Analysten-Kolumne

Warum Merger an der IT-Integration scheitern

29.10.2008 von Peter Ratzer
Die wenigsten Unternehmen in Deutschland sind optimal für Merger & Akquisitions aufgestellt. Die Schlüssel zum Erfolg liegen in einem hohen Niveau des IT-M&A-Managements und einem hohen Reifegrad der IT-Managementprozesse. Strategien, Szenearien und Ratschläge für erfolgreiche Fusionen.

Ein Blick in die Thomson Financial Datenbank zeigt, dass M&A-Transaktionen mittlerweile alltäglich sind: Im letzten Jahr wurden weltweit rund 40.000 Unternehmenszusammenschlüsse mit einem Transaktionsvolumen von insgesamt 3,8 Billionen Euro registriert. Die wirtschaftlichen Erfolge der Zusammenschlüsse bleiben jedoch vielfach aus. Ein Drittel der Deals vernichtet erheblichen Wert, in Bezug auf ein weiteres Drittel wird der Unternehmenszusammenschluss aufgrund massiver Probleme wieder aufgelöst. Lediglich beim restlichen Drittel der Fälle wird realer ökonomischer Wert geschaffen. Analysen nennen dabei die IT als eine der Hauptursachen für das Scheitern von Transaktionen.

Die Deloitte-Studie "Segel setzen - IT M&A in Deutschland“ befragte im Frühling dieses Jahres 450 IT-Führungskräfte deutscher Großunternehmen zu diesem Thema. Die Ergebnisse der Untersuchung sind ernüchternd. Um den festgestellten Defiziten entgegenzuwirken, ist es notwendig, M&A-Erfahrungen aufzuarbeiten und zu systematisieren. Eine erweiterte Sichtweise der IT sowie ein stärkeres Business-IT-Alignment steigern ebenso den M&A-Erfolg. Des Weiteren sind eine frühzeitige Einbindung der IT sowie ein hoher IT-Reifegrad entscheidend. Auch sollten unterschiedliche Komponenten eines erfolgreichen M&A-Managements beachtet werden.

Nur ein Drittel überzeugt mit IT-M&A-Kompetenz

Die Beurteilung der M&A-Kompetenz liefert ein erschreckendes Bild. So stufen 70 Prozent der Befragten die M&A-Kompetenz ihres Unternehmens als befriedigend oder schlecht ein; 42 Prozent vergeben die Note 3, 21 Prozent die Note 4 und 8 Prozent sogar die Note 5. Die IT-M&A-Kompetenz ist dem allgemeinen Unternehmenstrend folgend ebenfalls unterdurchschnittlich - so schätzen 64 Prozent der CIOs diese nur als befriedigend oder schlecht ein.

Defizite bestehen vor allem in den Branchen Transport und Verkehr, Energiewirtschaft und Finanzdienstleistungen. Die Studie belegt in diesem Zusammenhang, dass eine hohe M&A-Kompetenz nicht nur aus der M&A-Erfahrung eines Unternehmens resultiert. Den Ergebnissen zufolge mündet Erfahrung erst dann in Kompetenz, wenn die Unternehmen das Erlernte aufarbeiten und daraus Schemata, Muster und Prinzipien entwickeln, mit deren Hilfe sie künftige Transaktionen planen und steuern können. Unternehmen, die über ein umfassendes Set an Steuerungs- und Planungsmechanismen verfügen, stufen ihre Kompetenz doppelt so hoch ein wie ihre Konkurrenten, die solche Werkzeuge nicht nutzen.

Business-IT-Alignment steigert den M&A-Erfolg

Elementar für eine gelungene Fusion ist eine erweiterte Sichtweise der IT - dies zeigt sich bei Unternehmen, die sich als überdurchschnittlich erfolgreich erwiesen haben: In 40 Prozent der Fälle fungiert die IT hier als Business Partner - eine Rolle, die künftig laut 46 Prozent aller Befragten gestärkt werden soll. Auch ein überdurchschnittliches Business-IT-Alignment trägt maßgeblich zur Verwirklichung von M&A-Zielen bei. Bei eng abgestimmten Geschäfts- und IT-Zielen können durch M&A hervorgerufene Anpassungen leichter vollzogen werden.

Frühe Einbindung der IT

Die frühzeitige Einbindung der IT in den M&A-Lifecycle ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. IT-Integrationsaspekte sollten bereits bei der Entwicklung der M&A-Strategie einfließen und die Zielselektion beeinflussen. Derzeit wird dies jedoch nur bei 15 Prozent der Fälle praktiziert. Auch bei der Due Diligence ist die IT von zentraler Bedeutung - was von einem Drittel aller Teilnehmer noch nicht berücksichtigt, jedoch von 90 Prozent der besonders erfolgreichen Unternehmen beachtet wurde. Je früher und umfassender die Unternehmens-IT in die M&A-Prozesse eingebunden und je ganzheitlicher der Ansatz ist, desto größer sind die Erfolgsaussichten.

Der IT-Reifegrad entscheidet

Ein hoher Reifegrad der IT-Managementprozesse ist Voraussetzung für eine erfolgreiche IT-Integration. Es lassen sich fünf Reifegrade unterscheiden: initial, repeatable, defined, managed und optimizing. Bei "initial" dominieren unstrukturierte, eher zufällig ablaufende Managementprozesse. Demgegenüber ist "optimizing" von der kontinuierlichen Verbesserung etablierter Prozesse und Technologien gekennzeichnet. Unabhängig von der M&A-Erfahrung weisen insbesondere die Prozesse IT-Program-Delivery-Management und IT-Operations-Management einen hohen Reifegrad auf.

Kritisch ist hingegen der Prozess Customer-Relationship-Management. Das Risiko dieser einzelnen Prozesse wird von Unternehmen ohne M&A-Erfahrung massiv unterschätzt. Auf einer Skala von 1 (unkritisch) bis 5 (sehr kritisch) stuft der Benchmark die Prozesse IT-Operations-Management (4,4), IT-Resource-Management (4,2) und IT-Architektur-Management (3,9) als besonders kritisch ein; demgegenüber messen Unternehmen ohne M&A-Erfahrung diesen Prozessen eine deutlich geringere Relevanz bei.

Ein hoher Integrationsgrad ist nicht immer zielführend

Für das Gelingen eines M&A-Deals ist eine geeignete Integrationsstrategie ausschlaggebend. Dazu stehen dem CIO vier alternative Strategien zur Verfügung: Absorption, Combination, Complementary Combination, Portfolio. Der Studie zufolge streben circa 80 Prozent der Unternehmen einen hohen Integrationsgrad an.

Allerdings zeigt die Studie auch, dass ein solcher nicht zwingend zum Transaktionserfolg führt - wichtig ist vielmehr, dass die IT-Post-Merger-Strategie dem jeweiligen M&A-Typ entspricht. Handelt es sich beispielsweise bei der M&A-Transaktion um eine rein finanzielle Beteiligung, ist ein hoher IT-Integrationsgrad selten zielführend. Eine Harmonisierung der IT-Landschaften würde überproportional hohe Kosten verursachen, die keinesfalls amortisiert werden würden.

Komponenten für ein erfolgreiches M&A-Management

Das IT-M&A-Phasenmodell.

Der Schlüssel zum Erfolg ist ein IT-M&A-Management auf hohem Niveau. Dies bezieht sich auf die Bereiche Strategie, Prozess, Rollen, Tools und Performance-Kennzahlen. Damit sich die Fusion nicht negativ auf die übrigen Aufgaben der Unternehmens-IT auswirkt, ist dazu die Implementierung eines IT-Management-Frameworks notwendig. Bei der IT-M&A-Etablierung empfiehlt sich eine prozessorientierte Herangehensweise in vier Schritten: Reflexion der Business-Anforderungen, IT-Health-Check, Entwicklung einer IT-Strategie sowie Umsetzung von Handlungsempfehlungen (siehe Abbildung 1).

Peter Ratzer ist Berater für IT-Strategie bei Deloitte.