Unternehmen ignorieren Milliardenbeträge

Wert der eigenen Software oft unbekannt

14.12.2007 von Nicolas Zeitler
Firmen bewerten ihre Software nicht zeitgemäß. Zwar lassen sie für immer mehr Geld Programme für den eigenen Bedarf entwickeln. Doch dass dadurch Wirtschaftsgüter von immensem Ausmaß entstehen, ignorieren viele Manager. Wissenschaftler der Wirtschaftshochschule Insead fordern in einer Studie für Microfocus ein Umdenken.
Von entscheidender Bedeutung, aber trotzdem zu oft vernachlässigt: Mehr als drei Viertel der Befragten IT- und Finanzverantwortlichen beurteilen die Bedeutung ihrer Software-Bestände für die Firmenstrategie als kritisch oder sehr kritisch.
Foto: Insead

Der Befragung unter IT- und Finanzverantwortlichen großer Firmen zufolge gelten die Software-Bestände in den meisten Fällen nur als Kostenfaktor, den es zu verringern gilt. Als Posten, aus dem sich finanzieller Gewinn generieren lässt, sehen dagegen nur wenige die eigens entwickelten Programme an. Ein Fehler, wie die Studienautoren meinen. Software-Bestände seien ebenso zu den immateriellen Werten in einem Unternehmen zu zählen wie etwa geistiges Eigentum.

Die derzeitige Denke vieler Manager ist demnach zudem inkonsequent, sind Computer-Programme doch mittlerweile zum Rückgrat von Firmen in den meisten Bereichen der Industrie avanciert. Das sehen auch die Befragten so. Mehr als drei Viertel geben an, dass ihre Software-Bestände entscheidend oder sogar sehr entscheidend für ihre Geschäftsstrategie seien (77 Prozent). Am häufigsten sehen das die Führungspersönlichkeiten in den USA so (86 Prozent), knapp dahinter rangieren die Deutschen (84 Prozent).

Um das Wissen über diesen offenbar bedeutenden Faktor für die Wertschöpfung ist es gleichwohl schlecht bestellt. Die meisten Manager wissen gar nicht, wie groß die Bestände an Programmen in ihrem Betrieb sind. Sechs von zehn CIOs und CFOs kennen den Wert nicht. Die Verantwortlichen in deutschen Firmen stechen hier positiv heraus. Hierzulande wissen fast zwei von drei Managern über den Wert der Unternehmens-Software Bescheid. Jenseits des großen Teichs haben davon 52 Prozent Kenntnis. Schlusslicht in dieser Frage sind die Briten. Nur gut jeder zehnte Verantwortliche nördlich des Ärmelkanals hat Überblick über die Software-Assets (zwölf Prozent).

Wie viel sie jedes Jahr für Software ausgeben, ist einem Drittel der Manager nicht bekannt. In Frankreich ist sogar mehr als die Hälfte darüber nicht informiert (56 Prozent), in Italien 44 Prozent. Und von denen, die die Ausgaben kennen, ist nur jeder Fünfte überzeugt, wirklich korrekt informiert zu sein.

Mehr als die Hälfte der Befragten ist der Ansicht, dass der korrekten Berechnung der Software-Bestände im Vergleich zu anderen immateriellen Werten zu wenig Beachtung geschenkt wird (56 Prozent). Am unzufriedensten in diesem Punkt sind die Italiener (74 Prozent), auch die US-Amerikaner bemängeln diesen Umstand überdurchschnittlich oft (58 Prozent).

Mangelndes Wissen verursacht Kommunikationsprobleme

Das mangelnde Wissen über die Software-Bestände führt dazu, dass die IT-Verantwortlichen zum Teil auch Probleme haben, deren Geschäftswert in die Vorstandsetagen zu kommunizieren. Als hervorragend beurteilt immerhin jeder Zehnte die Leistung seines Teams in dieser Hinsicht. Ein weiteres Viertel ist damit sehr zufrieden. Doch 17 Prozent der Manager sehen hier große Defizite. Den Studienautoren zufolge liegt dies zum Teil daran, dass die Kosten von Software nicht genau identifiziert werden können. Ursache ist ferner die Schwierigkeit, den finanziellen Nutzen von Computer-Programmen für das Geschäftsergebnis zu beziffern.

Diese Probleme rühren oft daher, dass der Geschäftswert von Software sich nicht nur aus einer Quelle ergibt. So tragen etwa zum Wert von Beständen an Informations-Software neben der darin steckenden Technologie auch die Mitarbeiter bei, die damit arbeiten. Diese Kombination macht es sehr schwierig, exakte Summen aufzustellen. Außerdem würde diese Aufgabe die Verantwortlichen viel Zeit kosten, die sie laut den Insead-Forschern oft nicht haben.

Conjoint-Analyse

Ein Standardverfahren zur Bestimmung des Wertes gibt es den Wissenschaftlern zufolge nicht. Allerdings verweisen sie auf drei Best Practices, die sich in den vergangenen Jahren durchgesetzt haben. Zum einen sollte bei neuen Software-Projekten soweit möglich der finanzielle Nutzen erhoben werden. Hierzu könnten Firmen zum Beispiel die dank der neuen Programme eingesparten Arbeitsstunden berechnen oder Veränderungen der Transaktionskosten erheben. An nicht-finanziellen Nutzwerten wird den Firmen empfohlen, etwa den Wiedererkennungswert ihrer Marke zu beobachten. Mit in die Bewertung einfließen sollte außerdem eine Risikoabschätzung des Software-Projekts.

Als viel versprechend für die Bemessung der Software-Assets könnte sich Insead zufolge die Conjoint-Analyse erweisen. Aus dem Blickwinkel dieser Methode ergibt sich der Gesamtwert eines Gutes aus dessen einzelnen Eigenschaften. Die Bedeutung dieser Eigenschaften wird zunächst unterschiedlich gewichtet. Im Anschluss werden mithilfe von Fragebögen Daten erhoben, die zuletzt statistisch ausgewertet werden müssen.

Die Studie "Recognising the True Value of Software Assets" hat die französische Wirtschaftshochschule Insead im Auftrag des Software-Herstellers Microfocus durchgeführt. Befragt wurden je 125 CIOs und CFOs (Chief Financial Officers) von Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Firmen haben Jahresumsätze von 100 Millionen bis mehr als eine Milliarde US-Dollar. Sie sind unter anderem in der Finanzdienstleistungsbranche, dem Handel und der Fertigung tätig.