Mobile Strategy

Unternehmensführung in Zeiten des Tech-Tornados

26.04.2016 von Mark Wächter
Der mit der kommerziellen Nutzung des Internet aufgezogene Tech-Tornado hat mit dem Mobile Tsunami an kreativer Zerstörungskraft gewonnen. Nur wer aufmerksam beobachtet, welche Technologien, Plattformen und Dienstleistungen in seiner Branche zu smarten Services veredelt werden, kann von der Connected Intelligence profitieren und lernen, auf der Mobile-Welle zu reiten.
Die explosionsartige Verbreitung des Mediums Mobile führt zu disruptiven Veränderungen in (fast) allen Branchen.
Foto: Shutterstock.com - cg-art

Die rasante Ausbreitung von mobilen Endgeräten und die enorme technologische Entwicklung auf Hardware-, Software- und Service-Seite hat in den letzten Jahren eine zweite Kambrische Explosion ausgelöst. Wie bei der plötzlichen Explosion der Artenvielfalt vor etwas mehr als 500 Millionen Jahren hat der Mobile Tsunami zu einer nie da gewesenen Ausbreitung von neuen Kommunikationsformen, Geschäftsideen und Firmen geführt - vom Plankton und anderen Kleinstlebewesen (den Start-ups) bis zu Dinosauriern (den Mobile Internet Giganten).

Geschäftsmodelle und Produktangebote zu transformieren, galt es schon immer in der Geschichte der Wirtschaft: Segelschiffe wichen dem Dampfschiff, Dampfloks der E-Lok, Schreibmaschinen dem PC. Den Unterschied heutzutage macht die Geschwindigkeit aus, mit der die gesellschaftliche und wirtschaftliche Transformation vonstatten geht. Alle derzeitigen Plattform-Giganten sind erst in den letzten 20 Jahren entstanden, sind also gerade einmal volljährig oder stecken noch in der Pubertät.

Der Urknall für diese Explosion war sicherlich das multimediale Erleben des World Wide Web durch den ersten Webbrowser Mosaic im Jahr 1993. Mobile wirkte in den letzten zehn Jahren wie ein Hyperantrieb auf die voranschreitende Transformationsnotwendigkeit, der die schon gewaltige Digitale Akzeleration durch das Internet in einen Mobile Tsunami enormen Ausmaßes verwandelte. Im Supercruise - also mit Schallgeschwindigkeit - breitet sich die Mobile-Welle aus. Heute werden die Märkte von Hardware-, Software- und Service-Plattformen mit Mobile First Zugang zum Rohstoff Daten dominiert.

Die aufkommende Sensor Economy des Internet der Dinge verstärkt die Macht dieser Plattformen. Etablierte Kundenschnittstellen werden von ihnen erobert - im Handel, im Auto, beim Bezahlen, zuhause und zunehmend in der Fertigung. Es geht immer öfter darum, wer die Daten kontrolliert und wer damit den Zugang zum Kunden besitzt. Immer weniger deutsche Firmen sitzen direkt an der Datenquelle oder drohen, die Kontrolle über diese zu verlieren - Firmen wie Bosch, SAP oder Siemens bilden die rühmliche Ausnahme. In der "Data Economy" werden aber neue Dienstleistungen auf Basis eben dieser Daten, die in der Produktion, durch den Konsum oder bei der Nutzung entstehen, kreiert - sogenannte Smart Services.

Die Geschwindigkeit der Veränderung

Im Ranking der wertvollsten Marken des Jahres 2015 waren mit Apple, Google, Microsoft und IBM die ersten vier der Top fünf sowie darüber hinaus mit AT&T und Verizon sechs der Top sieben Mobile First Companies. Zehn Jahre zuvor hatte nur das damals auf Platz vier gelandete China Mobile überhaupt Mobile First gedacht. Dynamische Markt- und damit Marken-Entwicklungen geprägt von Algorithmen, Digitalität, Vernetzung, vor allem aber der Beherrschung des Mobile Tsunami, schlagen in der Marken-Bewertung traditionelles Marketing-Management von Marken-Institutionen wie Coca-Cola, GE, Malboro oder Walmart. Die explosionsartige Verbreitung des Mediums Mobile führte zu disruptiven Veränderungen.

Die rasante Welt-Eroberung des Handy.
Foto: Meeker/KPCB

Auf den tragenden Säulen des Internet wie World Wide Web, Suche, eCommerce, Cloud-Computing und Soziale Netzwerke sind die New Economy, das Web 2.0 und Firmen wie sehr anschaulich und lesenswert von genau diesen Eindrücken und Insights, die er auf seiner Dienstreise zu den Plattform-Giganten erlebt und erfahren hat.Wer wissen will, was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt, bekommt hier einen Eindruck. Denn , Ebay, Facebook und Google entstanden. Mobile hat aus der New Economy die "Right Now Economy" gemacht und aus der Desktop-Computing-Ikone Apple eine Mobile Company. Der Mobile Tsunami hat eine Tech-Welle ausgelöst, die Käufer und Verkäufer, also Bedarf und Produkt in Echtzeit zusammenbringt.

In der Now Economy will der Konsument Produkte und Services im Hier und Jetzt auf seinem Mobile Screen bestellen und erleben: Schnelles Date? Tinder. Peer-Group Feedback? WhatsApp. Mode-Check? Poshmark. Vorfreude teilen? Meerkat. Persönlicher Chauffeur? Uber. Lieblingsmusik? Spotify. Übernachtung? Airbnb. Peinliche Erinnerungen? Snapchat. Für die Ewigkeit? Dropbox. Schwanger? MobileMom. Größeres Auto? DriveNow. Kostenloses Girokonto? Number26. Dringender Wohnungsbedarf? ImmoScout 24.

Produkterlebnisse in Echtzeit erfordern auf der anderen Seite Echtzeit-Kommunikation, Echtzeit-Werbung, Echtzeit-Kundenservice - kurzum: "Real-Time Marketing" oder auch RTM. Die Geschwindigkeit der Veränderung erfordert eine entsprechende Anpassung der Reaktionsgeschwindigkeit - der Need for Speed ist offensichtlich. Marken müssen in Zeiten von Always-on Konsumenten immer präsent sein. Aber erst die 3C von Mobile (Client, Connectivity, Cloud) haben RTM in der Now Economy und disruptive Dienste wie die genannten ermöglicht. Es bedarf einer ausgereiften Technologie (Mobilfunk, Cloud-Computing) und einer weitverbreiteten Plattformbasis (Smartphones, App Stores), um Geschwindigkeit und eine entsprechende Adaption exzellenter Dienstleistungen zu ermöglichen.

Die Herausforderung ist, dass die sich selbst verstärkenden Kräfte des Mobile Tsunami die Veränderungsgeschwindigkeit permanent beschleunigen. Das eigene Geschäftsmodell gegen die in immer kürzeren Abständen erfolgenden Angriffe der Mobile-Disruptor zu verteidigen, ist die zentrale Anforderung an viele etablierte Industrien.

Attacke der disruptiven Geschäftsmodelle

Die Digitale Transformation kann zu einer "Dematerialisierung" des Kerngeschäftes führen. Disruptive Geschäftsmodelle haben Smartphones und Tablets erobert und das Verlagswesen, die Musikindustrie, das Filmgeschäft und den Handel gehörig das Fürchten gelehrt. App Store, iPod, iTunes, Spotify, Netflix, sehr anschaulich und lesenswert von genau diesen Eindrücken und Insights, die er auf seiner Dienstreise zu den Plattform-Giganten erlebt und erfahren hat.Wer wissen will, was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt, bekommt hier einen Eindruck. Denn und Zalando lassen grüßen. Die Transformation kann aber auch in Form einer digitalen Optimierung von Produkten, Services oder Prozessen daherkommen: Betriebsinterne Kollaboration? Slack oder Yammer. Auto-Infotainment? Android Auto oder Apple CarPlay. Taxi-Zentrale? MyTaxi oder Uber. Kassenterminal? Poynt oder Square. Bargeld? Apple Pay oder PayPal. Autoschlüssel? BMW Remote oder carzapp.

Die Disruption trifft jede Branche - manche früher und heftiger.
Foto: Deloitte

Digitale Transformation ist das Schreckgespenst auf den Fluren etablierter Unternehmen über alle traditionellen Branchen hinweg. Wer sein Geschäftsmodell nicht digital transformiert, braucht bald kein Geschäftsmodell mehr. Die Business School IMD sprach im Juni 2015 zusammen mit Cisco in einer viel beachteten Studie vom Digital-Strudel mit enormer Sogwirkung, dem "Digital Vortex", dem im Durchschnitt vier von zehn etablierten Unternehmen pro Industriezweig in den nächsten fünf Jahren durch digitale Disruption zum Opfer fallen werden.

Die Personalberatung Heads! und Deloitte Digital brachten es bereits im März 2015 in einer Grafik der Studie Survival through Digital Leadership anschaulich auf den Punkt, indem sie 17 Industrien anordneten nach der Kürze der Zündschnur und der Heftigkeit des Impact der Disruption.

Heerscharen von Vorständen, Geschäftsführungen und Bereichsleitungen, Aufsichts- und Beiräten, Stabsstellen- und Task Forces sind auf der Suche nach dem Heiligen Gral - der Secret Sauce dafür, ihr mehr oder weniger erfolgreich am Markt platziertes Geschäftsmodell fit für die digitale Zukunft zu machen. Das Wort Transformation suggeriert dabei irgendwie, dass man seinen Unternehmenszweck digitalisieren könne und dieser Prozess auch ein Ende findet.

Dabei hat Clayton M. Christensen schon 1997 in seinem wegweisenden Buch The Innovator's Dilemma aufgezeigt, dass der Untergang etablierter Unternehmen kaum vermeidbar ist, da sie sich gegen erfindungsreiche Neulinge nicht wehren können - eine in der Fachwelt durchaus umstrittene These. Aber selbst wenn man selber erfolgreich in der Lage ist, digital zu transformieren, dann ist das in einer Welt mit einem sich exponentiell beschleunigenden technischen Fortschritt eher ein ständiger Prozess - eine Art "Perpetual Disruption".

Auf der Suche nach dem Disruptions-Gen werden trotzdem Konferenzformate wie BREAK, CODE, DLD, MLOVE, NOAH, SLUSH, SXSW oder die Mutter aller Disrupt-Konferenzen TechCrunch Disrupt aufgesucht, um dort die Digital Disruptor zu treffen. Man pilgert ins Valley, um den Spirit of Disruption zu erleben, man besucht Disruptions Seminare, man geht Partnerschaften ein mit den Heroes of Disruption, um sich mit der Aura von Zukunftsfähigkeit zu schmücken, oder man gründet eigene Accelerator und Inkubatoren und richtet Hackathons aus, um sich den direkten Zugang zu disruptiven Ideen oder gleich Start-ups zu sichern.

In seinem Buch SILICON VALLEY berichtet Christoph Keese sehr anschaulich und lesenswert von genau diesen Eindrücken und Insights, die er auf seiner Dienstreise zu den Plattform-Giganten erlebt und erfahren hat.Wer wissen will, was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt, bekommt hier einen Eindruck. Denn Disrupt! ist der Schlachtruf des Valley. Es ist das "Glaubensbekenntnis für eine vom Erfolg beflügelte Erfinderkultur, die weiß, dass sie alles erreichen kann, wenn sie nur radikal genug denkt". Wer ein wenig mehr in die zum Teil sehr spezielle Psychologie der Valley-Protagonisten eintauchen möchte, dem sei das Werk Das digitale Debakel von Andrew Keen empfohlen.

Was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert

Apples bekannter Slogan aus dem Jahr 2009 betrifft längst alle Branchen.
Foto: Apple

Alles, was digitalisiert werden kann, wird auch digitalisiert. Dabei vollzieht sich die Digitalisierung in Wellen. Waren es zunächst die Musikindustrie, das Filmgeschäft, Verlage und der Handel, so sind mit Phänomenen wie FinTech, Industrial Internet und 3D-Druck jetzt auch klassische Branchen wie der Bankensektor, der Maschinenbau und die Medizintechnik betroffen.

Erste Ziele der Disruptoren sind die Ineffizienzen im Kundenservice. Diese sind besonders leicht mit adäquaten Mobile Apps anzugreifen. In der On-Demand-Economy kreieren die digitalen Aggressoren Mobile Apps mit entsprechenden Algorithmen und effizienter Inkasso-Funktion und vergüten die Heerschar an freien Dienstleistern mittels Provision: Anwälte? UpCounsel. Berater? Eden McCallum. Boten? IBM. Butler? Alfred. Büromakler? WeWork. Fahrer? Uber. Köche? SpoonRocket. Programmierer? TopCoder. Putzfrau? Helpling. Vertriebler? Universal Avenue.

Es geht dabei um Produkt- und Dienstleistungs-, immer mehr aber auch um Prozessoptimierung (Personalisierung des Kundenservice im Pre- und After-Sales, Wartung, Fehleranalyse, Dokumentation). Die erstgenannten Branchen werden schon von einer zweiten Welle getroffen. Die Verlagerung der Mediennutzung vom stationären Web auf Smartphones & Co. verändert alleine in Deutschland das Informations-, Kommunikations- und Konsumverhalten von Millionen Menschen.

Die zweite Gruppe wird die disruptive Welle des Mobile Tsunami umso härter treffen. 90 Prozent der Millennials in den USA (also der Generation, die in den 20 Jahren vor der Jahrtausendwende geboren ist) sind laut The Millennial Disruption Index überzeugt, dass der Bankensektor seismischen Veränderungen unterliegen wird. Und das im Gesundheitssektor Optimierungs- und Wertschöpfungspotenziale zur Eroberung brachliegen, ist offensichtlich. So ziemlich jede Beratungsfirma mit IT-Sektor-Kompetenz hat in den letzten Jahren Hitlisten der Digitalisierungs-Champions veröffentlicht und entsprechende Reifegrade vergeben. Die Boston Consulting Group hat sieben deutschen Kernindustrien (Logistik, Auto, Maschinenbau, Handel, Telekommunikation/Internet/Medien/Entertainment aka TIME, Finanzdienste und Gesundheit), die zusammen 80 Prozent der DAX- und 70 Prozent der MDAX-Unternehmen repräsentieren, ein am jeweiligen digitalen Vorbild gemessenes Reifezeugnis der Digitalisierung vergeben.

Gerade die vier zuletzt genannten Branchen, die bis 2020 am stärksten von der totalen Umwälzung durch die Digitalisierung betroffen sein werden, sind am weitesten entfernt von ihren digitalen Benchmarks. Wirklich kritisch für den Erhalt des Wohlstands im Industriestandort Deutschland ist aber die Wandlungsfähigkeit der zum Teil über 100 Jahre alten Branchen Automobil, Maschinenbau, Elektronik und Chemie. In der DNA dieser durch Premiumpositionierung und Produkt-Einzigartigkeit geprägten Kernbranchen liegt das Schaffen von Wertschöpfung durch ständige Veredelung gepaart mit der Produktionskompetenz der Fachkräfte.

Die im Zuge der Digitalen Transformation erforderliche Innovationselastizität an eben diese Industriesparten ist weit höher als diejenige, die bei der Einführung der Industrieroboter Ende der 70er Jahre gefordert war. Bei der Integration von SILICON VALLEY Basisinnovationen in die eigenen Produkte geht es um die besten digitalen Service-Pakete, die Entwicklung der ausgeklügeltsten Geschäftsmodelle und um Geschwindigkeit. Nur leider trifft hier eine "Welt der ultrakurzen Produktlebenszyklen, permanenten Reorganisationen und blitzschneller Strategieschwenks" auf das gemächliche deutsche Industriemodell.

Die schon berühmte German Angst vor Veränderung trifft zudem noch auf einen zähen Föderalismus, eine schlechte Internet-Infrastruktur und fehlendes Wagniskapital. Die digitale Leistungsfähigkeit leidet so sehr, dass sich unter den von McKinsey weltweit ermittelten Top 50 der dynamischsten Börsenunternehmen (den sogenannten Aggressive Leaders; Maßstab: profitables Wachstum) mit SAP (Platz 16) und BMW (Platz 48) nur zwei deutsche Firmen wiederfinden, unter den Top 100 immerhin noch VW (55), Daimler (72) und Bayer (75). Vor allem Firmen aus den USA, China, Indien und Südkorea geben die Pace vor - in Branchen wie Pharma, Biotech, Software und IT, die es in Deutschland abgesehen von den berühmten Ausnahmen eher schwer haben.

ist offensichtlich. Marken müssen in Zeiten von Always-on Konsumenten immer präsent sein. Aber erst die 3C von Mobile (Client, Connectivity, Cloud) haben RTM in der Now Economy und disruptive Dienste wie die genannten ermöglicht. Es bedarf einer ausgereiften Technologie (Mobilfunk, Cloud-Computing) und einer weitverbreiteten Plattformbasis (Smartphones, App Stores), um Geschwindigkeit und eine entsprechende Adaption exzellenter Dienstleistungen zu ermöglichen.Google entscheidet, in einen Markt einzusteigen und ihn von innen heraus mit digitalen Services zu erobern - Hat das Produkt oder die Dienstleistung weltweit so viel Nutzer wie eine Zahnbürste und können Informationen so neu organisiert werden, dass die via Datenanalyse so gewonnenen Erkenntnisse zu einem verbesserten Kundenerlebnis führen? -, dann kann einem mulmig werden ob der vielen noch offenen Angriffspunkte. Tim Adams vom Guardian hat in einem lesenswerten Essay aufgeschrieben, wohin das noch führen kann.

Die gemächliche Digitalisierung erklärt auch das im Vergleich zu Vorreiter-Märkten wie UK oder USA geringe Digital-Spending in Online- und vor allem Mobile-Werbung. Staat und Wirtschaft in Deutschland müssen erkennen, dass die Digitalisierung "Zugang zu intelligenten Instrumenten, Automatisierungs-, Produktions- und Vernetzungstechnologien wie auch Zugang zu global verteilter Information, Wissen, Kompetenz, Ressourcen, Arbeitspartnern und Märkten" ermöglicht oder erleichtert.

Für alle Beteiligten in Wirtschaft und Verwaltung gilt, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Mobile Tsunami keine ausgedehnten Surflehrer-Stunden zulässt. Man muss sich schon in die Wellen stürzen und bereit sein, schnell sein Geschäftsmodell zu adaptieren oder gar radikal zu ändern - eine Fähigkeit, die amerikanischen Gründern in die Wiege gelegt wird und mit Pivoting bezeichnet wird. Die Aussage "We pivoted!" ist im Gegensatz zur deutschen Gründerkultur eine Auszeichnung und notwendige Qualifikation für die nächste Entwicklungsstufe, denn ein "Geschäftsmodell zu verteidigen ist altes Denken, es frontal zu attackieren mit dem Ziel, es zu zerstören, die avancierte Form von Management". Auf Disruption gibt es keine wirklich angemessene Reaktion, auf den Mobile Tsunami aber kann man sich vorbereiten.

Lernen, auf der Welle zu reiten

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Mobile Tsunami lässt keine ausgedehnten Surflehrer-Stunden zu.
Foto: Shutterstock.com - EpicStockMedia

Die Konvergenz der disruptiven Technologien Soziale Netzwerke, Mobility, Analytics basierend auf Big Data und Cloud (SMAC) ist der wesentliche Treiber der modernen Geschäftswelt. Gartner spricht vom Nexus der disruptiven Kräfte. Wer es versteht, den passenden "SMAC Code" für sein Geschäftsmodell zu dechiffrieren, erfolgreich anzuwenden und zügig umzusetzen, gehört zu den Gewinnern (wie Lego, Nike oder Starbucks) - der Rest zu den Verlierern. Der "Digitale Darwinismus" sorgt für ein Sauriersterben unter etablierten Firmen - Kodak, Neckermann oder Quelle lassen grüßen. Gesellschaft und Technologie entwickeln sich schneller als die Fähigkeit mancher Unternehmen, sich an die neuen Umweltbedingungen anzupassen.

Der neue digitale Imperativ lautet: Effektive Adaption der neuen Technologien oder Konfrontation mit wettbewerblicher Obsoleszenz! Ein vom MIT Center for Digital Business und Capgemini entwickelter Digital Maturity Index bescheinigte 2013 nur 15 Prozent von 450 größeren Firmen mit über einer Milliarde US-Dollar Umsatz pro Jahr, diese Reife durch Perpetual Disruption erreicht zu haben - von den Hidden Champions im Mittelstand ganz zu schweigen. Starbucks wurde als Benchmark-Company definiert: 2009 noch mit halbierter Marktkapitalisierung abgestraft, hat vor allem die mehrfach ausgezeichnete, konsequente Mobile First Ausrichtung die Kundenbindung gestärkt und damit den Börsenwert in neue Höhen katapultiert.

CODE

Mobile hingegen ist eine nicht wirklich zu fassende Technologie- und Service-Welle, die täglich neuen Strömungen, Windrichtungen und unvorhersehbaren Wellenbrechern unter der Wasseroberfläche unterliegt - um im Bild zu bleiben. Diesen Tsunami reiten zu lernen, ist die wahre Herausforderung in der Digitalen Transformation. Es gibt keine verlässlichen Frühwarnsysteme und Wetterprognosen. Das Mobile Internet ist wie aufgezeigt das Schlachtfeld der nahen Zukunft, wo es zum Showdown der Ökosystem-Giganten kommt. Täglich werden in diesem hochintensiven Wettbewerbsumfeld neue Produkte, Services und Technologien auf den Markt gebracht, um sich eine bessere strategische Ausgangsposition zu verschaffen. Es hilft nur eine ständige Beobachtung der wichtigsten Player des Mobile Tsunami und der gesellschaftlichen Adaption der angebotenen Technologien.

Die Einschätzung der technologischen Entwicklungen hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit muss und sollte im aufgeklärten Europa des 21. Jahrhunderts ganz im Sinne von Immanuel Kant vor den Errungenschaften der demokratischen Werte, der sozialen Marktwirtschaft, vor allem aber dem Selbstbestimmungsrecht über die eigenen Daten reflektiert werden.

Mit einem in dieser Hinsicht geschärften Bewusstsein sollte man sich dann Fragen stellen, wie: Was bedeutet es für mein Business, wenn der iKonzern mit Apple Pay, Apple Music und Apple News ganze Industrien einfach so zu einem Feature auf dem iPhone macht? Warum steigt Google in Autonomes Fahren und Robotics ein? Wie kann ich sehr anschaulich und lesenswert von genau diesen Eindrücken und Insights, die er auf seiner Dienstreise zu den Plattform-Giganten erlebt und erfahren hat.Wer wissen will, was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt, bekommt hier einen Eindruck. Denn s Homeshopping auf Knopfdruck via Dash Button für meine Vermarktung nutzen? Was bedeutet Amazon Prime Air - die Belieferung via Drohne - für die Logistik? Warum mutiert Facebook Messenger zur Kommunikations- und mCommerce-Zentrale? Kann und sollte eine Cross-Device Plattform wie Windows 10 Einfluss auf die eigene Mobile Enterprise Strategie haben? Warum sollte mich interessieren, in welche Geschäftsfelder Alibaba, Baidu, Huawei, Tencent, Tesla, Uber, Xiaomi als Nächstes einsteigen? Warum ist es wichtig, das Plattform-Geschäft des Ökosystems Mobile zu verstehen? Ganz einfach: weil jeder Service, der Huckepack auf diesen Plattformen eingeführt wird, bestehende Geschäftsmodelle, die nur von ihren Service-Einnahmen leben, mit einem Swipe zerstören kann.

Die so gewonnenen Erkenntnisse müssen zeitnah in die Unternehmensstrategie einfließen und sind dann unmittelbar auf die Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells anzuwenden. Nike: Nike+FuelBand. Lego: Lego Worlds. Starbucks: Mobile Order & Pay. Dabei gilt es, ein gerüttelt Maß an Trial and Error Philosophie an den Tag zu legen. Denn nur Enttäuschungen und Flops generieren die richtige Energie, es beim nächsten Mal besser zu machen: Apple Newsstand oder Apple Ping, Google Glass oder Google Wave, Amazon Kindle DX oder Amazon Fire Phone, Facebook Deals oder Facebook Home, Microsoft Kin oder Microsoft Zune.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern und natürlich lässt sich auf hohen Cash-Reserven lässiger floppen. Aber es zeigt deutlich, dass man auch in Zeiten eines stürmischen Mobile Tsunami Ausdauer und Mut braucht, um digitale Geschäftsmodelle zum Erfolg zu führen. Auf Konferenzen wie FailCon und Fuckup Nights trifft man sich in der Zwischenzeit, um von Fehlern der anderen zu lernen. Es gibt bekanntermaßen nichts Wertvolleres. Digitalisierungsoffensiven bedeuten in jedem Fall immer einen immensen Ressourcen-Aufwand.

Vom Autohersteller zum Mobility Service Provider

Automobilhersteller und Airlines waren mit die ersten Branchen, die sich der Herausforderung des Mobile Tsunami gestellt haben. Sie entwickeln sich permanent weiter zum Mobility Service Provider im erweiterten Wortsinn - im Kerngeschäft werden Personentransport und Mobilität verkauft, im Gesamtumfang des Produkterlebnisses runden allerdings zahlreiche Mobile Services die User Experience ab.

Noch vor Facebook war der DB Navigator auf der Apple Watch verfügbar.
Foto: Deutsche Bahn

In der Share Economy werden Leistungen eingekauft wie Car-Sharing, keine Produkte. Produkte werden zu Apps. So wie Airlines wie Lufthansa aufgeschrieben, wohin das noch führen kann. Deutsche Bahn das Kundenerlebnis über alle digitalen Touchpoints entlang der Reisekette aus: 150 Digitalisierungsprojekte in den Geschäftsbereichen Personen-, Güterverkehr, Logistik und Infrastruktur hielten den Konzern alleine Mitte 2015 auf Trab.

Dabei reichte die Bandbreite vom Aufwerten der DB Navigator App um eine elektronische Wagenstandsanzeige, über das Buchen von Mietfahrrädern oder Car-Sharing-Angeboten bis zur Zurverfügungstellung individueller Reisedaten auf Tablets der Zugbegleiter. In-Train-Navigation via Beacon zum Sitzplatz, eine App für Infotainment und Bordbistrobestellungen, die WLAN-Versorgung in den Zügen und auf Bahnhöfen, das Anbieten von Videokonferenzen während der Fahrt, On-Demand Shopping in Bahnhofspassagen und noch futuristisch anmutende Fensterbildschirme mit AR-Informationen entlang der vorbeirauschenden Landschaft standen auch im Masterplan für die Digitale Transformation der Bahn.

Aber auch Planung, Streckenwartung und Instandhaltung des Netzes sind Digitalisierungsthemen. So sollen Sensoren das Fahrgastaufkommen, den Streckenzustand und die jeweilige Zugposition erfassen und das extrahierte Smart Data den Kundenservice verbessern. Das Competence Center Digitalisierung ist Stabsstelle im Vorstand und der Digitale Wandel im entsprechenden Fokus. Dabei ist der Ehrgeiz durchaus, vom Getriebenen zum Treiber zu werden. So wurde der DB Navigator noch vor Apps von Facebook für die nalytics basierend auf Big Data und optimiert.

So ließe sich jetzt Branche für Branche schildern, in der Unternehmen sich halb gezogen, halb aktiv springend in die Wellen der Digitalisierung stürzen, um nicht zu Getriebenen des Tsunami zu werden. Dabei kann auch die Digitale Adaption eines Teilbereiches eines Geschäftsmodells durchaus einem Marathonlauf gleichen: Fünf Jahre nach Einführung des iPad im Jahr 2010 lag die digital verkaufte Auflage von Magazinen in Deutschland im Durchschnitt bei einem Prozent der Printauflage - in UK bei knapp vier und in den USA über fünf Prozent.

Vor dem Hintergrund des zunehmenden Printschwundes ist das für die Verlage sicherlich ernüchternd. Neben den Herausforderungen der Preisgestaltung, einer unterschiedlichen Mehrwertsteuerbelastung und einer auch für Smartphones optimierten Darstellung tun sich Verlage vor allem mit der Vermarktung schwer.

Digital Publishing Produkte bedürften der gleichen Mobile Marketing Klaviatur wie Apps aus anderen Branchen, die um Downloads und Engagement kämpfen. Für das haptische Aus-dem-Briefkasten-Holen oder In-Bahnhofskiosken-Stöbern gibt es zudemnoch keine digitalen Pendants in den App Stores. Online-Kioske wie Blendle, Keosk oder Readly versprechen Abhilfe.

Eine weitere große Herausforderung der Medien-Branche ist die Erosion von Medien-Marken, wenn für den Homo Mobilis die Zukunft des Lesens auf mobilen Endgeräten in kuratierten Nachrichten-Features wie Apple News oder Instant Articles von Facebook liegt - also in den Alpha-Apps der Mobile-Giganten und nicht in dedizierten Medien-Apps. Auch beim Lesen von auf GoogleSoziale Netzwerke, Big Data Analysen und Cloud-Technologien sind dabei Werkzeuge, deren Leistungsfähigkeit sich natürlich immer weiter entwickelt, die sich aber in der Nutzung mithilfe entsprechender Technologie-Dienstleister relativ einfach erschließen lassen und deren benötigte Kapazitäten sich je nach Bedarf skalierbar zukaufen lassen.AMP-Technik beschleunigten News-Artikeln, bleiben die mobilen Leser auf Google-Territorium und sind mit einem Klick zurück auf der Suchseite.

Das Zusammenspiel mit den Ökosystem-Mobile-Giganten bleibt für Print-Verleger ein zweischneidiges Werk. Für den im Juli 2015 aus dem Amt geschiedenen Twitter-CEO Dick Costolo jedenfalls wird Mobile zu einer Zentralisierung bei der Distribution von Content führen, weil kein Mensch auf Dauer Lust hat, zig Apps auf sein Smartphone zu laden. Getrieben von der Digitalen Transformation ist sicherlich die Taxi-Branche, genauer gesagt die Taxi-Zentralen und ihre Flotten mit zum Teil uninspirierten Service-Muffeln hinter dem Lenkrad.

Über die disruptive Kraft von MyTaxi und Uber ist viel geschrieben worden. Sie und ihre weltweiten Pendants werden auch zukünftig innovativer Treiber für das Transportwesen sein. Aber welche Veränderungskraft eigentlich von ihnen ausgeht, macht ein Blick auf das tradierte Taxi-Wesen deutlich: 15 Prozent aller Taxi-Kunden mit Smartphone nutzen in Deutschland mittlerweile eine App für die Bestellung - Tendenz stark steigend, unter den jüngeren Kunden sowieso. Die Taxi-Innung Berlin verordnete allen Fahrern Kreditkartenleser - was einer Revolution im Service- Angebot gleichkam. In Köln darf nur Gäste mitnehmen, wer mit einem sauberen und technisch einwandfreien Taxi ohne Schäden, Beulen oder durchgesessenem Sitzpolster vorfährt.

Fazit

Als Unternehmen „ein bißchen Mobile zu machen“ reicht heute längst nicht mehr aus." Mark Wächter
Foto: Mark Wächter

Alibaba

Das erfordert ein gesundes Maß an German Mut, Wissbegierigkeit und Lernbereitschaft. Jeder Unternehmer muss für seinen Markt und sein Ökosystem an Lieferanten, Partnern und Kunden verstehen, was digitalisiert werden kann und wie er der Mobile-Welle begegnen muss. Er muss ein Mobile Ready Enterprise schaffen und eine Mobile Strategy formulieren und umsetzen - schnellstens!