Mitarbeiter werben Mitarbeiter

Wenn aus Freunden Headhunter werden

24.09.2015 von Ingrid Weidner
Viele Unternehmen zahlen ihren Mitarbeitern Prämien, wenn sie ihren Freunden den eigenen Arbeitgeber empfehlen. Das geht nicht immer gut.
  • Startups werben Mitarbeiter gerne über Mitarbeiter
  • Eine Empfehlung ist kein Freifahrtschein
  • Kommt ein Freund vom Chef ins Unternehmen, muss das offen kommuniziert werden

Startups nutzen das Prinzip - sie heuern Studien- und Schulfreunde als Mitarbeiter an. Auch Mittelständler und Konzerne setzen auf diese Methode und zahlen ihren Angestellten Prämien, wenn sie sich im eigenen Freundeskreis nach potenziellen Bewerbern umsehen. "Aus Sicht eines Unternehmens, das schnell wächst, ist diese Methode völlig legitim?, erklärt Matthias Busold, Personalberater aus Hamburg. "Vertrauen ist gerade in kleinen Firmen besonders wichtig, wenn es auf jeden Mitarbeiter ankommt."

Für Unternehmen bieten solche Programme viele Vorteile: "Wenn Mitarbeiter gegenüber ihren Freunden von ihrem tollen Arbeitgeber schwärmen und ihren Freunden davon erzählen, kommt dieser Empfehlung ein besonderes Gewicht zu", sagt Alfred Quenzler, Professor für Internationales Personal- und Organisationsmanagement an der Technischen Hochschule in Ingolstadt. Für den Personalexperten ist es ein gutes Zeichen, wenn Angestellte auch nach Dienstschluss noch über ihre Firma sprechen. Auch für den Arbeitgeber bringt eine Empfehlung Vorteile, denn ein begeisterter Mitarbeiter wird nur jemanden empfehlen, für den er notfalls die Hand ins Feuer legt, so zumindest die Idee des Programms "Mitarbeiter werben Mitarbeiter".

Alfred Quenzler, Hochschule Ingolstadt: "Arbeitgeberempfehlungen gegenüber Freunden haben ein besonderes Gewicht."
Foto: Technische Hochschule Ingolstadt

Michael Donat, seit Januar Personalchef bei Sopra Steria Consulting, gewinnt viele neue Berater über Empfehlungen aus dem eigenen Haus. "Im vergangenen Jahr haben wir 37 Prozent unserer Neueinstellungen über diesen Weg rekrutiert, das waren 80 neue Mitarbeiter. In diesem Jahr liegt die Quote schon bei 40 Prozent", berichtet Donat. Zwar nutzt das Beratungsunternehmen das Programm für alle Positionen, doch gerade bei Einsteigern und Young Professionals, die entweder direkt von der Hochschule kommen oder bis zu drei Jahre Berufserfahrung mitbringen, ist das Programm "Mitarbeiter werben Mitarbeiter" besonders beliebt. "Mehr als 50 Prozent der Junior-Consultants kommen über Mitarbeiterempfehlungen zu uns."

Freunde von Kollegen bleiben länger

Anfangs wunderte sich der neue Personalchef über die hohen Quoten, doch Donat schätzt das Programm. "Wir haben eine geringere Fluktuation bei den Mitarbeitern, die über eine Empfehlung zu uns kamen. Sie bleiben länger im Unternehmen." Wie viele andere zahlt Sopra Steria Consulting eine Kopfprämie. "Ich finde es fair, das Engagement der Mitarbeiter zu vergüten. Verglichen mit den Kosten für einen Personalberater sind die Prämien gering", erläutert Donat und fügt hinzu: "Wir zahlen für die Vermittlung einer Junior-Position 2500 Euro und für eine Senior-Position 5000 Euro." Der Personalchef glaubt, dass die Vergütung nicht entscheidend ist, sondern dass "die Kollegen von ihrem Arbeitgeber überzeugt sind und das ihren Freunden gegenüber glaubwürdig vertreten."

Michael Donat, Sopra Steria Consulting: "Nicht die Vergütung einer Kopfprämie, sondern dass die Kollegen von ihrem Arbeitgeber überzeugt sind und das gegenüber ihren Freunden glaubwürdig vertreten ist entscheidend."
Foto: Sopra Steria Consulting

Kopfprämien für die Vermittlung sind umstritten

Doch Prämien von 2500 oder 5000 Euro klingen nicht nach einer kleinen Anerkennung oder einem Trinkgeld. So viel Geld kann Begehrlichkeiten wecken und einen Anreiz darstellen, auch einen flüchtigen Bekannten aus dem Sportverein zu empfehlen, um daran zu verdienen. Quenzler sieht Kopfprämien kritisch. "Wenn Mitarbeiter zu Headhuntern werden, kann die Qualität der Empfehlung leiden", merkt der Ingolstädter Professor an.

Was tun, wenn der Headhunter anruft?
Genau prüfen
Ein guter Personalberater will nicht nur einen Abschluss, sondern eine gute Betreuung von Auftraggeber und Kandidat. Dies zeigt sich daran, wie transparent der Suchprozess ist, ob auch kritische Aspekte angesprochen werden und ob die Interessen des Kandidaten ein wichtiger Bestandteil der Gespräche sind.
Gelassen bleiben
Wenn der Anruf mit dem Jobangebot dann kommt, ist Ruhe Trumpf. Fragen nach dem Namen der suchenden Firma oder dem Gehalt sind im Erstgespräch tabu. Lieber um eine anonymisierte Stellenbeschreibung und etwas Bedenkzeit bitten. Bei Interesse Lebenslauf schicken und schon mal über geeignete Referenzgeber nachdenken. Wichtig ist, dass der Headhunter auch wirklich ein exklusives Mandat für die Suche hat.
Souverän auftreten
Gespräche mit der Zielfirma sollten sorgfältig vorbereitet werden. Geschickter als einfach Fragen zu beantworten ist es, eigene Impulse zu setzen und zu erklären, welche Akzente man im Erfolgsfall im neuen Job setzen möchte. Vorsicht: Auch hier sind die Unterschiede zwischen einzelnen Headhuntern groß. Ein seriöser Personalberater wird seine Kandidaten intensiv auf anstehende Gespräche vorbereiten und auch ausloten, ob das Angebot zu ihren langfristigen Karriere-Zielen passt.
Früh anfangen
Wer aufsteigen will, sollte nicht warten, bis ihn ein Headhunter anruft. Es lohnt sich, früh selbst Kontakte zu Personalberatern zu knüpfen - spätestens ab Mitte 30.
Klug auswählen
Einen Standardlebenslauf an möglichst viele Adressen zu senden ist ungeschickt und wirkt austauschbar. Deshalb gut überlegen, welche Personalberatung über die nötige Expertise und Vernetzung in der jeweiligen Branche verfügt. Der Erstkontakt kommt idealerweise durch persönliche Empfehlung zustande. Auch die Unterstützung bei anderen Suchen - durch Einschätzungen oder Referenzen - ist ein guter Türöffner.

Für Personalberater stellen die Werbeprogramme zwar eine Konkurrenz dar, doch Matthias Busold sieht es sportlich. Sein Unternehmen wird in der Regel dann beauftragt, wenn Firmen für eine Position keinen passenden Kandidaten finden. Meistens erfährt der Hamburger Headhunter nichts über die Gründe. "Ich frage zwar immer, doch meistens kommt keine ganz ehrliche Antwort." Kürzlich nun überraschte den Personalberater ein Auftraggeber. Das Unternehmen hatte viele Jahre über Mitarbeiterprogramme Bewerber gewonnen und auch ordentliche Prämien gezahlt.

Doch die Fluktuation war hoch. Schließlich stellte sich heraus, dass einige Angestellte daraus ein Geschäftsmodell entwickelten: "Sie fragten in ihrem Bekanntenkreis, wer einige Zeit dort arbeiten wollte, kassierten die Prämie und der neue Kollege kündigte einige Monate nach der Probezeit wieder, weil er nicht an einer Festanstellung interessiert war", erzählt Busold.

Auch wenn solche Beispiele sicherlich eine Ausnahme bleiben, sollten Firmen genau überlegen, für welche Vermittlung sich eine Vergütung lohnt. "Für angeworbene Praktikanten sollte es kein Geld geben, für Berufserfahrene sehe ich bei 1000 Euro als Anerkennungsprämie eine Obergrenze. Auch Incentives wie freie Tage oder ein Wellness-Wochenende können eine Alternative zu Geldprämien sein", schlägt Professor Quenzler vor.

Jobs nur über Vitamin B?

Besonders Familienunternehmen oder kleinere, mittelständische Firmen sollten sich nicht zu stark auf diesen Rekrutierungsweg festlegen, empfiehlt Quenzler, denn das gefährde den guten Ruf. Wer vor allem über Empfehlung Mitarbeiter gewinnt und keine Stellen ausschreibt, bleibt für Bewerber unsichtbar. "Schnell entsteht das Gerücht, dass man nur über Beziehungen an einen Job kommt. Dann ist gleich auch von Spezlwirtschaft die Rede und das schadet dem Unternehmen", sagt der Professor.

"Wer seinen Arbeitgeber aus Überzeugung einem Freund empfiehlt, der aber nach ein paar Monaten enttäuscht wieder kündigt, kann auch die Freundschaft aufs Spiel setzen. Manchmal zerbrechen sie, wenn sich der Arbeitgeber als weniger attraktiv entpuppt", warnt der Wissenschaftler. Auch Unternehmen müssen dem Eindruck entgegen treten, neue Mitarbeiter mit Beziehungen zu bevorzugen und schneller zu befördern.

Wenn der Freund vom Chef Kollege wird

Der Ingolstädter Professor empfiehlt Führungskräften, offen mit ihren Teams darüber zu sprechen, wenn ein Freund des Chefs ins Team kommt. "Damit keine Gerüchte entstehen, empfehle ich, solche Konstellationen offen anzusprechen. Es muss auch klar gesagt werden, dass der neue Mitarbeiter keine Privilegien genießt, nur weil er jemanden im Unternehmen kennt. Es gelten für alle die gleichen Spielregeln und Karriereperspektiven." Das klingt professionell, doch ist es auch realistisch? Traut sich ein Mitarbeiter, den als hochgelobten Spezialisten und besten Freund des Teamleiters vorgestellten Kollegen zu kritisieren, wenn der sich als Faulpelz und Fehlbesetzung entpuppt?

Stellt sich bei der Anwerbung eines Freundes der Arbeitgeber im Nachhinein als wenig attraktiv heraus, so kann dies die Freundschaft entscheidend gefährden und sie sogar in die Brüche gehen lassen.
Foto: William Perugini

Professionelle Personalauswahl verhindert Spezlwirtschaft

Gerade Startups tappen manchmal in die Falle, nur Freunde von Freunden einzustellen, ohne deren Qualifikation genau zu prüfen. "Ein Inhaber kann die ersten 50 Mitarbeiter noch persönlich einstellen, doch spätestens dann sollten sie sich professionalisieren und sich jemanden außerhalb des eigenen Freundeskreises für diese Aufgabe suchen", empfiehlt Personalberater Busold.

Selbst wenn das Unternehmen kein Geld für eine solche Position ausgeben will, helfen externe Experten, die die Instrumente der Eignungsdiagnostik beherrschen oder auch ein Assessment-Center professionell organisieren können. Nur eine Empfehlung reiche nicht als Qualitätscheck. Und "eine Empfehlung ist kein Freifahrtschein", ergänzt Sopra-Steria-Personaler Donat. Auch jeder Bewerber, der auf Empfehlung zu ihm komme, durchläuft das gesamte reguläre Auswahlverfahren.

Auf Diversity, also Vielfalt hinsichtlich Alter, Nationalität und Geschlecht, setzen vor allem internationale Konzerne. Mit so einer Initiative wie "Mitarbeiter werben Mitarbeiter" steigt aber die Wahrscheinlichkeit einer homogenen Mannschaft. "Natürlich stelle ich Auftraggebern die Frage, ob sie jemanden suchen, der so tickt wie sie oder jemanden, der als Querdenker neue Ideen ins Unternehmen bringt", sagt Busold.

"Einfacher und harmonischer ist es, jemanden ins Team zu holen, der ähnlich tickt, denn das bedeutet für alle: Der Neue macht keinen Stress", weiß Busold. "Seltener entscheiden sich Firmen für jemanden, der ganz anders denkt. Das ist auf jeden Fall anstrengender." Auch Quenzler kennt das Dilemma der Unternehmen. "Unterschiedliche Menschen ins Team zu integrieren ist am schwierigsten, doch wenn es gelingt, ist es befriedigend und kann neue Impulse bringen."

Robert Half über den Erfolgsfaktor Dream Team
Was das Business vom Sport lernen kann
Glaubt man Robert Half, hat die eine Hälfte der Manager ein leistungsstarkes Team, die andere nicht. Wer zur besseren Hälfte zählen will, sollte sich bei der Zusammenstellung seiner Mannschaft am Sport orientieren. In einem Dream Team sind sechs Rollen zu besetzen. Diese finden Sie auf den folgenden Seiten.
Der Teamkapitän
Wichtig ist natürlich der Teamkapitän. Er ist den anderen Vorbild und inspiriert sie zu Höchstleistungen. Er gibt die Richtung vor und löst Probleme.
Der Schiedsrichter
Kein Wettkampf ohne Schiedsrichter. Er wahrt immer die Fairness, zeigt Fehlentwicklungen auf und kann Emotionales und Rationales trennen.
Der Profi
Professionelles Verhalten im Team heißt, sein Wissen zu teilen und eigene Erfahrungen einzubringen. Profis bürgen für Qualität, Zuverlässigkeit und Termintreue.
Der Top-Performer
In jedem Team gibt es Top-Performer, die konstant Höchstleistung zeigen. Sie nehmen Herausforderungen gerne an und wollen verantwortlich und eigenständig arbeiten. Auf Change reagieren sie schnell.
Der Neue
Neue Mitarbeiter im Team bringen oft inspirierende Ideen ein. Mit der richtigen Förderung entwickeln sie sich eventuell zu Top-Performern.
Der Cheftrainer
Beim Cheftrainer liegt die Verantwortung für die Zusammensetzung des Teams. Er fungiert als Teamleader, Motivator, Moderator und Entscheider.
Der Talentscout
Natürlich versäumt Robert Half nicht den Hinweis auf mögliche Unterstützung von extern. Ein Talentscout kann beim Rekrutieren neuer Mitarbeiter helfen.