Back Office wurde vernachlässigt

Versicherungen werden Vorreiter in Sachen SOA

06.07.2005 von Dorothea Friedrich
Der Versicherungssektor könnte ein Vorreiter in Sachen Service-orientierter Architektur (SOA) werden. Erkennen doch immer mehr Versicherer, dass sie ihr Back Office vernachlässigt und sich allzu sehr auf kurzfristige Projekte im Front-Office-Bereich konzentriert haben. Das halten die Marktforscher von Datamonitor auf lange Sicht für ineffizient. Zudem hätten die Unternehmen die Herausforderungen ihrer Branche im Vertrieb nicht berücksichtig.

Den Grund für die plötzliche Beliebtheit von SOA sehen die Analysten darin, dass sich Lebens- und andere Versicherer in Europa umorientieren müssen. Das stellt die IT vor besondere Herausforderungen. Sie muss SOA als technologisches Konzept verkaufen.

Doch das beste Konzept nutzt nichts, wenn im Firmen-Management das Bewusstsein für SOA fehlt. Das wächst jedoch derzeit rapide. Und damit steigen auch die Chancen für eine qualifizierte Projektumsetzung.

Auslöser für den plötzlichen SOA-Boom sehen die Analysten unter anderem in den guten Marktbedingungen für Lebensversicherer. Dafür sind steigende Einkommen und die wachsende Bedeutung privater Altersvorsorge verantwortlich.

Sach- und Risikoversicherer können davon profitieren, dass ihre Produkte im Allgemeinen eher gekauft als verkauft werden. Wettbewerb findet in beiden Segmenten beim Preis, bei der Bindung an einen Markennamen und im Kosten-Management statt.

Vertriebsschlachten und Kosteneffizienz

Lebensversicherer müssen sich jedoch einer wahren "Vertriebschlacht" stellen. Nicht-Lebensversicherer müssen Kosteneffizienz in den Vordergrund ihrer Geschäftspolitik rücken. Denn ihr Beitragsaufkommen sinkt in den kommenden Jahren. Für beide Segmente ist es deshalb wichtig, ihr Back Office umzubauen.

Überraschend ist für Datamonitor, dass der bei technologischen Weiterentwicklungen traditionell zurückhaltende Versicherungssektor plötzlich an vorderster Front in Sachen SOA. steht. Die Erklärung für diese branchenunübliche Entwicklung liegt darin, dass die versicherungseigene Wertschöpfungskette plötzlich zu einem "SOA-ähnlichen" Geschäftsmodell geworden ist.

Das hat unterschiedlichste Ursachen: Die Fragmentierung der Wertschöpfungsketten bewirkt, dass unterschiedlichste Prozess-Segmente als unabhängige "Service-Komponenten" eingerichtet werden müssen. Diese wiederum müssen so zusammengeführt werden, dass daraus ein End-to-End-Service, beziehungsweise -Produkt entsteht.

Business Process Management (BPO) und Enterprise Application Integration (EAI) spielen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, ein zentrales Back Office zu realisieren. Die Analysten gehen davon aus, dass die Versicherer Geschäftsprozesse aus vertriebs- oder programmspezifischen Anwendungen auslagern und sie in einer zentralen Prozessebene einrichten.

Stimmen die Beobachtungen von Datamonitor, so hat auf der Entscheiderebene damit eine Art "SOA-ähnliches" Denken begonnen. Im besten Fall muss die IT dieses nur noch umsetzen.

Investitionen in den Vertrieb werden somit zu langfristigen Anlagen in eine Vielzahl von Anwendungen im Front- und Back-Office-Bereich, in Integrationsplattformen sowie in Management-Tools. Das hat auch Auswirkungen auf die Anbieter.

Die funktionale Abgrenzung von Back und Front Office verwischt sich. Damit genügt auf Anbieterseite auch der Vertrieb herkömmlicher Programme allein nicht mehr. Sie müssen künftig Architektur-orientiert sein und den Fokus auf das Back Office richten. Immerhin will die europäische Versicherungsbranche bis 2009 für SOA rund 844 Millionen Dollar ausgeben.

Der Report "Distribution dynamics in European Insurance" des britischen Marktforschers Datamonitor untersucht die Anwendung von Schlüsseltechnologien und neuen technologischen Entwicklungen im europäischen Versicherungsmarkt.