Wöchentliche Online-Kolumne

Weniger ist mehr - Bestandsreduzierung durch Collaborative Planning

04.02.2004 von Stefan Vordtriede
Dass eine unternehmensübergreifende Planung die Transparenz über die Logistikkette erhöhen kann, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Doch lassen sich damit überzählige und kostenträchtige Bestände wirklich reduzieren? Allein die Einführung einer entsprechenden Software reicht zumindest nicht aus.

Collaboration und Collaborative Planning, Forecasting & Replenishment (CPFR) sind aktuelle Themen, die trotz ihrer zungenbrecherischen Aussprache das Herz jedes Logistikverantwortlichen höher schlagen lassen. Im Handel erfolgreich erprobt, werden die entsprechenden Konzepte und Zielsetzungen längst auf andere Industrien übertragen. Alle namhaften Hersteller von Planungsprogrammen haben mittlerweile darauf abgestimmte Komponenten und Funktionen im Angebot. Das Zauberwort heißt Transparenz über die gesamte Logistikkette. Richtig genutzt, führt sie fast zwangsläufig zu einer Bestandsreduzierung – aber nur dann, wenn die transparenten Daten auch wirklich verlässlich sind.

Vertrauen schaffen

Dies ist die Stelle, an der jede Initiative zur unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit ansetzen sollte. Die Software ist wie so oft nicht das Allheilmittel, sie kann immer nur Mittel zum Zweck sein, um Ziele wie eine höhere Prognosegenauigkeit, mehr Effizienz in der Auftragsabwicklung und einen verbesserten Kundenservice zu erreichen. Von ebenso großer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang die Prozesse sowie die Menschen dahinter.

Voraussetzung ist eine saubere Prozessdefinition mit klaren Verantwortlichkeiten in allen beteiligten Partnerunternehmen. Dies gilt sowohl für die von der künftigen Zusammenarbeit betroffenen internen Prozesse als auch für die Gestaltung des neuen Geschäftsprozesses selbst. Zu den "weichen" Faktoren zählt eine Unternehmenskultur, in der die Bereitschaft zu einem weit greifenden Informationsaustausch gegeben ist. Vertrauen lässt sich dabei nicht verordnen - es geht selten gut, wenn sich plötzlich alle lieb haben sollen. Vertrauen kann immer nur das Ergebnis einer langfristigen Geschäftsbeziehung sein, von der wirklich alle beteiligten Partner profitieren.

Erst im nächsten Schritt ist es sinnvoll, sich über die technologische Umsetzung Gedanken zu machen. Am Anfang können sogar "mittelalterliche" Methoden wie Fax und E-Mail schon einen Teilerfolg bewirken. Sobald jedoch die Abläufe eingespielt sind, und mit zunehmender Zahl der beteiligten Partner, sollte auf technisch anspruchsvollere Lösungen gewechselt werden. Denn nur durch eine offene Kommunikation in Echtzeit kann die erforderliche Prozesssicherheit gewährleistet werden. Als Kommunikationsstandard setzt sich dabei zunehmend die Extensible Markup Language (XML) durch.

Sorgfältige Auswahl

Insbesondere in der Vorgehensweise bei der Auswahl der Partnerunternehmen und der Festlegung des Umfangs der Zusammenarbeit spielt die Musik. Das Gießkannenprinzip ist hier selten die beste Wahl: Es gilt vielmehr festzulegen, mit welchen Partnern eine engere Zusammenarbeit den größten Erfolg verspricht und für welche Prozesse und Produkte der Datenaustausch erfolgen soll. Das hierfür nutzbare qualitative und quantitative Instrumentarium ist vielfältig und mit klangvollen Namen versehen: Kundenportfolio, Net Present Value, Customer Life Time Value und andere mehr. Dahinter verbirgt sich die Ausrichtung an Umsatz und Deckungsbeitrag, nach Bedarf erweitert um Faktoren wie Zahlungsströme, spezifische Risiken sowie Kundenzufriedenheit und potenzial. Die gewählten Prozesse müssen übrigens nicht zwangsläufig Absatzplanung und Bedarfsprognose sein. Auch in den Bereichen Entwicklung und Einkauf ist eine Zusammenarbeit sinnvoll und wird von immer mehr Unternehmen praktiziert.

Generell empfiehlt es sich jedoch, die Zusammenarbeit in Form eines Pilotprojektes mit dem Austausch von Planungsdaten und einem bis drei ausgewählten Partnern mit jeweils einer handvoll Produkte zu starten. Auf diese Weise ist eine Erweiterung in allen drei Dimensionen - Prozess, Partner und Produkt - jederzeit möglich. Eine solche schrittweise Vorgehensweise kombiniert den Erfahrungszuwachs auf der Lernkurve mit dem angenehmen Nebeneffekt einer erhöhten Planungs- und Investitionssicherheit. Voraussetzung ist dabei natürlich eine hinreichende Skalierbarkeit der genutzten technischen Lösung.

Exakte Planung

Daneben gibt es noch eine Reihe weiterer Faktoren, die für ein erfolgreiches Collaborative Planning Projekt von Bedeutung sind. Am Wichtigsten ist eine vertragliche Grundlage. Ein joviales "Lass uns mal in dem Bereich was machen" kann den Prozess zwar in Gang setzen, wird aber nicht ausreichen. Benötigt wird eine grundsätzliche Rahmenvereinbarung auf Basis einer gemeinsamen Geschäftsplanung für den betrachteten Prozess, die alle wesentlichen Aspekte der Zusammenarbeit regelt. Dazu zählen klare Ziele, Verantwortlichkeiten, Rechten und Pflichten sowie definierte und geeignete Messgrößen für das Prozess-Monitoring. Darüber hinaus sind Regeln für den Fall von Planungsabweichungen sowie ein Revisionszyklus zur kontinuierlichen Weiterentwicklung der Zusammenarbeit festzulegen.

Fazit: Erst wenn in allen genannten Bereichen die Hausaufgaben gemacht sind, können die Potenziale einer Best-in-Class Softwarelösung für die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit voll ausgeschöpft werden. Belohnt wird die Mühe mit der Aussicht auf mehr Umsatz durch die generell verbesserten Geschäftsbeziehungen sowie optimierte Planungsprozesse – und eben auch der Möglichkeit zur Reduzierung der Bestände.

Stefan Vordtriede ist Supply Chain Management-Berater bei Cap Gemini Ernst & Young.

Mehr Informationen zum Thema SCM erhalten Sie in unserem gleichnamigen Briefing.