Migration

"Vorteile von VoIP voll ausspielen"

15.10.2008 von Oliver Häußler
Die Migration auf Voice over IP kann nahezu allen Unternehmen Vorteile bieten. Dennoch ist die Technik in Deutschland nicht stark verbreitet. Vor allem in mittelständischen Unternehmen sieht das Marktforschungsinstitut techconsult Nachholbedarf. Was diese Unternehmen berücksichtigen sollten, erklärt Frank Heuer, Senior Analyst und Leiter CompetenceCenter Communication bei TechConsult GmbH, im Interview.

Die VoIP-Verbreitung in deutschen Unternehmen liegt noch immer unter 50 Prozent. Im Mittelstand hat laut Ihren Marktstudien gerade mal jedes sechste Unternehmen auf Voice over IP migriert. Welchen Grund hat diese Zurückhaltung aus Ihrer Sicht?

Frank Heuer, Senior Analyst und Leiter CompetenceCenter Communication bei TechConsult GmbH: Einen schnellen RoI erreichen Unternehmen, wenn sie die Vorteile von VoIP voll ausspielen.

Frank Heuer: Ja, bezogen auf den Gesamtmarkt in Deutschland nutzten Ende vergangenen Jahres 16 Prozent der Unternehmen Voice over IP. Bis Ende 2008 erwarten wir immerhin 25 Prozent der Unternehmen, die VoIP nutzen werden. Nutzen heißt hierbei auch testen beziehungsweise in einer begrenzten Umgebung einsetzen. Es sind aktuell sehr wenige Unternehmen, die bereits vollständig umgestellt haben. Im Mittelstand liegt der Nutzungsgrad noch unter den genannten Zahlen. Wir stellen eine sogenannte Badewannenkurve fest. Das heißt: Die Nutzung ist bei den großen und kleinen Unternehmen am größten. Unter den Kleinen sind vor allem junge, experimentierfreudige Unternehmen, die auf der grünen Wiese gegründet wurden. Der Mittelstand dagegen setzt kaum VoIP ein, was wir unter anderem auf fehlendes Kapital für die Umstellung zurückführen, aber auch auf fehlende Zeit und geringe Bereitschaft, ein funktionierendes System umzustellen. Wenn ein Unternehmen nicht gerade auf mehrere Standorte verteilt ist, wird meist keine dringende Bedarfssituation identifiziert. Bei vielen Unternehmen bestehen außerdem technische Zweifel, zum Beispiel an der Sicherheit oder Zuverlässigkeit.

Was raten Sie Unternehmen, die noch nicht migriert und sich bislang auch nicht mit VoIP befasst haben?

Heuer: Kosten sind ein wichtiger Entscheidungsfaktor. Deshalb sollte das Unternehmen - eventuell von einem Berater - analysieren lassen, wie sich die Gesamtkosten für die bisherige, verglichen mit der VoIP-Lösung, gestalten. Dabei sind neben den reinen Telefonkosten auch indirekte Effekte wie Administrations-/Wartungsaufwand und die Effizienz von Arbeitsabläufen zu berücksichtigen. Für die Abschätzung des Investitionsaufwands bietet sich eine Prüfung der vorhandenen Netzwerkinfrastruktur an.

In der Vermarktung werden die Kosteneinsparungen durch VoIP stark in den Vordergrund gestellt. Erfüllt VoIP dieses Versprechen in der Praxis?

Heuer: Das Image von VoIP als kostenloses Telefonieren rührt vor allem aus der frühen Zeit der Internet-Telefonie her, als Enthusiasten unter Inkaufnahme schlechter Sprachqualität begannen, über das Web mit Freunden in aller Welt zu sprechen. Voice over IP als Business-Lösung kann jedoch weitere Vorteile bieten, so beispielsweise eine einfachere Administration und einfachere Wartungsmöglichkeiten aber auch effizientere Arbeitsabläufe und eine bessere Kundenbetreuung durch die Verknüpfung von Sprachkommunikation mit Anwendungen.

Diese Punkte können sich indirekt auf die Ertragslage auswirken. Der Umfang finanzieller Vorteile hängt demnach auch individuell vom Unternehmen ab. So spielt es eine Rolle, inwiefern Anwendungen und Arbeitsabläufe mit der TK-Welt gekoppelt werden können. Ebenso wichtig sind die Komplexität der Infrastruktur mit verteilten Arbeitsplätzen (WAN) sowie häufige Mitarbeiterumzüge und letztendlich auch die Frage, wie hoch das Aufkommen an Fern- und Auslandsgesprächen ist.

"Skype kann sinnvoll sein"

Vor allem kleine Unternehmen neigen aus Kostengründen dazu, Consumer-Lösungen wie Skype anstelle von Business-VoIP einzusetzen. Ist das aus sicherheitstechnischen Gründen akzeptabel?

Heuer: Skype kann ein sinnvolle Ergänzung sein, wenn zum Beispiel ein Mitarbeiter auf Reisen vom Ausland aus telefonieren will. Andererseits sollte man sich im Klaren sein, dass sich Unbefugte bei der Nutzung des ungeschützten Internets ohne VPN Zugang zu den kommunizierten Inhalte verschaffen können.

Welche Sicherheitsvorkehrungen sind bei Business-Lösungen zu treffen?

Heuer: Mit VoIP wird Sprache zu einer IT-Anwendung, so dass prinzipiell die gleichen Angriffsmöglichkeiten wie bei der IT bestehen. Generell sinnvoll zur Abwehr sind VPN und Firewall.

Zunächst einmal muss ein Unternehmen investieren, bevor es von Preisvorteilen profitieren kann. Für welche Art von Unternehmen zeichnet sich ein schneller Return-on-Investment ab?

Heuer: Einen schnellen RoI erreichen Unternehmen, wenn sie die Vorteile von VoIP voll ausspielen. Das sind beispielsweise verteilte Standorte mit WAN-/VPN-Anbindung und CRM-, ERP-, Call-Center-Anwendungen, die mit VoIP gekoppelt werden können. Im Vorteil sind aber auch große TK-Installationen mit vielen Nutzern, die häufig umziehen, sowie Unternehmen, die viele Fern- oder Auslandsgespräche führen. Diese Parameter treffen überdurchschnittlich häufig auf die Bankenbranche zu, weshalb dieser Wirtschaftszweig zu den Vorreitern bei VoIP gehört.

Hand aufs Herz: Welche Art von Unternehmen sollte besser die Finger von VoIP lassen?

Heuer: Im Umkehrschluss solche Unternehmen, auf die die vorhin genannten Aspekte kaum zutreffen.

Welche entscheidenden Vorteile bietet VoIP neben dem Kostenaspekt?

Heuer: Eine einfachere Administration, da die TK zur IT-Anwendung wird. Außerdem verbessern sich die Abläufe und die Kundenbetreuung durch die Kopplung mit Anwendungen.

Immer wieder werden strategische Aspekte für die VoIP-Einführung angeführt. Inwiefern kann VoIP für ein mittelständisches Unternehmen strategisch bedeutsam sein?

Heuer: Bessere Administrierbarkeit bedeutet auch eine bessere Skalierbarkeit. Das heißt, die VoIP-Lösung kann einfacher an den wechselnden Bedarf und bei einem wachsenden Unternehmen einfacher an die zunehmende Mitarbeiterzahl angepasst werden.

"Bessere Zusammenarbeit durch Unified Communications"

Die Entscheidung für VoIP sollte somit nicht von der IT-Abteilung kommen, sondern…?

Heuer: … von der Unternehmensleitung. Sie ist im Mittelstand ohnehin meist schon aufgrund der Budget-Freigabe ausschlaggebend. Daneben müssen aber auch die Abteilungen eingebunden werden, die später mit der Lösung arbeiten sollen, damit die Entscheidung auch von den Nutzern getragen wird und die Vorteile so zur vollen Wirkung kommen können.

VoIP ist ja eigentlich eine Einstiegstechnik und bietet die Grundlage für die Einbindung weiterer Anwendungen auf IP-Basis - Stichwort Unified Communications. Welche Vorteile bieten UC-Features wie Presence, Collaboration oder Computer-Telephony-Integration?

Heuer: Der Vorteil liegt letztendlich in der besseren Zusammenarbeit und damit in höherer Effizienz und Zeitersparnis. Die Kommunikationspartner sind dank der Vereinigung der Kommunikationswege und der Präsenzanzeige besser erreichbar. Ist ein Mitarbeiter über seine Festnetznummer nicht erreichbar, versucht man ihn heute über das Mobiltelefon oder per E-Mail zu kontaktieren. Mit Unified Communications erkennt man sofort, ob und wie ein Kommunikationspartner erreichbar ist und kann den besten Kommunikationsweg über eine einheitliche Benutzeroberfläche auswählen.

Bei Ihren Erhebungen haben Sie ermittelt, dass sich vor allem Mittelständler ungern mit dem Thema VoIP befassen, da deren IT-Abteilungen ohnehin überlastet sind und niemand gerne sein "running system" anfassen will. Sind Hosted oder Managed Services, also die Auslagerung von VoIP, für diese Unternehmen eine echte Alternative?

Heuer: Das kann für mittelständische Unternehmen eine Alternative sein. Wir sehen, dass sich kleine und mittelständische Firmen häufiger für extern bereitgestellte Lösungen interessieren als Großunternehmen, die eher eigene Systeme bevorzugen. Zwei Motive spielen dabei eine Rolle: Die geringere erforderliche Investition - das heißt, laufende Kosten anstelle von Kapitalbindung für kerngeschäftsferne Ausrüstung - sowie die Entlastung des IT-Verantwortlichen.

Selbstverständlich hat auch diese Medaille zwei Seiten und so gibt es durchaus auch Bedenken hinsichtlich der Auslagerung von Funktionen und Daten.