Emotional erschöpfte Mitarbeiter

Warum am Arbeitsplatz der Burn-out lauert

30.08.2012 von Renate Oettinger
Wenn im Betrieb Mitarbeiter "ausbrennen", sind die Führungskräfte gefragt. Sie sind zwar keine Therapeuten, können aber trotzdem helfend eingreifen, sagt Joachim Simon.
Viele Menschen drohen heute an den Leistungserwartungen der Gesellschaft zu zerbrechen.
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Wie können Führungskräfte verhindern, dass sie selbst oder ihre Mitarbeiter in einen Burn-out-Zustand geraten? Und wie sollten sie sich verhalten, wenn Mitarbeiter Burn-out-Symptome zeigen? Joachim Simon, Führungskräftetrainer aus Braunschweig, gibt Antworten auf diese Fragen.

Warum kämpfen heute mehr Männer und Frauen als früher mit einem Burn-out?

Simon: Die Ursachen, warum mehr Menschen in einen Zustand emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit geraten, sind vielfältig. Eine Ursache ist die veränderte Arbeitswelt. So dominiert heute zum Beispiel in vielen Bereichen eine komplexe Projektarbeit mit vielen, häufig unvorhersehbaren Risiken. Diese Unvorhersehbarkeit kann ein Gefühl von Ohnmacht auslösen. Daneben gibt es gesellschaftliche Gründe.

Welche sind das?

Simon: Zum Beispiel die steigende Zahl der Kleinstfamilien und Singlehaushalte. Vielen Menschen fehlen heute private Unterstützer, die sie in Stress-Situationen entlasten.

Sind Führungskräfte stärker als "normale" Mitarbeiter von einem Burn-out bedroht?

Simon: Ja und nein. Die meisten Führungskräfte befinden sich in einer Sandwichposition, in der sie von vielen Seiten mit Erwartungen konfrontiert werden. Das erhöht ihren Arbeitsdruck. Zudem haben sie in der Regel mehr und komplexere Aufgaben als Fachkräfte. Zugleich haben aber gerade Männer und Frauen in gehobenen Führungspositionen im Laufe ihrer beruflichen Biografie meist Strategien entwickelt, um mit Stress konstruktiv umzugehen.

Sie sagen bei Misserfolgen zum Beispiel: "Okay, es hat zwar nicht geklappt, aber ich habe mein Bestes gegeben." Der Misserfolg nagt also nicht an ihrem Selbstwertgefühl. Sie behalten eine positive innere Einstellung. Das beugt dem Gefühl eines Überfordert-Seins vor.

Wie können Berufstätige sonst noch einem Burn-out vorbeugen?

Simon: Wichtig ist es, darauf zu achten, dass man sich nicht wie ein Hamster im Laufrad dreht und sich das Gefühl verdichtet: Egal, wie sehr ich mich anstrenge, ich schaffe es nicht mehr. Das heißt, wichtig ist es, bildhaft gesprochen, immer mal wieder den Fuß vom Gas zu nehmen und zu reflektieren: Wie bin ich eigentlich unterwegs? Hetze ich nur noch durchs Leben? Was will ich und was tue ich denn eigentlich? Wichtig ist zudem, sich körperlich fit zu halten. Und dann sollte man natürlich auch aktiv werden und an der Situation sowie der eigenen inneren Einstellung arbeiten. Hierbei kann ein Coaching helfen.

So gelingt Work-Life-Balance
Robert Laube, Director und Service Line Lead Business Intelligence für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, drei Kinder:
"Ich habe E-Mails von meinem Mobiltelefon verbannt. Auch nehme ich mir, wann immer möglich, die Zeit, morgens mit meinen Kindern zu frühstücken und sie in die Schule und den Kindergarten zu bringen."
Yasmine Limberger, Group Manager Personalmarketing für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Ich will vor allem das Gefühl haben, dass es meiner Tochter gut geht, ich aber auch als Teilzeitführungskraft einen guten Job mache. Außerdem benötige ich auch ein wenig Luft für persönliche Dinge. Das bedarf einer exakten Terminplanung. Man darf Dinge nicht liegenlassen, sondern muss seine Prioritäten zeitnah abarbeiten und immer alles im Blick behalten."
Petra Kaltenbach-Martin, Service Line Lead Dynamics CRM für Avanade Deutschland, Österreich und Schweiz, ein Kind:
"Es ist schwierig, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Bisher klappt es aber mit viel Organisation. Beispielweise nutze ich die Schlafzeiten meines Kindes, um Dinge abzuarbeiten. Zudem muss man viel Energie und Motivation für Kind und Beruf mitbringen. Dennoch ist es schön, beide Welten zu verbinden."
Hans-Peter Lichtin, Country Director Avanade Schweiz, zwei Kinder:
"Die gemeinsame Zeit mit meiner Familie versuche ich so bewusst wie möglich zu nutzen. Es gibt Tage, da kann ich durchaus mit meiner Familie frühstücken und auch zu Abend essen. Das Wochenende verbringe ich mit meiner Familie."
Dominik Steiner, Business Development Executive Avanade Schweiz, Zwillinge:
"Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, dass man lernt, sich persönlich abzugrenzen und sich Freiräume schafft oder auch spontane Freiräume mal für sich nutzt. Ich versuche von Zeit zu Zeit früh nach Hause zu gehen und so den Abend mit der Familie zu genießen und arbeite dann liegen gebliebene Arbeit am Abend nach - etwa wenn meine Kinder im Bett sind. Oder ich frühstücke mit den Kindern und bringe sie dann in die Tagesstätte. An einem solchen Tag beginne ich dann eben eine Stunde später zu arbeiten."
Eva Steiger-Duerig, HR & Recruiting Consultant bei Avanade, zwei Kinder:
"Wir haben die Kinderbetreuung sehr gut organisiert. Zudem habe ich das Glück, dass die Stadt Zürich ein gutes Kinderbetreuungsangebot hat und mein Mann sich auch an der Kinderbetreuung mitbeteiligt. Dennoch ist das Betreuungsangebot in Zürich auch mit sehr hohen Kosten verbunden."
Carmen Egelhaaf, Senior Marketing Specialist Avanade, ein Kind:
"Abends schreibe ich mir eine Checkliste, was privat am nächsten Tag alles organisiert und erledigt werden will: Lebensmittel einkaufen, aufräumen, Hemden und Blusen zur Reinigung bringen, Geburtstagskarte an Tante Irmgard schreiben, Geschenk für das Patenkind besorgen etc., damit ich nach der Arbeit gleich durchstarten kann. Unsere Putzfrau trägt viel dazu bei, dass ich von einigen Haushaltsaufgaben entlastet bin und möglichst viel Zeit mit meinem Sohn verbringen kann. Und ein Netzwerk von Freunden (da keine Oma in der Nähe) hilft aus, wenn mein Sohn krank ist oder Kindergartenferien zu überbrücken sind."
Andrea Cebulsky, Director Legal Europe Avanade, zwei Kinder:
"Sicherlich ist auch das Reisen manchmal eine Herausforderung - ich bin fast immer mindestens ein- bis zweimal die Woche unterwegs. Ein-Tages-Reisen sind noch zu managen. Problematischer wird es, wenn man für ein paar Tage weg muss, dann muss auch mal die Oma mithelfen. Da ist es dann wichtig, dass man frühzeitig planen kann, insbesondere weil mein Mann die Woche auch unterwegs ist. Der Terminkalenderabgleich mit vier Familienmitgliedern ist manchmal eine Herausforderung für sich."

Gefordert-Sein schlägt um in ein Überfordert-Sein

Was sind die Symptome für einen Burn-out?

Simon: Vom Burn-out betroffen sind meist Menschen, die sich überdurchschnittlich stark mit ihren Aufgaben identifizieren und diese sehr gewissenhaft erfüllen möchten. Deshalb haben sie irgendwann das Gefühl "Alles wird mir zuviel". Ein erstes Warnzeichen ist es, wenn Personen pausenlos arbeiten und dabei zunehmend einen gehetzten, verwirrten und frustrierten Eindruck machen.

Ebenfalls ein Warnsignal ist es, wenn Personen sich sozial isolieren. Ein weiteres Alarmsignal ist es, wenn Mitarbeiter zunehmend über Erschöpfung, mangelnde Konzentrationsfähigkeit sowie Angstzustände klagen oder verstärkt zu solchen "Helfern" wie Alkohol und Tabletten greifen.

Welchen Führungsstil sollte ein Chef wählen, damit seine Mitarbeiter nicht ausbrennen?

Simon: Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiter zwar fordern, aber nicht überfordern. Wann ein Mitarbeiter sich überfordert fühlt, hängt aber von vielen Faktoren ab - zum Beispiel seinem Können und seiner Erfahrung, seiner Gesundheit und körperlichen Verfassung, seinem Selbstwertgefühl und Gefühl respektiert zu sein. Entsprechend wichtig ist es, dass Führungskräfte sich bewusst Zeit für ihre Mitarbeiter nehmen.

Zeit, um ihnen zu erklären, warum ihre Aufgaben wichtig sind, Zeit, um ihnen die erforderliche Unterstützung zu gewähren, Zeit, um zu erkennen, wann ein Mitarbeiter überfordert ist - sei es aus rein beruflichen Gründen oder weil er gerade privat noch einige Baustellen hat. Am Arbeitsplatz sollte zudem kein Klima der Angst bestehen, bei dem die Mitarbeiter stets befürchten müssen: Wenn ich die Erwartungen nicht erfülle, stehe ich auf der Abschussliste.

Das Hauptaugenmerk auf die Prävention richten

Was sollte eine Führungskraft tun, wenn trotzdem ein Mitarbeiter Anzeichen eines drohenden Burn-outs zeigt?

Simon: Das Gespräch mit dem Mitarbeiter suchen, um zu klären: Ist der Mitarbeiter zur Zeit überfordert? Benötigt er eine Unterstützung oder Entlastung? Befindet sich ein Mitarbeiter aufgrund eines Burn-outs aber beispielsweise bereits in einem Zustand von Apathie und Depression, dann sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden, denn Führungskräfte sind keine Therapeuten. Deshalb sollte sich ihr Hauptaugenmerk auf die Burn-out-Prävention richten. (oe)

Das Interview führte Andreas Lutz von der PRofilBerater GmbH (www.die-profilberater.de). Joachim Simon ist Inhaber der Unternehmensberatung simonconsult, Braunschweig. Tel.: 0531 3562486, E-Mail: info@simonconsult.com (Computerwoche)