Gehaltsgespräche richtig planen

"Wer seiner Firma treu bleibt, wird irgendwann schrecklich unterbezahlt"

23.04.2019 von Alexander Zeuner
Wann ist der beste Zeitpunkt, mit dem Chef über mehr Gehalt zu sprechen? Was ist bei Leistungsprämien und bei Aktienoptionen zu beachten? Und welche Fehler sind auf alle Fälle zu vermeiden? Gehaltscoach Martin Wehrle gibt Tipps für den Gehaltspoker.

Die Wirtschaft boomt. Wann, wenn nicht jetzt, ist der beste Zeitpunkt für eine Gehaltsverhandlung?

Sicher ist es keine gute Ausgangssituation, wenn überall von Kürzungen, Entlassungen und Einsparungen gesprochen wird. Wenn man hingegen von Fachkräftemangel hört und hohe Tarifabschlüsse erzielt werden, ist das Feld anders bestellt. Dann ist die Situation für eine Gehaltsforderung äußerst günstig.

Das bedeutet, der Arbeitnehmer kann sich mit seinen Forderungen an der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens orientieren?

Absolut. Die Sache hat nur einen kleinen Haken: Man sollte nicht das tun, was alle tun. Wenn jeder auf seinen Chef zustürmt, kommt es zu einer Gegenreaktion. Wer raffiniert und seiner Zeit voraus ist, sichert sich so ein großes Stück vom Gehaltsetat.

Also so, wie es viele Führungskräfte auch in den Schwächejahren vorgezeigt haben?

Dieses Interview erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de
Foto: manager-magazin.de

Natürlich wurde auch in dieser Zeit erfolgreich verhandelt. Aber das waren vor allem Leistungsträger, die knallhart beweisen konnten, dass eine Gehaltserhöhung keine Ausgabe, sondern eine Investition ist.

Wie entscheidend ist es, dem Chef oder der Chefin sympathisch zu sein?

Sicher ist auch eine gute Beziehung zum Vorgesetzten wichtig. Sie reicht aber nicht aus. Denn ein Chef weiß genau, welche seiner Mitarbeiter mit guter Arbeit zu seinem persönlichen Prämienerfolg beitragen - und welche nicht. Die Gehaltswünsche seiner Leistungsträger muss er also schon aus Eigeninteresse ernst nehmen.

Wenn es nun zur Verhandlung kommt: Wie tritt man am besten auf?

Bevor man auf eine Zahl zu sprechen kommt, sollte man zeigen, wie und wo sich die eigenen Leistungen gesteigert haben. Das bedeutet, dass man für das Unternehmen bei gleicher Leistung nicht teurer werden darf. Es ist falsch, eine Gehaltserhöhung mit dem höheren Benzinpreis zu begründen. Man muss sich das wie bei einer Waage vorstellen: Wenn die Leistung steigt, muss auch auf der Gehaltsseite nachlegt werden, damit das Gleichgewicht wieder stimmt.

Das klingt nach einer sehr weichen Verhandlungsstrategie.

Was gar nicht funktioniert ist, dem Chef eine verbale Pistole an den Kopf zu halten und mit Kündigung zu drohen. Wenn der Vorgesetzte die Wahl hat, ob er lieber einen exzellenten Mitarbeiter oder sein Gesicht verliert, ist seine Entscheidung klar.

Aber wie signalisiert man dem Vorgesetzten, dass die Alternative zu einer Gehaltserhöhung ein Arbeitsplatzwechsel ist?

Das lässt sich mit rhetorischen Feinheiten lösen. Ein Beispiel wäre etwa: "Ich kenne meinen Marktwert und würde den am liebsten in dieser Firma bekommen." Das ist eine andere Tonlage. Und trotzdem schwingt die Alternative zwischen den Zeilen mit. Damit baut man eine diplomatische Brücke, über die der Chef viel leichter gehen kann.

Eigenen Marktwert kennen

Was ist der erste Schritt bei einer Gehaltsverhandlung?

Zuerst muss man sich über den eigenen Marktwert informieren. Dabei darf man nicht vergessen, dass viele auf den Tarif schauen. Der ist aber ein Mindestlohn für eine Mindestleistung. Wer allerdings Überdurchschnittliches leistet, muss auch überdurchschnittlich verdienen. Und es liegt am Arbeitnehmer, zu verhandeln - nicht an den Gewerkschaften.

Sie sprechen ständig von besonderen Leistungen. Die Arbeit gut und gewissenhaft zu erledigen, reicht für eine Gehaltserhöhung nicht aus?

Man muss die Leistung zumindest ausgebaut haben. Denn der nächste Schritt vor einer Gehaltsverhandlung ist, Argumente zu sammeln, um sie auch begründen zu können. Dazu kann man ein Leistungstagebuch führen, in dem man im Laufe des Jahres besondere Leistungen festhält.

Wirkt man damit nicht schnell als Erbsenzähler?

Nur wenn es als Beweisführung gegen den Vorgesetzten gesehen wird. Aber oft muss auch ein Chef vor seinem Vorgesetzten eine Gehaltserhöhung für seine Mitarbeiter begründen. Dann ist es sehr hilfreich, wenn man ihm eine Argumentationshilfe mitgibt. Natürlich muss man schon vor dem Gespräch dafür sorgen, dass der Chef die eigenen Leistungen auch wahrnimmt. Denn der Arbeitnehmer kann das Bild, das der Vorgesetzte von ihm hat, nicht in einem Gehaltsgespräch von einer Stunde korrigieren.

Was sind die häufigsten Fehler bei einer Gehaltsverhandlung?

Der häufigste Fehler ist, zu sehr aus der eigenen Perspektive zu argumentieren. Der Vorgesetzte will wissen, was er für einen Nutzen hat - nicht, was die Interessen des Mitarbeiters sind. Das ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Verhandlung.

Hartnäckigkeit führt zum Erfolg

Was ist Ihr Tipp, wenn der Chef den Mitarbeiter auf einen anderen Zeitpunkt vertröstet?

Wenn kein konkretes Ergebnis erzielt wird, muss man sich zumindest auf einen nächsten Termin einigen. Man muss standhaft bleiben. Denn wer sich zu schnell zurückzieht, steht am Ende mit dem niedrigeren Gehalt da. Und wer hartnäckig ist, setzt sich letztendlich auch durch.

Und wenn der Chef unter keinen Umständen einer Gehaltserhöhung zustimmt?

Wenn die Perspektive fehlt, hat man auch keine Motivation mehr. Dann muss man die Konsequenzen daraus ziehen.

Sie meinen die Kündigung?

Ja. Man muss die Bereitschaft haben, zur Not den Arbeitsplatz zu wechseln. Das gehört dazu. Ansonsten wird man nicht ernst genommen. Außerdem winken bei einer neuen Stelle oft 15 bis 25 Prozent mehr Gehalt. Das ist die Ungerechtigkeit an den Gehaltsstrukturen in Deutschland: Wer fleißig in seinem Berufsleben wechselt, hat irgendwann ein richtig gutes Gehalt. Wer aber seiner Firma treu bleibt, wird mit den Jahren groteskerweise schrecklich unterbezahlt.

Woran liegt das?

Die Initiative für das Gehalt wird bei dem Vorgesetzten und nicht bei den Mitarbeitern gesehen. Ich wünsche mir eine andere Führungskultur. Der Chef sollte überblicken, wer Besonderes leistet und auch danach entlohnen. Denn eine gerechte Bezahlung ist im Interesse der Firmen. Wenn ungerecht bezahlt wird, sind die guten Mitarbeiter irgendwann weg - sofern sie gute Alternativen haben.

Muss die Alternative immer eine Kündigung sein?

Nein. Wenn man sich beim Grundgehalt nicht einigen kann, sind auch Prämienmodelle vernünftige Lösungen. Leistungsabhängige Bestandteile werden generell immer wichtiger. In der heutigen Zeit kann man sich nicht mehr nur auf das Grundgehalt konzentrieren.

Persönlichen Nutzen im Kopf durchrechnen

Was muss der Arbeitnehmer beachten, wenn der Chef Aktienoptionen oder einen Dienstwagen vorschlägt?

Bei einem Aktienpaket muss man auf die Substanz des Unternehmens schauen. Der Vorteil ist, dass ein Mitarbeiter besser Bescheid weiß als alle anderen. Ein Insider hat ja Zugang zu Informationen, die Außenstehende nicht haben. Die Alternative eines Dienstwagens hingegen ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Da kommt es beispielsweise auf die Entfernung des Arbeitsplatzes zum Wohnort an. Zu einer guten Vorbereitung gehört es, sich auch über solche Dinge Gedanken zu machen und den persönlichen Nutzen im Kopf durchzurechnen.

Leistungsprämien sind aber im Gegensatz zu einer normalen Gehaltserhöhung nicht immer gesichert.

Natürlich ist der wesentliche Unterschied, dass man dem Arbeitnehmer eine Gehaltserhöhung nicht mehr wegnehmen kann. Eine Prämie hingegen kann von Jahr zu Jahr neu ausgehandelt werden. Das ist vielen zu riskant, was es aber nicht sein sollte. Denn wer wirklich viel leistet, kann auch Prämien nach oben verhandeln.

Wie verhält man sich gegenüber den Arbeitskollegen nach einer Gehaltserhöhung?

Der erfolgreiche Verhandler sollte verschwiegen mit seiner Gehaltserhöhung umgehen. Ansonsten fragen nach kurzer Zeit auch die anderen nach mehr Geld. Bei Cheftypen, die diese Befürchtung haben, kann auch das bei dem Gehaltsgespräch thematisiert werden.

In wenigen Sätzen: Wie bereitet man sich nun optimal auf den Gehaltspoker vor?

Zuerst informiert man sich über den eigenen Marktwert. Danach kann der Arbeitnehmer Forderungen und Ziele formulieren: Ein Maximalziel, ein Minimalziel und eine Alternative. Außerdem muss man die Gehaltserhöhung mit guten Argumenten begründen können.

Auf das Gespräch vorbereiten

Um sattelfest verhandeln zu können, sollte man sich zwei oder drei Tage auf das Gespräch vorbereiten. Den ersten Widerstand des Chefs darf man auf keinen Fall als Absage werten, sondern als Einladung zur Verhandlung. Denn das Spiel wird immer das Gleiche bleiben: Der eine setzt sich durch, der andere nicht.

Wer diese Punkte beachtet, hat am Ende des Tages gute Chancen auf ein höheres Gehalt.