HP und Capgemini zu überflüssigen Tools

Viel nutzlose Software

11.04.2011 von Nicolas Zeitler
Ungenutzte Anwendungen machen IT-Landschaften unnötig komplex. Firmen berichten von mehr als 10.000 Programmen. Einige davon abzuschalten ist meist nicht vorgesehen.

Überflüssige Software müllt die IT-Landschaft von Unternehmen zu. Dieses Bild zeichnet eine internationale Umfrage, die das Beratungsunternehmen Capgemini und IT-Hersteller Hewlett-Packard gemeinsam veröffentlicht haben. 85 Prozent der in Europa und den USA befragten CIOs und IT-Leiter gaben an, ihr Anwendungs-Portfolio zusammenstreichen zu müssen.

In Unternehmen sprießen Anwendungsurwälder
Zahl der eingesetzten Software-Lösungen
Je größer Unternehmen sind, desto häufiger berichten sie von überflüssigen Anwendungen. Kleine Unternehmen sind dagegen häufiger der Ansicht, genau so viel Software im Einsatz zu haben wie nötig.
Anteil der Anwendungen, die CIOs für wesentlich halten
Mehr Programme zu haben heißt nicht unbedingt, dass die Ziele des Unternehmens damit besser bedient werden. Das zeigt die Frage danach, welchen Anteil ihrer Software CIOs für zwingend notwendig halten.
Abstimmung zwischen Anwendungsentwicklern und Software-Betreuern.
Als eine Ursache für Applikations-Wildwuchs sehen HP und Capgemini in ihrer Studie die fehlende Abstimmung zwischen Software-Entwicklern und denen, die Programme später betreuen. Insgesamt 13 Prozent der Befragten gaben an, beide Vorgänge seien immer abgestimmt.

Ob redundante Anwendungen aufgrund von Firmenzusammenschlüssen, nicht ausgemusterte Alt-Software oder lokale Lösungen, die nicht mit globalen Systemen harmonieren: Alle Umfrageteilnehmer gaben an, ihre Anwendungslandschaft sei komplex und kaum strukturiert.

Mehr als 10.000 verschiedene Anwendungen

Wie unübersichtlich die Software-Landschaft ist, hängt zusammen mit der Firmengröße. Während von den kleinen Unternehmen die große Mehrheit angab, genau so viele Anwendungen zu betreiben wie nötig, mehr als ein Fünftel sogar von einer zu kleinen Zahl von Software-Lösungen sprach, steigt bis zu den größten befragten Firmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitern der Anteil derer, die einen Überfluss an Software zu Protokoll gaben - auf fast 60 Prozent.

Diese Einschätzungen stehen in direktem Zusammenhang mit der absoluten Zahl von Anwendungen, mit denen unterschiedlich große Unternehmen arbeiten. Von den kleinen Firmen mit weniger als 1000 Mitarbeitern unterhält die große Mehrzahl weniger als 50 Anwendungen. In den untersuchten Unternehmen der größten Kategorie sind es dagegen schon einmal mehr als 10.000 Programme. Gleichzeitig ist laut den Studienautoren für ein kleines Unternehmen wegen seiner kleineren IT-Mannschaft schon eine geringe Zahl unnötiger Programme eine Belastung,

Zwei Hauptgründe für ausufernde Anwendungslandschaften haben die Verfasser der Studie ausgemacht: Zum einen betrieben viele Unternehmen nach der Übernahme einer anderen Firma parallel zu ihren Anwendungen deren Systeme weiter - Strategien, wie mit Daten aus stillgelegten Anwendungen umzugehen sei, hätten nur die wenigsten. Zum anderen machten Eigenentwicklungen das Anwendungs-Portfolio dicker.

Standardisierung gegen Software-Wildwuchs

Deutlich macht die Umfrage, dass ein Mehr an Software nicht zwingend heißt, dass damit Anforderungen des Geschäfts besser erfüllt werden. Nur 41 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass mehr als die Hälfte der eingesetzten Software wesentlich für ihr Firmengeschäft ist.

Um Herr des Anwendungsdschungels zu werden, setzen die befragten CIOs am häufigsten auf Standardisierung - also die Abwendung von selbst entwickelter Software. Rund 60 Prozent nannten diese Strategie.

Der Ansatz, verwendete Software gezielt in den Ruhestand zu schicken, wurde weit seltener genannt. Obwohl ein nennenswerter Teil der Befragten angab, ein Teil der Anwendungen könne getrost außer Betrieb genommen werden. Etwa ein Drittel spricht dabei von einem bis zehn Prozent der Programme, weitere 50 Prozent halten sogar bis zur Hälfte der verwendeten Software für entbehrlich.

Dass IT-Verantwortliche die Möglichkeit, Programme auszumustern, nicht auf dem Schirm haben, liegt laut der Studie hauptsächlich an den damit verbundenen Kosten. Geld beim Vorstand locker machen könne ein CIO eben für den Unterhalt eingesetzter Anwendungen oder Neuentwicklungen, weitaus schwerer aber dafür, Software in Rente zu schicken - vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten.

Als einen Weg, Wildwuchs in der Software-Landschaft einzudämmen, sehen die Studienautoren die engere Verzahnung zwischen Anwendungsentwicklung und Betrieb. Die ist nach Ansicht von HP und Capgemini ausbaufähig. Wobei das davon abhängt, wie man den Studienbefund interpretiert: In 48 Prozent der Unternehmen handeln Entwickler und Betreuer in weniger als der Hälfte der Fälle in enger Abstimmung. Das heißt umgekehrt aber auch, dass in gut der Hälfte der Firmen die Abstimmung im Großen und Ganzen gelingt.

HP und Capgemini fordern Blick auf Lebenszyklus von Software

Die Betreuung der Anwendungslandschaft durch Outsourcing in fremde Hände zu legen, halten die Auftraggeber der Untersuchung nicht für ratsam. Das sorge eher für größere Probleme, als kostengünstig Schwierigkeiten zu beseitigen.

Als Ausweg sehen sie stattdessen einen neuen Betrachtungswinkel. Ihr Appell: Die IT-Abteilung müsse den gesamten Lebenszyklus von Software in den Blick nehmen. Entwicklung und späteren Einsatz dürfe man nicht als getrennte Vorgänge betrachten. Auch das allfällige Ausmustern einer Anwendung müsse als fester Bestandteil im Lebenslauf von Software gesehen werden.

Für die Studie "Application Landscape Report" haben Capgemini und HP 100 CIOs und IT-Manager der ersten Ebene in unterschiedlich großen Unternehmen verschiedener Branchen interviewen lassen. 63 Prozent der Befragten arbeiten in europäischen Unternehmen (Benelux-Staaten, Frankreich, Deutschland, Spanien und Großbritannien), die übrigen in den USA. HP und Capgemini teilten mit, sie wollten die Studie fortan jährlich neu auflegen.