Wie deutsche Manager die Mimik ihres Geschäftspartners richtig verstehen lernen

Was Chinesen wirklich meinen

18.09.2008 von Alexander Galdy
Wer den Gesichtsausdruck seines chinesischen Geschäftspartners nicht richtig deuten kann, fängt sich schnell einen Korb ein. Eine Software soll Abhilfe schaffen. Mit ihr klappen auch Verhandlungen im Land des Lächelns.

Ist das jetzt ein "Ja", ein "Nein" oder irgendetwas dazwischen? Zwar lächelt der chinesische Geschäftspartner gegenüber während der kompletten Verhandlung. Aber irgendwie geht es in der Sache nicht voran. Am Ende herrscht große Verwunderung, wenn der Deal doch noch geplatzt ist.

Chinesen verstehen
Was denken Sie, in welcher emotionalen Stimmung sich dieser junge Chinese befindet? Klar, er ist sehr fröhlich.
Schwieriger wird es schon hier. Er ist ärgerlich. Zugegeben, nicht ganz leicht auf den ersten Blick zu erkennen.
Aber wären Sie auch bei ihm darauf gekommen, dass er ärgerlich ist?
Und was verrät uns diese Miene? Nein, nicht überrascht, sondern ängstlich.
Er ist übrigens auch ängstlich, oder was haben Sie gedacht?
Wieder einfacher ist dieser skeptische Gesichtsausdruck.
Dieser Mann ist auch skeptisch. Man sieht es ihm nur nicht so direkt an.
Keine Angst. Der Mann ist nicht böse, nur etwas unzufrieden.
Und er? Wenn Sie nicht gleich gesehen haben, dass dieser Mann auch unzufrieden ist, ist das nur verständlich. Er macht es einem Europäer auch nicht leicht.
Tja, wenn man nur wüsste, in welcher Stimmung sich diese junge Chinesin befindet. Und hier gleich die Auflösung: Sie ist traurig.
Um die Gesichtsausdrücke von Chinesen besser deuten zu können, kann mit Global Emotion trainiert werden. Zehn verschiedene Spiele machen den Nutzer Schritt für Schritt zum Mimik-Experten.

Schätzungsweise die Hälfte aller Verhandlungen zwischen Deutschen und Chinesen scheitern, berichtet der Münchner Diplom-Psychologe Ansgar Bittermann: "Dabei entstehen im Schnitt eine Million Euro Verlust pro gescheiterter Verhandlung." Dabei ist ein Drittel auf eine fehlerhafte non-verbale Kommunikationsfähigkeit zurückzuführen.

Ärger lässt Verhandlungen mit Chinesen scheitern

"Wie Forschungen zeigen, erkennen Europäer nur in drei von zehn Fällen, ob ein Chinese unzufrieden oder verärgert ist", sagt Bittermann. Dabei ist Ärger ein Hauptgrund, warum Verhandlungen scheitern. Für deutsche Unternehmer ist es deshalb wichtig, schnell zu erkennen, wann sein chinesischer Verhandlungspartner verstimmt ist.

Bittermann hat deshalb eine Software entwickelt, mit der Fach- und Führungskräfte lernen können, Emotionen ihres Gegenübers zu deuten. Das preisgekrönte Online-Tool von Global Emotion erinnert an das Spiel Memory oder einen einarmigen Banditen aus Las Vegas, je nachdem welchen Spielmodus man wählt.

Tatsächlich ist das Bild- und Videomaterial in zehn Spiele eingebettet. "Zuerst geht es darum, die Personen überhaupt unterscheiden zu lernen, dann darum, Emotionen wahrzunehmen und zum Schluss, diese auch richtig zu deuten", erklärt der 30-jährige Psychologe.

Emotionale Gesichtsausdrücke machen gut die Hälfte des Kommunikationsprozesses aus. Die Mimik bildet den Hintergrund, vor dem das Gesagte interpretiert wird. "Und wir wissen alle, dass gerade in China ein großer Unterschied zwischen dem besteht, was eine Person sagt und was sie meint", sagt Bittermann.

Interkulturelle Kommunikation in Zeiten von Globalisierung

Der Psychologe hat sich deshalb mit dem Cross-Race-Effekt beschäftigt. Er beschreibt, dass emotionale Gesichtausdrücke von Menschen anderer Kulturen wesentlich schlechter erkannt werden können, als die der eigenen. "Indem wir den Cross-Race-Effekt reduzieren, verbessern wir die Kommunikation zwischen den Völkern", sagt Bittermann. Denn gerade in Zeiten der Globalisierung ist eine interkulturelle Kommunikation wichtigster Garant für Wirtschaftsbeziehungen.

So scheinen das auch immer mehr Firmen zu sehen. "Entscheidend über Erfolg oder Misserfolg im Projekt-Management ist nicht in erster Linie Know-how und technische Ressourcen, sondern eine gelungene Kommunikation", sagt Natalie Lotzmann, Head of Health & Diversity SA und Jurorin des Zukunftawards, mit dem das Tool ausgezeichnet wurde. Ihrer Meinung nach wird die Bedeutung interkultureller Kompetenzen in der Zusammenarbeit häufig immer noch unterschätzt.

Wie schwierig es ist, in China Verhandlungen zu führen, hat Marcus te Rehorst, Gründer des Beratungs- und Dienstleistungsunternehmens Sonsec, selbst erfahren. Bei Gesprächen mit Personen aus dem gleichen Kulturkreis können Emotionen zeitgleich eingeschätzt werden. Aussagen von chinesischen Verhandlungspartnern kommen dagegen eher neutral rüber - vor allem wenn noch ein Dolmetscher dazwischen geschaltet ist. "Das stellt im Vergleich zu Verhandlungen mit Europäern einen enormen Nachteil dar", sagt te Rehorst.

Er verspricht sich von Global Emotion, zukünftig mehr Einfluss auf Verhandlungen nehmen zu können: "Unsere Mitarbeiter können Reaktionen und Stimmungen der chinesischen Entscheider auch abseits der Dolmetscher besser wahrnehmen. Vor allem können sie diese richtig interpretieren."

Chinesen und Deutsche ticken unterschiedlich

Das ist nicht immer einfach. "Chinesische und deutsche Gesprächspartner unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Es zeigen sich bei ihnen die unterschiedliche, jahrtausende alte kulturelle und historische Prägung", sagt Psychologe Bittermann.

Dabei leiden chinesische Manager genauso unter dem Cross-Race-Effekt. Sie haben es aber laut Bittermann etwas einfacher: "Denn deutsche Geschäftsleute neigen eher dazu, das zu meinen, was sie sagen." Allerdings müssen sie aufpassen, dass sie nicht Falsches sagen.

Das Online-Tool ist unter www.globalemotion.de zu finden. Das Training wurde mit dem "Deutschen Multimedia Award" und dem "Zukunftspreis 2008" ausgezeichnet.