SOA Konzepte

Viele Strategien – nur ein Weg

15.09.2008
Theoretisch verspricht die Service-Orientierung vor allem mehr Flexibilität und geringere Kosten. Das kleine Problem: Es gibt nicht zweimal die gleiche SOA – auch wenn Standardplattformen der Anbieter das suggerieren. Die Kernprozesse in den Unternehmen unterscheiden sich – und damit auch das künftige Sortiment an Services.

Als der Kosmonaut Sergei Krikaljow am 18. Mai 1991 für ein halbes Jahr zu seiner Reise ins All aufbrach, tat er das als Bürger der Sowjetunion. Von oben erlebte er die Wahl Boris Jelzins zum Präsidenten, den Putsch in Moskau und schließlich das Ende der UdSSR. Aus politischen Gründen verzögerte sich seine Landung um einige Wochen, und als Krikaljow am 25. März 1992 – am Ende also nach zehn Monaten – schließlich zur Erde zurückkehrte, war er kein Sowjetbürger mehr, sondern Russe.

So ähnlich ließe sich auch der Verlauf nicht untypischer SOA-Projekte beschreiben: Nicht jedes Projekt, das als Innovation startet, mündet auch in einer SOA. Um kaum einen Begriff der strategischen IT gibt es mehr Verwirrung: Meint Service-orientierte Architektur die Art, mit Software umzugehen? Oder doch eher die strategische Aufgabe, IT für den Unternehmenserfolg heranzuziehen? Fest steht: Nicht jede Analyse von Stärken und Schwächen einer über die Jahre gewachsenen, heterogenen Softwareumgebung zieht notwendigerweise den Aufbau einer SOA nach sich.

Schnell anpassen, Kosten senken

Muss es auch gar nicht, findet Mathias Kaldenhoff vom SOA-Vollsortimenter Oracle. Für den Sales Director der Fusion Middleware sind die Architekturen weder Allheilmittel noch überhaupt das Mittel erster Wahl: „SOA kann zwar, muss aber nicht die Folge einer auf die Modernisierung der IT gerichteten Analyse sein.“ Erst die Entscheidung für einen Paradigmenwechsel, der eine Abkehr von wartungsintensiven Einzelanwendungen hin zu einer Integration unterschiedlicher Anwendungen unter der Prämisse „Software as a Service“ (SaaS) vorsehe, gebe die Richtung SOA vor. Kaldenhoff nennt das die „SOAfizierung eines Unternehmens“.

SOA beschreibt eine Softwareinfrastruktur, in der heterogene Anwendungen als eigenständige Services implementiert und über standardisierte Schnittstellen erreichbar sind. Die Anwendungen lassen sich zudem zu Geschäftsprozessen kombinieren. Die Vorteile solcher Architekturen: Sie erlauben eine flexible Anpassung der Anwendungslandschaft an sich ändernde Anforderungen und senken die Wartungskosten.

Wer SOA im Unternehmen einführt, so heißt es bei Oracle, IBM, SAP oder Sun, sorgt für eine höhere Flexibilität der IT bei veränderten oder neuen Geschäftsprozessen und damit für mehr Effizienz im Unternehmen.

SOA ist kein Selbstzweck

Hajo Normann SOA-Architekt bei EDS „ Nur mit einer Business- Process-Management- Plattform lassen sich mehr Flexibilität und eine bessere Time to Market erreichen.“

Auch für den IT-Dienstleister EDS ist nicht alles SOA: „Wir stellen SOA in den Kontext der Gesamtbebauung
und der Geschäftsstrategie eines Unternehmens“, so Hajo Normann, SOA-Architekt bei EDS, der entsprechende Projekte bei Vodafone und der Dresdner Bank betreut hat und derzeit für eine europäische Regierung eine Oracle-basierte BPM / SOA-Referenzarchitektur erstellt. Für Normann stehen zunächst umfassende Analysen im Vordergrund – etwa Assessments der jeweiligen Enterprise-Architektur. So lassen sich Bereiche und Applikationscluster identifizieren, die „die Einführung von SOA-Technologien
aufgrund eines Business Case motivieren“.
Das schließt nicht aus, dass in anderen Bereichen einer Applikationslandschaft eine andere Strategie mehr Sinn macht: So legt der Kostendruck bei einer Applikation, die einfach nur funktionieren soll, sie aber nicht vom Wettbewerb differenziert, eine Standardlösung nahe.

Insofern ist SOA für EDS nur eine unter mehreren Strategien. Ändern sich Prozesse häufig, kann eine SOA-Lösung zusammen mit einer BPM-Plattform geeignet sein. „Nur so lassen sich mehr Flexibilität und eine
bessere Time to Market erreichen“, sagt Normann. Steht Kostensenkung mehr im Vordergrund, kann auch eine SOA-Shared-Service-Plattform die beste Lösung sein.

In vier Phasen zur SOA

Angesichts dieser offenen Strategiemodelle wundert es nicht, dass auch ein Vier-Phasen-Modell für SOA-Projekte, wie es Oracle-Manager Kaldenhoff und SOA-Architekt Normann entwickelt haben, keine bloße Anleitung für die SOAfizierung eines Unternehmens ist. Bei Licht betrachtet sehen beide Strategen nicht einmal die vier Phasen als verbindlich an: „Was wann im Unternehmen tatsächlich passiert, hängt entscheidend an den Business Execution Gaps, die es zu überwinden gilt“, sagt Mathias Kaldenhoff, der darauf anspielt, dass in Unternehmen oft weitaus schneller gedacht als umgesetzt wird.
Dennoch: Die Entscheidung für irgendeines der diversen Strategiemodelle hängt davon ab, wie weit das Unternehmen für Service-Orientierung gerüstet ist. Also welche Entwicklungsstufen es schon genommen hat:

„Obwohl diese vier Phasen in der Unternehmensaufgabe ‚IT-Modernisierung‘ einen gewissen Standard prägen, beschreiten die Unternehmen einen sehr individuellen Weg“, betont Mathias Kaldenhoff. „Es handelt sich dabei nicht um ein Big-Bang-Projekt, sondern um ein evolutionäres Entwickeln einer unternehmensweiten ITArchitektur.“ Das funktioniere aber nur, sekundiert Hajo Normann, wenn sich die Modernisierung der IT über die Abteilungsgrenzen hinaus erstrecke: „Die Stakeholder eines Projekts finden sich auf lokaler Ebene; mindestens ebenso wichtig sind aber die volle Unterstützung und das Verständnis aus dem oberen Management. SOA-Initiativen sollte man gerade nicht auf Projekt-, sondern auf strategischer Ebene betrachten.“

Organisation muss sich wandeln

Diese Draufsicht sei erfolgskritisch, meint Normann: „Nicht technische Aspekte entscheiden über Erfolg und Misserfolg; für das Gelingen ist vielmehr entscheidend, dass sich auch die Organisationsstruktur im Unternehmenwandelt.“ Das schließt jedoch „Statthalter des Status quo“ nicht aus, die ihre bestehende Organisationsstruktur schützen wollten. Eine sauber aufgesetzte SOAGovernance, vom oberen Management aktiv unterstützt, sollte deren Einfluss jedoch in den Griff bekommen.

So präsentiert sich SOA in der Praxis letztlich als großer Weg aus vielen kleinen Schritten. Das war auch für
Sergei Krikaljow so. Der Systemwechsel bedeutete für den Kosmonauten einen echten Glücksfall – schließlich stellte der Neu-Russe anschließend diverse Bestmarken auf: Mit 803 Tagen, neun Stunden und 41 Minuten einen Langzeitrekord im All, sechs Weltraumflüge sowie acht Weltraumausstiege mit einer Dauer von total 41 Stunden und 26 Minuten sind Höchstleistungen für die Ewigkeit und brachte ihm zusätzlich zwei Titel ein: zunächst den eines Helden der Sowjetunion und anschließend den des Helden der Russischen Föderation.