter soll hier Südkorea sein. Ausnahme in der Region ist Indien. Der weitreichende Einsatz von Wikis, Widgets und Mashups in Call- und Outsourcing-Centern wird auf dem Subkontinent große Investitionen in interne Anwendungen zur Folge haben.

Seit der Begriff "Web 2.0" im Jahr 2004 geprägt wurde, habe sich ein wahrer Hype darum entwickelt, stellen die Autoren des Berichts fest. Dafür sprächen nicht nur die vielen Artikel über das Thema in Publikumsmedien. Auch Unternehmen hätten sich die neuartigen Anwendungen schnell zunutze gemacht. 56 Prozent der nordamerikanischen und europäischen Firmen sehen dem Bericht zufolge Web 2.0-Initiativen unter den wichtigsten Projekten in diesem Jahr.

IT-Entscheider eher skeptisch

Was die Begeisterung für Web 2.0 angeht, sind die Meinungen in vielen Unternehmen indes geteilt. Als Befürworter identifiziert die Forrester-Studie neben dem Marketing unter anderem Forschungs- und Entwicklungsabteilungen oder die Unternehmenskommunikation. Allerdings fehle den Entscheidern in diesen Bereichen häufig die Befugnis oder das Verständnis, um selbstständig neue Technologien einzuführen. Sie sind dafür auf die IT-Abteilungen angewiesen.

Und in denen herrsche häufig Skepsis. Zum einen wegen der knappen Budgets: Demnach frisst im Durchschnitt allein der Unterhalt bestehender Systeme 70 Prozent des Haushalts auf. Dazu kommt die Haltung vieler CIOs, die Web 2.0-Anwendungen als "unsichere Technologie auf Endverbraucher-Niveau und mit geringem Wert" betrachten.

Nur ein Zehntel der CIOs fördert soziale Netzwerke im Unternehmen

Das deckt sich mit den Ergebnissen einer unlängst veröffentlichten Umfrage von CIO.com unter 311 IT-Entscheidern. Die Mehrheit von ihnen zeigte sich darin nicht gerade begeistert von Blogs, Wikis oder sozialen Netzwerken. Nur 30 Prozent von ihnen bieten in ihrem Betrieb Wikis als Anwendung an. 23 Prozent unterhalten Blogs, 18 Prozent unterstützen RSS als Mittel zur Verbreitung von Informationen. Nur jeder Zehnte hat in seiner Firma ein soziales Netzwerk für die Kommunikation der Mitarbeiter eingeführt.

Eine weitere Schwierigkeit für Anbieter, die mit Web 2.0-Anwendungen Geld verdienen wollen, sieht Forrester in den bisherigen Web 2.0-Erfahrungen vieler Entscheider. Die kennen Web 2.0 zunächst meist aus der Endverbraucher-Perspektive und übertragen ihre Erwartungen und Preisvorstellungen in den Firmenkontext. Sprich: Ein soziales Netzwerk zu nutzen und Blog-Einträge zu schreiben, kostet meist wenig oder sogar nichts. Wer für entsprechende Software nun hohe Beträge einstreichen will, muss möglichen Kunden erst einmal klar machen, welchen Mehrwert speziell auf Unternehmen zugeschnittene Web 2.0-Lösungen haben.

Eingefahrene Strukturen

Die bestehenden Software-Strukturen in Unternehmen könnten ein weiteres Hindernis sein, Web 2.0-Anwendungen einzusetzen. Viele eingefahrene Prozesse ließen sich schließlich nicht einfach umstellen. Web 2.0-Software müsse in der Lage sein, sich in die bestehende Landschaft einzugliedern, um seine Stärken entfalten zu können.

Obwohl die Prognose von Forrester diese möglichen Hindernisse nennt, bleiben die Analysten insgesamt bei ihrer optimistischen Sicht auf die Marktentwicklung. Studienautor Oliver Young ist überzeugt, dass selbst Skeptiker nicht umhin kommen, Web 2.0-Tools in ihren Firmen einzuführen. CIOs könnten dauerhaft ohnehin nichts dagegen tun, dass Angestellte damit arbeiteten. Um die Risiken zu verringern, die der Einsatz von Programmen für Endverbraucher mit sich bringe, würden die IT-Verantwortlichen lieber gleich professionelle Web 2.0-Tools einführen, erklärt Young.

"Für IT-Abteilungen, die gegenüber dem Business ihre Bedeutung herausstellen wollen, sind professionelle Web 2.0-Anwendungen außerdem ein hochwirksames und zugleich günstiges Mittel, um sich als führend und innovativ darzustellen“, sagt Young gegenüber CIO-Online. Es werde mit Sicherheit einige Überzeugungsarbeit kosten, die zusätzlichen Ausgaben zu rechtfertigen. Doch ist der Analyst überzeugt, dass die Konkurrenz durch kostenlose Open Source-Angebote und die Bündelung von Web 2.0-Programmen zu ganzen Paketen die Preise deutlich werden sinken lassen.

Unterschiede zwischen interner und externer Nutzung von Web 2.0

Die Triebkräfte auf den Märkten für firmeninterne und nach außen gerichtete Web 2.0-Kommunikation sind unterschiedlicher Natur. So bestimmt den Markt der zum Kundenkontakt ausgerichteten Lösungen ein Trend zum Zusammenwachsen mehrerer Anwendungen. Anbieter werden verstärkt ganze Lösungspakete statt einzelner Anwendungen anbieten. Im Zentrum sollen dabei soziale Netzwerke stehen.

Die Zahl der Großaufträge von Medienkonzernen wird Forrester zufolge in den kommenden zwei bis drei Jahren auf ein verschwindend geringes Maß zurückgehen, weil die Unternehmen mit Web 2.0-Anwendungen gesättigt sind. Die Marketing-Abteilungen der Anbieter sind den Marktbeobachtern zufolge zudem gezwungen, die Bedürfnisse ihrer Kunden besser zu verstehen. Außerdem werden zunehmend auch ältere Internet-Nutzer typische Web 2.0-Anwendungen einsetzen.

Jüngere Mitarbeiter offener für neue Technologien

Was den Einsatz von Web 2.0 in Unternehmen angeht, erkennt Forrester eine Tendenz zum unternehmensweiten Einsatz. Zudem werden umfassende Web 2.0-Komplettlösungen zunehmend in die bestehende IT-Landschaft integriert. Anbieter, die nur ein spezielles Widget einzeln verkaufen möchten, müssen daher entweder durch außergewöhnliche Funktionen oder einen besonders niedrigen Preis überzeugen.

Bisher beschränkt sich Web 2.0 in Firmen meist auf einzelne Bereiche. Doch immer mehr Betriebe nähern sich unternehmensweiten Lösungen an. Forrester prophezeit, dass die Firmen größtenteils bis 2011 von einer Pilotphase zum betriebsweiten Einsatz übergehen. Einen wahren Boom könnte Web 2.0 zur internen Kommunikation vor allem in Firmen erfahren, die in der kommenden Zeit von größeren Verrentungswellen betroffen sind. Die neuen, jüngeren Mitarbeiter seien schließlich von Haus aus Web 2.0-affiner, begründet Forrester.

Effizientere Kommunikation

Die Folge des zunehmenden Einsatz der neuartigen Anwendungen könnte in den Augen der Marktforscher eine "grundsätzlich neue Art und Weise sein, mit Kunden in Kontakt zu treten" und die Zusammenarbeit der Angestellten zu verstärken. Aus Sicht von Oliver Young wird die Kommunikation innerhalb eines Betriebs dadurch vor allem effizienter. Firmen, die besonders schnell auf den Zug aufspringen, könnten kurzzeitig einen Vorsprung gegenüber Wettbewerbern erlangen. "Allerdings erwarten wir, dass die Technologie in kurzer Zeit zum Standard in den meisten Unternehmen werden wird, so dass der Vorsprung einzelner nur vorübergehender Natur sein wird“, schätzt Young.

Für den Report "Global Enterprise Web 2.0 Market Forecast: 2007 To 2013" haben die Analysten von Forrester mit Vertretern von 60 Anbietern von Web 2.0-Anwendungen gesprochen. Die Zahl der Großunternehmen weltweit wurde anhand von Zahlen aus anderen Marktübersichten hochgerechnet. Auf Grundlage von Interviews mit Dienstleistern und Kunden wurden die geschätzten Ausgaben für die kommenden Jahre hochgerechnet. Die Zahlen beziehen sich auf Käufe von Software für Web 2.0 und die Kosten für den Unterhalt entsprechender Initiativen in Firmen. Allenfalls nötige Hardware-Anschaffungen wurden nicht eingerechnet.