CIO von Luther

Videokonferenzen: Business Case ist nicht alles

17.12.2012 von Nicolas Zeitler
CIO Andreas Gäbisch verbindet weltweit 350 Anwälte der Luther Rechtsanwaltgesellschaft mit Videokonferenzen. Seine zwei Auswahlkriterien und was für ihn wichtig ist.

Reisekosten reduzieren: Einer der wohl am häufigsten geäußerten Gründe für den Einsatz von Videokonferenzen ist für CIO Andreas Gäbisch von der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft nicht das Hauptargument. Und das, obwohl die mehr als 350 Anwälte und Steuerberater der Kanzlei nicht nur in ganz Deutschland, sondern auch in Auslandsbüros etwa in Shanghai und Singapur arbeiten. Ein Vorteil, von dem der 49-jährige IT-Chef dagegen viel lieber spricht, ist die Reisezeitersparnis, die Videokonferenzen zwischen Kollegen mehrerer Büros mit sich bringen.

Andreas Gäbisch ist CIO der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft. Er beobachtet, dass die Atmosphäre in Besprechungen besser ist, wenn sich die Teilnehmer nicht nur hören, sondern per Videokonferenz auch sehen.
Foto: Luther Rechtsanwaltsgesellschaft

"Anders als viele andere Kanzleien sind unsere Teams nicht auf regionaler Ebene gegliedert, sondern nach Service Lines", erklärt Gäbisch den Hintergrund. Eine solche Service Line ist zum Beispiel das Arbeitsrecht. Auf dieses Gebiet spezialisierte Anwälte sitzen an mehreren Standorten von Luther - und besprechen sich über Bürogrenzen hinweg. Häufige Nutzer von Videokonferenzen sind auch die beiden Managing Partner der Wirtschaftskanzlei: Markus Sengpiel gehört zum Büro Köln, sein Geschäftsführer-Kollege Hans-Georg Hahn sitzt in Hannover.

Zwei Kriterien für die Systemauswahl

Wie Videokonferenzen die Anwälte in engeren Kontakt bringen und ihnen Reisezeit ersparen, mit der Frage befasst sich Andreas Gäbisch laut eigener Aussage schon seit mehr als fünf Jahren. 2006/2007 baute er die Informationstechnik-Strukturen von Luther auf, die von 2002 bis 2007 mit dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young assoziiert war. Zunächst beobachtete er das Thema nur, denn: "Die Systeme waren noch nicht das, was ich mir vorgestellt habe."

Zwei Kriterien sind dem Luther-CIO bei Videokonferenz-Systemen besonders wichtig: Sie sollen offene Schnittstellen zu anderen Systemen haben, wie Gäbisch sagt: "Ich kann ja nicht erwarten, dass der Mandant dasselbe System hat." Und sie sollen sich in die vertraute Arbeitsplatzumgebung einfügen.

Seit 2011 gibt es an fast allen Standorten Videokonferenz-Systeme mit 46 Zoll großen Bildschirmen auf einem Videowagen, der sich dorthin rollen lässt, von wo aus ein Anwalt eine Besprechung mit fernen Mandanten oder Kollegen starten möchte, sei es ein Konferenzraum oder sein Büro.

Offene Schnittstellen statt proprietärer Ansatz

Gäbisch entschied sich für Lösungen von Polycom - einer der wesentlichen Punkte für ihn war, dass sie sich aufgrund des nicht proprietären Ansatzes auch mit Konferenzsystemen anderer Hersteller verbinden lassen. Seine zweite Anforderung, sich in die bestehenden Lösungen am Arbeitsplatz zu integrieren, konnten die Systeme der anderen Hersteller nicht erfüllen, wie er sagt.

Während die mobilen Videosysteme weiterhin im Einsatz sind, stattet der CIO mit seinem elfköpfigen IT-Team jetzt die Notebooks aller Rechtsanwälte und Steuerberater nach und nach per automatischer Software-Verteilung mit einem neuen Kommunikations-Client aus. Die Polycom-Lösung für Videokonferenzen wird so in die den Mitarbeitern schon vertraute Kommunikations-Software Lotus Notes Sametime integriert und lässt sich künftig ähnlich simpel wie der Chat mit einem Kollegen oder Mandanten starten - Webcams gibt es in den Rechnern der Luther-Mitarbeiter ohnehin schon.

Rund 40 Mitarbeiter sind bisher mit der neuen Lösung ausgestattet. Promoten musste er die neuen Funktionen unter den Kollegen nicht, sagt Andreas Gäbisch: "Einige von ihnen haben ohnehin schon vorher gern mit Skype gearbeitet." Dass er die Lösung schrittweise einführt, begründet der CIO damit, dass seine Mannschaft parallel die virtuelle Rechenzentrumsumgebung auf eine neue Server-Farm hebt. Bis Februar 2013, verspricht er, sollen alle Luther-Anwälte und Steuerberater den neuen Client mit eingebautem Videokonferenz-System haben.

Notebook-Lösung eine brauchbare Option

Bevorzugt werden die Mitarbeiter zwar weiterhin Video in HD-Qualität in den Konferenzräumen über die Videowagen-Systeme mit großen Bildschirmen nutzen, auf denen sie alle Teilnehmer im Blick haben. Auf den Notebooks ist die Qualität auch manchmal noch beispielsweise aufgrund langsamer Internetverbindungen auf Reisen oder wegen der schlechteren Kamera etwas eingeschränkt, berichtet der CIO. Dennoch biete die Notebook-Lösung die Option, sich schnell und von überall her in die Videokonferenz einzuwählen. Gäbisch geht davon aus, dass die Arbeitsplatz-Systeme in Zukunft noch stärker nachgefragt werden.

Bild- und Ton-Gespräche mit Externen - wenn etwa wie schon geschehen ein Anwalt per Videokonferenz von einem Schweizer Gericht als Zeuge vernommen wird - werden zunächst weiterhin vorrangig über die Videowagen-Systeme laufen.

Ob auf den großen Bildschirmen des Videowagens oder in den manchmal ruckelnden Videofenstern auf den Notebook-Bildschirmen: Andreas Gäbisch beobachtet, dass die Kommunikation besser geworden sei, seit sich die Luther-Kollegen bei internen Besprechungen nicht nur hören sondern auch sehen. Zum Beispiel findet der monatliche Team-Call, an dem unter anderem auch der IT-Mitarbeiter vom Büro in Singapur teilnimmt, jetzt per Videokonferenz statt. "Das schafft eine ganz andere Atmosphäre. Man sieht Gestik und Mimik des Gegenübers und macht schneller mal einen lockeren Spruch", sagt der CIO.

Sicherheit vs. Geschwindigkeit in China

Solche eher weichen Ergebnisse, daraus macht Gäbisch keinen Hehl, sind ihm genauso wichtig wie mögliche Reisekostenersparnisse. Der CIO sagt: "Ausschließlich tolle Business Cases zu berechnen, ist ein großer Fehler bei solchen Projekten."

Was die Sicherheit von Videokonferenz-Systemen angeht, hat Andreas Gäbisch als IT-Verantwortlicher einer Anwaltskanzlei keine speziellen, höheren Anforderungen als andere Unternehmen. "Die Ports der Bridge, die die Kommunikation zwischen mehreren Teilnehmern ermöglicht, sind nur geöffnet, wenn eine Konferenz durchgeführt wird. Zu anderen Zeiten kann sie niemand kompromittieren. Das ist ein sehr guter Sicherheitsmechanismus.", sagt er.

Auch im Ausland die nötige Bandbreite für Videokonferenzen sicherzustellen ist aus Sicht von Andreas Gäbisch in den meisten Fällen kein Problem. Mancherorts dauere es eben einige Zeit, bis Telekommunikationsanbieter Leitungen mit der gewünschten Geschwindigkeit zur Verfügung stellen.

Speziell in China lassen sich die Ziele Sicherheit und Geschwindigkeit schwer vereinbaren - was Gäbisch demnächst beschäftigen wird, weil das Luther-Büro in Shanghai an die Videokonferenz-Infrastruktur angebunden werden soll. "Verschlüsselt man in China Datenströme so gut wie möglich, leidet das Tempo erheblich, egal wie dick die Leitungen sind", berichtet er aus Erfahrung. "Lässt man dagegen alles offen, stimmt die Geschwindigkeit." Ein Umstand, der zu Kompromissen zwinge, meint der CIO.