Konflikte und Aufgaben

Was der Chief Data Officer vom CIO hält

02.02.2017 von Werner Kurzlechner
CIO und Chief Data Officer (CDO) sind Rivalen bei Budgets und Ressourcen. Trotzdem beschreiben CDOs das Verhältnis zum CIO überwiegend positiv.
  • Bis 2020 soll es den CDO flächendeckend geben
  • CDOs beklagen das Außenvorbleiben bei CIO-Entscheidungen
  • Durchschnittlich haben CDOs Zugriff auf 21 Prozent des IT-Budgets
  • Die neue Rolle wird zumeist nicht als Krisenantwort implementiert
  • Wichtigstes Thema für CDOs ist die Datenqualität
CDOs betrachten CIO mehrheitlich als Alliierte oder Partner. Das zeigt diese Grafik.
Foto: Gartner

Es läuft ganz gut zwischen CIOs und Chief Data Officers (CDOs). Zumindest dort, wo es diese nicht mit dem ebenfalls CDO abgekürzten Chief Digital Officer zu verwechselnde neue Rolle gibt. Und zumindest auf den ersten Blick. Denn Konfliktpotenzial zwischen den etablierten IT-Chefs und den aufstrebenden Führungskräfte mit Schwerpunkt Datenanalyse gibt es an sich eine Menge. Eine aktuelle Studie von Gartner widmet sich dem Thema CDOs und beleuchtet in der "Survey Analysis: Second Gartner CDO Survey" auch das Verhältnis zum CIO.

62 Prozent der CDOs finden Zusammenarbeit mit CIO gut

Befragt wurden - und das muss man sich in diesem Fall besonders vergegenwärtigen - 180 Datenchefs aus aller Welt, darunter CDOs, aber auch einige Chief Analytics Officers (CAOs). Man erfährt also in dieser Studie nicht, was die CIOs so von den CDOs halten, sondern lediglich die Einschätzung der CDOs. Und diese beschreiben die Zusammenarbeit mit den CIOs zu 62 Prozent als klar positiv.

29 Prozent der Befragten sprechen von einer gemeinsamen Führung als "Alliierte", 33 Prozent von einer Partnerschaft, in der Chancen und Bedrohungen diskutiert werden. Hinzu kommen weitere 23 Prozent, die von einer "transaktionalen" Beziehung sprechen: Man setzt sich miteinander auseinander, wenn es geboten ist. Und das kann ja erst einmal durchaus konstruktiv sein.

2020 haben 80 Prozent der Unternehmen einen CDO

So weit, so gut. Nun gibt es erstens die CDO-Rolle aktuell noch ziemlich selten, auch wenn Gartner eine starke Ausweitung für die kommenden Jahre prognostiziert. So sollen bis 2020 80 Prozent der großen Unternehmen über einen CDO mit voll implementierten Funktionen verfügen - wobei Gartner gleichzeitig unkt, dass die Hälfte dieser Aktivitäten scheitern werden. Zweitens aber, und damit zurück zum Verhältnis CDO und CIO, liegt die Annahme nahe, dass der CIO die Schaffung einer weiteren im Bereich der IT anzusiedelnden Spezialrolle mit dem "Chief"-Etikett nicht jubelstürmend aufnimmt.

Der ehemalige Telefonica-CIO Andreas Pfisterer und andere über den Chief Digital Officer
Diskussion um den CDO
Braucht ein Unternehmen einen dezidierten Chief Digital Officer (CDO) oder ist Digitalisierung Aufgabe des CIO - dazu gibt es unterschiedliche Positionen.
Andreas Pfisterer, vormals CIO bei Telefonica
Andreas Pfisterer ist (mittlerweile ehemaliger) CIO der Telefónica Germany GmbH & Co. Er nahm die Digitalisierung seines Unternehmens selbst in die Hand. Pfisterer verstand sich dabei als Enabler und aktiver Gestalter. In dieser Rolle beriet er sowohl den CEO als auch jeden, der das operative Geschäft verantwortet. Seine These: Der klassische CIO, der sich in erster Linie um Rechenzentrum, Server, Netze und Anwendungs-Entwicklung kümmert, ist ein Auslaufmodell.
Frank Ridder, Gartner
Frank Ridder ist Analyst beim Marktforscher Gartner. Seine These: Der CIO kann die Digitalisierung nur dann selbst managen, wenn er sein klassisches Tagesgeschäft abgibt.
Alexander Wink, Korn Ferry
Alexander Wink ist Senior Client Partner und Member of the Global Technology & Industrial Practice beim Headhunter Korn Ferry. Viele seiner Kunden, die einen CDO suchen, haben nur ungenaue Vorstellungen vom Anforderungsprofil. Die Rolle eines CDO ist einfach noch nicht ausgereift.
Harald Linné, Atreus
Harald Linne ist Geschäftsführer beim Interim-Management-Anbieter Atreus. Er beobachtet ein steigendes Interesse der Unternehmen an Interim Managern, die Digitalisierungsprojekte stemmen sollen. Im Gegensatz zu Beratern, die Erkenntnisprobleme lösen sollen, werden Interim Manager wegen Umsetzungsproblemen geholt und typischerweise in der Linie eingesetzt.
Wilfried Lyhs, Interim Manager
Wilfried Lyhs von Hilderts & Partner ist Interim Manager. Seine Erfahrung: "Digitalisierung des Unternehmens ist derzeit ziemlich hype. Ich glaube allerdings, dass viele Unternehmen, vornehmlich mittelständische, Entwicklungsbedarf in ihren Prozessen und ihrer IT haben. Diese sind noch als Vorstufe zur 'Digitalisierung' zu betrachten."

Das konzedieren auch die Analysten. Gartner thematisiert selbst, dass die CIOs die Zusammenarbeit mit den CDOs womöglich weniger positiv beschreiben würden. Und räsoniert dann weiter: Da es CDOs aktuell nur in Firmen gibt, die zu den Pionieren in diesem Bereich gehören, seien die Konflikte in diesem Firmen womöglich schon vor der Implementierung der Rolle gelöst worden. Vielleicht hätten die CIOs ihre Schlachten in diesem Fällen schon geschlagen und kooperierten nun, heißt es in der Studie: "Nicht notwendigerweise werden künftige CDOs die gleiche Art von Beziehung genießen dürfen."

Konflikte bei Macht, Personal und Entscheidungen

Völlig konfliktfrei verläuft die bisherige Zusammenarbeit mit dem CIO jedenfalls nach Darstellung von 44 Prozent der befragten Datenanalyse-Manager. Die 56 Prozent, die von Reibungen zu berichten wissen, nennen vor allem drei Konfliktherde: nicht ausbalancierte Machtstrukturen, die finanzielle und personelle Ausstattung von Projekten, das Außenvorbleiben bei Entscheidungen.

Bei Konflikten zwischen CIOs und CDOs geht es vor allem um drei Dinge: nicht ausbalancierte Machtstrukturen, die finanzielle und personelle Ausstattung von Projekten, das Außenvorbleiben bei Entscheidungen.
Foto: Gartner

In jedem Fall ist der CDO, sobald es ihn gibt, für den CIO ein veritabler Konkurrent ums Budget. Oder zumindest ein vermutlich dauerhafter Posten bei der Budgetverteilung, der in aller Regel wächst statt zu schrumpfen und so betrachtet einen immer größeren Batzen für den Bereich der Datenanalyse blockt.

Solide IT-Budgets für den CDO

Im Durchschnitt entfallen laut Studie auf den CDO und seine Mitarbeiter 21 Prozent des IT-Budgets der befragten Firmen. Unterschiede gibt es regional: In den USA beträgt das durchschnittliche Budget für den CDO 9,4 Millionen US-Dollar, in Europa sind es lediglich 3,6 Millionen.

An dieser Stelle lohnt ein Innehalten. Denn man darf sich - auch anhand der von Gartner gewählten Fragestellung - zunächst einmal wundern, dass eine dauerhafte Ausstattung mit einem Mitarbeiterstab für den CDO als selbstverständlich angenommen wird. Selbstverständlich ist das tatsächlich nicht, normale Praxis aber offenbar schon. 54 Prozent der befragten Firmen haben jedenfalls bereits entsprechende Büros eingerichtet.

Aufgaben des CDO und personelle Ausstattung

Und das zumeist deshalb, weil tendenziell Funktionen wie Datenqualität, Datenintegration und Master Data Management (MDM) unter der Zuständigkeit des CDOs gebündelt werden, falls dieser vorhanden ist. In Europa hat der CDO im Durchschnitt 31 Mitarbeiter, in 73 Prozent der Firmen sind es zwischen einem und 24 Mitarbeiter. In den USA sind die Stäbe bereits erkennbar größer mit durchschnittlich 49 Mitarbeitern.

Im Lichte der Gartner-Studie erweist sich überdies eine grundsätzliche Frage als höchst spannend: Warum haben die Unternehmen mit CDO diese Funktion überhaupt in dieser frühen Phase? Gartner hat hierzu eine eigene Annahme angestellt, die sich interessanterweise anhand der Studienergebnisse nicht wirklich erhärtet.

CEO und CFO wollen Chief Data Officer

Die Annahme der Analysten: CDOs gibt es aktuell in manchen Unternehmen deshalb, weil akute Krisen oder Probleme im Bereichen Daten und Analyse die Firmen zur Einrichtung dieser Rolle gezwungen haben. Diese These wird aber nur von 27 Prozent der Befragten bestätigt. Laut Studie sind andere Gründe offenbar stärker zu gewichten: 41 Prozent sagen, CEO oder CFO hätten einen CDO gewollt; weitere 24 Prozent berichten, der Aufsichtsrat habe diese Rolle gewünscht.

Diese Zahlen erscheinen von höchster Bedeutung. Denn aus ihnen lässt sich schließen, dass der CDO zumeist eben keine ungeliebte Ad hoc-Personalie ist, sondern auf Wunsch von ganz oben existiert. Mit hoher Wahrscheinlichkeit besteht diese hohe Unterstützung also fort, sobald ein CDO tatsächlich im Unternehmen tätig ist. Für CIOs ist dieser Umstand sicher wichtig zu wissen, wollen sie Machtkämpfe mit einem Vorstandsliebling vermeiden.

Effizienz, Wettbewerb und Datenqualität

Die Studie macht ebenfalls klar, warum CDOs in Unternehmen gewollt sind. 93 Prozent der Befragten nennen eine Verbesserung der Effizienz als eines der beiden wichtigsten Ziele, 89 Prozent eine Verbesserung der Wettbewerbsposition und 88 Prozent eine größere Nähe zu den Kunden.

Eine zentrale Rolle im CDO-Büro spielt zu 79 Prozent die Datenqualität. Mit jeweils 72 Prozent folgen Informationsstrategie und MDM, mit jeweils rund zwei Drittel Information Governance, Data Science und Business Analytics.

Diese Funktionsfülle unterstreicht eine Folge jener eben nicht mit den Studienergebnissen zu belegenden Gartner-Annahme: Wäre die Rolle des CDOs einfach eine schnelle Antwort auf kurzfristige Probleme, so wäre sie vermutlich in ihrem Umfang limitiert. Tatsächlich geht Gartner im Lichte der Studie aber davon aus, dass die Rolle funktional oft breit angelegt und mit einer eigenen Abteilung verbunden ist, wie es bei der IT- oder der Finance-Funktion bereits seit langem der Fall ist.

Die Studie zeigt, dass sich nur einer Minderheit der CDOs vor allem der Lösung alter Probleme widmet. Gartner hatte eigentlich angenommen, dass der CDO zumeist eine Reaktion auf akute Datenprobleme ist.
Foto: Gartner

Strategische Entscheidung für den CDO

Mehrheitlich, so zeigt die Studie, wird die Arbeit dieses neuen Büros in den Pionier-Unternehmen bislang positiv wahrgenommen - auch wegen der mit ihr verbundenen positiven Erwartungen. "Die Einführung einer CDO-Rolle samt zugehörigem Büro ist eine strategische Entscheidung, um neue Lösungen sowie die Generierung von Wert/Gewinn voranzutreiben", lautet das Fazit der Analysten. Und tatsächlich wenden nur 16 Prozent der bislang agierenden CDOs das Gros ihrer Arbeitszeit für die Lösung alter Probleme auf. 71 Prozent hingegen widmen sich überwiegend neuen Lösungen.