Bewerbungsverfahren

Wer die Besten will, muss schnell sein

07.10.2013 von Kristin Schmidt
Zuerst ein Onlinetest, dann ein Telefoninterview und schließlich das Vorstellungsgespräch - manche Bewerbungsverfahren sind langwierig. Warum sich Firmen nicht zu viel Zeit lassen sollten und wie sich die Qualität des Verfahrens auf das Arbeitgeber-Image niederschlägt.

Redakteure kennen es aus eigener Erfahrung. Bei der Bewerbung um ein Volontariat - also die Ausbildung zum Redakteur - müssen sie vielen Hürden nehmen. Zunächst das Anschreiben mit Lebenslauf und Arbeitsproben, dann eine Probereportage oder vielleicht auch ein selbst produziertes Video, anschließend ein Assessment-Center vor Ort, eventuell sogar eine zweite Auswahlrunde. Vor allem bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten dauert der Auswahlprozess Monate.

Doch auch BWL-Absolventen, Ingenieure oder Informatiker kennen den Bewerbungsmarathon. Vor allem große Konzerne bekommen mehr als tausend Bewerbungen auf einige wenige Stellen. Beim Chemieriesen BASF haben sich im vergangenen Jahr etwa 5.000 Hochschulabsolventen auf 70 Traineestellen in den verschiedenen Unternehmensbereichen beworben. Beim Auswärtigen Amt gehen für den höheren Dienst jährlich zwischen 1.800 und 2.000 Bewerbungen ein. Zu vergeben hat das Ministerium aber nur 45 Stellen. Beim Telekommunikationsanbieter Vodafone erhalten etwa sieben Prozent der Bewerber einen Platz im Traineeprogramm.

Angesichts solcher Massen an Kandidaten lassen sich mittels einfacher Vorauswahl über die Bewerbungsunterlagen und einem Vorstellungsgespräch nicht genügend Bewerber herausfiltern, um die Stellen direkt zu besetzen. Bei Vodafone zum Beispiel gibt es je nach Job bis zu vier Auswahlstufen. Eine erste Auswahl trifft das Unternehmen per Telefoninterview, anschließend folgt ein Online-Test. "So kann sichergestellt werden, dass Bewerber auf ähnlichem Niveau zum Interview oder Assessment Center eingeladen werden", heißt es bei Vodafone. Diesem ersten Vor-Ort-Termin folgt eventuell ein zweites Gespräch.

Bewerbungsstrategien für den Traumjob
Die Expertenstrategie
Sie kennen sich mit einem Themengebiet gut aus und haben mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in diesem Bereich, dann könnte die Expertenstrategie die richtige sein. Wichtig ist, ihr Spezialgebiet so umfassend zu definieren, dass sie auf viele Angebote passen, aber gleichzeitig so viel Expertise zu besitzen, dass nicht viele mit Ihnen konkurrieren können.
Die Power-Mail-Strategie
Schreiben Sie eine E-Mail, die der Leser nicht ignorieren kann. Finden Sie heraus, an welchen Stellen Ihr Lieblingsunternehmen Nachholbedarf hat und präsentieren Sie sich als Lösung. Das funktioniert natürlich nur, wenn Sie in der Branche schon Erfahrungen und Kontakte haben. Für diese Variante muss "Ihr Können und Ihr Hintergrund" sehr interessant sein.
Die Baumeister-Strategie
Schaffen Sie sich Ihren Traumjob einfach selbst. Entdecken Sie den Bedarf an einer bestimmten Dienstleistung oder einem Produkt und schlagen Sie einem Träger vor, sich darum zu kümmern. Das funktioniert besonders gut im öffentlichen Bereich. Sind Sie von der Idee restlos überzeugt, können Sie es sogar wagen, einen eigenen Verein oder eine Stiftung zu gründen.
Die Projektstrategie
Oft ist Projektarbeit der Einstieg in die Festanstellung. Deshalb überlegen Sie sich genau, erstens welches Projekt Sie realisieren könnten und zweitens für welche Firmen es interessant sein könnte. Treten Sie an die potentiellen Interessenten heran und überzeugen Sie sie von Ihrer Idee. Die Bereitschaft in ein Projekt einzuwilligen ist höher, als eine neue Stelle zu schaffen. So können beide Seiten herausfinden, ob es passt.
Die Anti-Aging-Strategie
Suchen Sie sich eine Aufgabe, die Ihrem Alter entspricht. Das hört sich erstmal hart an, ist aber ganz plausibel. Bewerben Sie sich nicht auf Inserate, die mindestens zwei bis drei Jahre Berufserfahrung voraussetzen, denn hier liegen nicht Ihre Stärken. Für viele ältere Führungskräfte ist die Position des Interimsmanager eine geeignete Aufgabe. Private Vermittler helfen gerne weiter.
Die Terminstrategie
Persönlich miteinander in Kontakt kommen, das ist die Idee hinter dieser Strategie. Suchen Sie sich Ihren Wunscharbeitgeber und überlegen Sie, wer vor Ort der beste Ansprechpartner sein könnte. Rufen Sie einfach an, erklären Sie Ihr großes Interesse an dem Unternehmen und bitten Sie um einen kurzen Termin zum Kaffeetrinken. So ist der erste Kontakt hergestellt.
Angebotsstrategie
Analysieren Sie, was Ihrem Traumarbeitgeber fehlt. "Das kann alles Mögliche sein vom Youtube-Werbevideo über neue Vertriebsmethoden bis hinzu Beziehungen in einen interessanten Auslandsmarkt", sagt Autorin Hofert. Die Kunst ist, das Defizit vor dem Arbeitgeber zu erkennen und ihn davon zu überzeugen, dass er es mit Ihrer Hilfe beheben kann.

Doch mehrstufig muss nicht zwangsläufig langwierig sein. "Unternehmen sind in der Lage auch solche Auswahlverfahren in zwei Monaten durchzuziehen", sagt Uwe Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule Osnabrück. Anders beim Auswärtigen Amt: Der Bewerbungsschluss ist in jedem Jahr Ende Mai, im Juli findet das schriftliche Auswahlverfahren mit bis zu 1.800 Teilnehmern statt. Während den Monaten November und Dezember kommen die Bewerber zur mündlichen Prüfung. Die Zusagen werden spätestens Anfang Januar versandt. Ein halbes Jahr dauert der Bewerbungsmarathon also. Während bei der ersten Auswahlstufe - dem schriftlichen Test - 20 Prozent der zugelassenen Kandidaten gar nicht erst kommen, würden danach nur "äußerst selten" Kandidaten absagen. Der große Vorteil des Auswärtigen Amtes ist sein Monopol. Wer Diplomat werden will, hat keine andere Wahl als sich dem ausgiebigen Verfahren zu unterwerfen.

Unternehmen sollten zügig Rückmeldung geben

Bei Unternehmen sieht das schon anders aus. "Für hochqualifizierte Bewerber sind Auswahlverfahren von zwei Monaten schon zu lange" sagt Kanning. Vor allem in stark nachgefragten Fachrichtungen wie Informatik oder Ingenieurwesen geht es am Arbeitsmarkt blitzschnell. "Ein promovierter Maschinenbauer ist nicht lange arbeitssuchend. Wer die Besten haben will muss auch schnell sein", sagt der Wirtschaftspsychologe.

Das wissen auch die Unternehmen und beteuern die Kandidaten möglichst zeitnah auszuwählen. Bei BASF zum Beispiel heißt es, dass eine schnelle Rückmeldung im Wettbewerb um die besten Mitarbeiter ein entscheidender Erfolgsfaktor sei. Doch der gute Vorsatz scheint nicht immer eingehalten zu werden. Ein Blick auf das Arbeitgeberbewertungsportal Kununu zeigt, dass die Meinungen zu den Bewerbungsverfahren weit auseinander gehen. Während der eine User das Prozedere beim Chemieriesen einfach nur mit einem "So führt man Bewerbungsgespräche!" und 4,6 von fünf möglich Punkten bewertet, ärgern sich andere über die Dauer des Prozesses. Ein Nutzer behauptet: "Bei der Bewerbung habe ich ständig das Gefühl gehabt - mein Mitbewerber muss seine Probezeit überstehen, bevor BASF sich traut eine Absage zuzuschicken." Sechs Monate hätte die Auswahl gedauert.

Viel mehr als die Dauer des Bewerbungsprozesses scheint es Kandidaten zu ärgern, wenn sie Wochen oder gar Monate keine Rückmeldung erhalten und auf Nachfragen gar nicht oder vertröstend reagiert wird. "Unternehmen sollten die Bewerber immer auf dem Laufenden halten, wie es weitergeht und den Zeitplan dann auch einhalten", sagt Wirtschaftspsychologe Kanning. Auf der Homepage vom Telekommunikationsunternehmen Vodafone beispielsweise werden Bearbeitungszeiträume bereits angekündigt. "Etwa zwei Wochen nach Bewerbungsschluss sollte klar sein, wer in die nächste Runde kommt und wer nicht", sagt Kanning. Halten Unternehmen Fristen im Bewerbungsprozess nicht ein oder ist der zeitliche Ablauf intransparent, wirkt das auf Bewerber unprofessionell. Gerade für Mittelständler, über die die Bewerber weniger wissen als über die großen Konzerne, ist ein schlechtes Bewerbungsverfahren gefährlich. Denn die Kandidaten schließen von der Qualität des Prozesses auf das Unternehmen als Arbeitgeber. Fragen der Verlässlichkeit, der Wertschätzung und der Professionalität beantworten sich die Bewerber so indirekt selbst.

Einen Einblick ins Unternehmen hält auch die Deutsche Bahn für wichtig. "Mehrere persönliche Kontakte ermöglichen es beiden Seiten, einen Eindruck von einander zu erhalten", heißt es bei der Deutschen Bahn. Bewerber interessierten die Unternehmenskultur, der Chef und das Team. Um eine Traineestelle bei der Deutschen Bahn zu ergattern, müssen Kandidaten ein Telefoninterview, ein Assessement-Center und ein Vorstellungsgespräch meistern.

Überhaupt sind oftmals die Auswahlverfahren für Traineestellen sehr ausgiebig. "Die Berufseinsteiger werden als die Führungskräfte von morgen gesehen", begründet Kanning den Aufwand. Assessment-Center sind hierbei häufig fester Bestandteil des Prozesses.

Je weiter oben in der Hierarchie die zu besetzende Position angesiedelt ist, desto seltener ist ein solcher Auswahltag mit Gruppendiskussionen und Rollenspielen. "Manager sehen es oft nicht ein, sich mit ihrer Erfahrung einem Assessment-Center zu unterziehen", sagt Jan Müller vom Spezialisten für Personalbeschaffung Futurestep. "Interessiert sich ein Unternehmen für sie, erwarten sie eine individuellere Behandlung."

(Quelle: Wirtschaftswoche)