Software-Entwicklung in Europa

Unternehmen verschwenden Entwicklungsressourcen

05.08.2015 von Heinrich Vaske
Eine Umfrage zum Status quo in der Software-Entwicklung weist auf deutliche Unterschiede zwischen europäischen Regionen hin. Übereinstimmung herrscht indes darin, dass Individualentwicklung wichtig bleibt.

Welche Ziele verfolgen IT-Organisationen in der Software-Entwicklung? Die Marktforscher der IDG Business Media GmbH haben im Auftrag des niederländischen PaaS-Providers Apprenda 270 IT-Manager in Großbritannien, Benelux, Skandinavien und der DACH-Region (Deutschland/Österreich/Schweiz) befragt. Die Ergebnisse weisen auf regionale Unterschiede hin.

Software-Entwicklung in Europa
Software-Entwicklung in Europa
Eine Umfrage zum Status quo in der Software-Entwicklung weist auf deutliche Unterschiede zwischen europäischen Regionen hin. Übereinstimmung herrscht indes darin, dass Individualentwicklung wichtig bleibt, Cloud-Enabling auch für Legacy-Anwendungen Pflicht wird und Entwickler zu stark von Nebensächlichkeiten abgelenkt werden.
IT-Chefs in Ländern ...
... der Regionen Benelux und DACH möchten durch gezielten IT-Einsatz vor allem die Kosten senken. Die Briten sehen darin eher ein Instrument zur Umsatzsteigerung. Und die Skandinavier wollen ihre Kunden besser bedienen.
In allen Regionen ...
... sollen sowohl bestehende Anwendungen "cloudifiziert" als auch neue Anwendungen native für die Cloud entwickelt werden.
Dramatische Unterschiede gibt es in Sachen Self-Service:
Nur in der DACH-Region haben Entwickler mehrheitlich keinen Self-Service-Zugriff auf IT-Infrastruktur.
Gefragt nach den strategischen IT-Initiativen, ...
... legen Skandinavien, die DACH-Region und die Benelux-Staaten größten Wert auf standardisierte Deployment-Architekturen und –Prozesse. Den Briten ist das nicht so wichtig. Ihnen geht es vorrangig um mehr Produktivität in der Software-Entwicklung.
Deutliche Unterschiede in der Akzeptanz von Cloud Computing:
Für ein Drittel der befragten Briten ist die Cloud "kritisch" für strategische IT-Initiativen. In allen anderen Regionen ist die Sogwirkung nicht so stark.
Jenseits der DACH-Region spielt die Public Cloud eine deutlich wichtigere Rolle.
In der deutschsprachigen Region ist die Hybrid Cloud besonders populär.
Offenbar sind die Deutschen, Österreicher und Schweizer ...
... besonders effizient, wenn es um die Auslastung ihrer Data Centers geht.
Die Briten und die Benelux-Länder haben noch reichlich Legacy-Systeme im Einsatz.
In Ländern aus Skandinavien und der DACH-Region wurde schon kräftig ausgemistet.

Das beginnt schon bei der grundsätzlichen Einschätzung von IT. Die Briten sehen darin einen Hebel für Umsatzwachstum, dagegen hoffen die Benelux-Länder, teilweise auch Skandinavien und die Länder der DACH-Region vor allem auf Effizienz in den betrieblichen Prozessen. Mehr Kundenzufriedenheit versprechen sich vor allem die skandinavischen Länder vom IT-Einsatz, doch auch die anderen Umfrageteilnehmer haben den Kunden fest im Blick.

Individualsoftware bleibt relevant

Wie stark gelten selbstentwickelte Anwendungen als Mittel, um diese jeweiligen Ziele zu erreichen? In allen Regionen spielt Individualsoftware eine wichtige oder sehr wichtige Rolle - in UK noch ein bisschen mehr als in den anderen Regionen. Offenbar sind die meisten Unternehmen weit davon entfernt, ihre IT-Anforderungen vollständig mit Standardsoftware abzudecken - egal ob on premise oder im SaaS-Modell.

Geht es darum, die strategischen IT-Initiativen zu priorisieren, fallen die Vorlieben regional unterschiedlich aus. Skandinavier und Briten sind vor allem interessiert, die Produktivität ihrer Entwickler zu verbessern - ein Wunsch, der die IT-Manager aus der DACH-Region und den Benelux-Ländern nicht so stark umtreibt. Dort geht es eher darum, die Deployment-Architekturen und -Prozesse zu optimieren - übrigens auch für die Skandinavier ein wichtiges Thema - und in der App-Entwicklung schneller auf Marktbedürfnisse reagieren zu können.

Unterschiedliche Meinungen zu Cloud Computing

Überraschend groß sind die Unterschiede zwischen den europäischen Regionen, wenn es um die Einschätzung der Cloud geht. Während die Briten zu fast 70 Prozent sagen, Cloud Computing sei sehr wichtig, wenn nicht sogar kritisch für ihre IT-Strategie, sind die anderen Regionen zurückhaltender. Knapp die Hälfte der IT-Manager aus Skandinavien und Benelux teilen die Meinung der Briten, aber nur 36 Prozent der Deutschen. Insgesamt sind dennoch 47 Prozent der Befragten der klaren Meinung, die Cloud sei kritisch oder sehr wichtig, um strategische Unternehmensziele zu erreichen.

Der Hybrid Cloud gehört die Zukunft

Der Schwerpunkt des Interesses liegt überall auf Private- und Hybrid-Cloud-Architekturen. Die Public Cloud spielt vor allem in der DACH-Region eine untergeordnete Rolle, während sich immerhin je ein knappes Viertel der Briten und der Skandinavier auch dafür erwärmen können. Grundsätzlich deutet aber alles daraufhin, dass sich die Anwenderunternehmen auf eine Hybrid-Cloud-Zukunft einrichten, zumal bestimmte Aufgaben aus regulatorischen, finanziellen oder auch prozessualen Gründen wohl nie in der Public Cloud abgebildet werden können oder dürfen.

Storage Trends 2015 - Hybrid-Cloud-Anforderungen für die Storage-Infrastruktur
Dr. Georgios Rimikis, Senior Manager Solutions Strategy, HDS
„Über RESTful Protokolle könnten Daten in einer Public Cloud gespeichert werden, während aktive Metadaten hinter der Firewall in der Private Cloud residieren."
Vincenzo Matteo, Disk Product Management Director, Oracle
"Eine hochwertige Hybrid-Cloud-Infrastruktur setzt eine leistungsstarke Application Engineered Storage Lösung (AES) inklusive OpenStack Cloud API Support vor Ort voraus. AES senken per Automatisierung Verwaltungskosten und bieten zusätzlich anwendungsspezifisch speziell abgestimmte Funktionen."
Ralf Colbus, Leading Storage Professional, IBM Deutschland
"Zentral muss die Möglichkeit bestehen, Daten nahtlos von einem Cloud-Provider zu einem anderen zu verschieben. Dies rückt etwa dann in den Fokus, wenn ein Cloud Provider die definierten Service Level Agreements (SLA) nicht mehr halten kann."
Johannes Wagmüller, Director Systems Engineering, NetApp
"Unternehmen benötigen eine Datenmanagementplattform, die über die Clouds der verschiedenen Anbieter hinweg funktioniert. Erst mit einer solchen Lösung gelingt eine Verbindung zwischen On-Premise-Systemen sowie Ressourcen aus der Private und Public Cloud."
Dr. Stefan Radtke, CTO Isilon Storage Division, EMC Deutschland
„Ein weiteres sehr wichtiges Element ist die Bereitstellung eines Service-Kataloges für die Endbenutzer. Dieser muss sehr einfach handhabbar sein, damit die Akzeptanz genauso hoch ist wie bei bedienerfreundlichen Cloud-Anbietern. Das setzt ein Portal für die Administration voraus, in dem Services zentral definiert und gewartet werden können.“
Hans Schramm, Field Product Manager Enterprise, Dell
"Die Storage-Infrastruktur sollte für neue Technologien offen sein und beispielsweise die Kombination von unterschiedlichen Storage-Technologien in einem System oder auch Hyperconverged-Lösungen, die zunehmend auf den Markt kommen, unterstützen."

Cloud-Enabling der Legacy-Anwendungen ist Pflicht

Gefragt, ob bestehende Anwendungen Cloud-fähig gemacht oder entsprechende Applikationen nativ neu entwickelt werden sollten, sind die Meinungen eindeutig: 65 Prozent der Briten meinen, sowohl neue als auch bestehende Anwendungen müssten im SaaS-Modell bereitgestellt werden. Auch in Benelux und Skandinavien sprechen sich Mehrheiten dafür aus, in Deutschland sind immerhin 46 Prozent dieser Meinung. Damit ist klar: In den europäischen Regionen besteht Einigkeit darin, dass vorhandene Software Cloud-fähig gemacht werden muss und eine andere Form des Betriebs über kurz oder lang nicht mehr akzeptiert wird.

Legacy-Anwendungen bleiben im Einsatz

Die Umfrage diente auch dazu herauszufinden, wie der Status quo in Sachen Infrastruktur derzeit aussieht. Demnach haben die Skandinavier und die Teilnehmer aus der DACH-Region tendenziell weniger individuell entwickelte Anwendungen im Einsatz als die Briten und die Benelux-Länder. Außerdem sind die Rechenzentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz deutlich besser gemanagt und ausgelastet als in Großbritannien und den Benelux-Ländern.

Viele Legacy-Systeme auf der Basis alter Programmiersprachen wie Cobol und RPG finden sich noch bei den Briten und in den Benelux-Ländern, während die Skandinavier und die IT-Verantwortlichen aus der DACH-Region hier schon aufgeräumt haben. Entsprechend ist die Neigung, viele Entwickler zu beschäftigen, dort am größten, wo der Bestand an Legacy-Systemen hoch ist.

Software kommt zu langsam in den Betrieb

Wie schnell bringen Softwareentwickler ihre Anwendungen aus der Testphase in den produktiven Betrieb? Auffällig ist, dass 28 Prozent der Umfrageteilnehmer aus dem deutschsprachigen Raum keine Antwort darauf haben, während die Briten bei dieser Frage nur zu vier Prozent passen. Auf der Insel sagen 30 Prozent, sie bräuchten nur Tage, 40 Prozent brauchen Wochen und 14 Prozent Monate. Immerhin sind neun Prozent "binnen Minuten" so weit; in Skandinavien fühlen sich sogar zehn Prozent agil genug für eine minutenschnelle Inbetriebnahme.

Entwickler müssen sich mit Nebenschauplätzen beschäftigen

Ein insgesamt betrübliches Bild zeigt der Blick auf die Effizienz der Entwickler. Gefragt, wie viel Arbeitszeit für Anforderungen, die nichts mit der Softwarefunktionalität zu tun haben (zum Beispiel Autorisierung, Skalierbarkeit, Hochverfügbarkeit oder Provisionierung), aufgewendet werden muss, liegt das Gros der Antworten bei Werten zwischen 20 und 60 Prozent.

Lediglich im deutschsprachigen Raum und in Skandinavien gibt es mit 22 beziehungsweise 16 Prozent einen nennenswerten Anteil an Entwicklern, die für solche Tätigkeiten weniger als 20 Prozent ihrer Arbeitszeit aufwenden müssen.

Infrastruktur bindet zu viel Aufmerksamkeit

Auffällig ist auch die starke Abhängigkeit der in Betrieb befindlichen Anwendungen von der zugrundeliegenden IT-Infrastruktur. In keiner der Regionen sind die Unternehmen heute so weit, dass sie hier Flexibilität erreicht hätten. In aller Regel besteht eine starke oder zumindest moderate Abhängigkeit von der Infrastruktur - in der DACH-Region mehr noch als anderswo. Damit steht die IT-Infrastruktur, die Unternehmen keinerlei Wettbewerbsvorteile bringt, noch immer stark im Mittelpunkt der IT-Bemühungen.

Auch wenn es darum geht, automatisiert Workloads zu verteilen und die Einhaltung von Compliance-Richtlinien automatisiert zu kontrollieren, fördern die Umfrageergebnisse Alarmierendes zutage. In allen Regionen ist die Mehrheit der Befragten vollständig oder teilweise abhängig von manuellen Prozessen. Besonders auffällig ist das in Großbritannien und Skandinavien, während in Deutschland, Österreich und der Schweiz immerhin 39 Prozent der Umfrageteilnehmer sagen können: Die Mehrheit dieser Prozesse ist automatisiert.

Self Service ist für Entwickler noch nicht selbstverständlich

Die auffälligsten Unterschiede zwischen den Regionen finden sich beim Thema Self-Service. "Statten Sie Ihre Entwickler mit einem Self-Service-Zugang zu Ihrer IT-Infrastruktur aus", lautete die Frage, auf die 60 Prozent der IT-Manager aus der DACH-Region mit Nein antworteten. Briten, Skandinavier und Anwender aus den Benelux-Ländern sind hier deutlich weiter: Rund zwei Drittel antworten hier jeweils mit einem klaren Ja. Interessanterweise halten aber nahezu alle Umfrageteilnehmer den Self-Service-Zugang zu Rechenressourcen, Tools und Anwendungsservices für sehr wichtig.