ELEKTRONISCHE SIGNATUREN

Wettbewerbsvorteil durch Zeitgewinn

05.11.2001 von Jens Uehlecke
Elektronische Signaturen bringen mehr Sicherheit und Verbindlichkeit ins Internet. Wie Unternehmen davon in verschiedener Hinsicht profitieren können, zeigt das Beispiel der Firma SHWB. Der Mittelständler hofft jetzt auf weitere Signaturpartner.

WAS IST VIERECKIG, nur wenige Millimeter dick und aus Plastik? „Bei dieser Frage denkt wohl kaum jemand an eine Unterschrift“, sagt Alexander Staedtke, IT-Leiter bei SHWB im sächsisch-anhaltinischen Hecklingen. „Doch genau so sehen unsere neuen elektronischen Signaturen aus.“ In Deutschland sind die Autogramme aus Bits und Bytes, die auf telefonkartenähnlichen Chipkarten gespeichert werden, seit Anfang Mai rechtlich gleichgestellt mit herkömmlichen Unterschriften.

Elektronische Signaturen erlauben es Internet-Nutzern, digitale Dokumente fälschungssicher zu unterschreiben und durch Verschlüsselung vor Missbrauch zu schützen. Für Privatleute sind die neuen Signaturen wegen der hohen Anschaffungskosten für die erforderliche Technik allerdings noch relativ uninteressant. Immerhin schlägt ein Startpaket, bestehend aus Kartenleser und Signaturkarte, mit mindestens 120 Mark zu Buche; hinzu kommen noch einmal mindestens 40 Mark jährlich an Gebühren.

Für 10000 Mark Sicherheit

Für Unternehmen hingegen kann die digitale Signatur nicht nur nützlich, sondern – bei früher Einführung – sogar ein erheblicher Wettbewerbsvorteil sein. Das belegt das Beispiel SHWB. Das mittelständische Unternehmen betreibt im Auftrag von Kommunen in Deutschland und im Ausland Abwasserkanäle und Kläranlagen und erwirtschaftet mit rund zweihundert Mitarbeitern einen Jahresumsatz von vierzig Millionen Mark.

Bei Bedarf übernimmt die firmeninterne Consulting-Abteilung auch das Gebühren- und Beitrags-Management der Gemeinden in Sachen Abwasser. „Dazu müssen wir regelmäßig sensible Daten wie Kataster- oder Eigentümereinträge im Liegenschaftsbuch unserer Kunden austauschen“, sagt Staedtke. „Um das per E-Mail machen zu können und trotzdem die gesetzlichen Datenschutzvorgaben nicht zu verletzen, haben wir vor drei Monaten die elektronische Signatur zur Authentifizierung und Verschlüsselung von Dokumenten eingeführt.“

Die Vorteile für die Kunden liegen auf der Hand: „Wenn einzelne Entscheidungen früher Tage oder Wochen auf sich warten ließen, können sie heute oft in Stunden getroffen werden; das spart den Kommunen einen Haufen Geld“, weiß Staedtke. Denn die Gemeinden müssen Kredite aufnehmen, um neue Kläranlagen und Kanalsysteme zu finanzieren. Je früher sie die Gebührenentscheide erhalten und diese an ihre Kunden schicken können, desto weniger Zinsen fallen an. „Dieser Zeitvorsprung ist ein echter Wettbewerbsvorteil“, so Staedtke.

Rund 10000 Mark kostete die Einführung der digitalen Signatur bei SHWB. „Nicht berücksichtigt sind Schulungs- und Installationskosten“, erklärt Staedtke. Hinzu kommen rund 5000 bis 8000 Mark pro Jahr für die Trustcenter-Dienstleistungen. Das Trustcenter erzeugt die digitalen Schlüssel für die Signatur und gewährleistet ihre Echtheit. Sie sind auf Empfänger- und Absenderseite unterschiedlich, denn die digitale Signatur beruht auf einem Zwei-Schlüssel-System. Das Center erfüllt damit eine ähnliche Funktion wie eine Meldebehörde beim Ausstellen von Personalausweisen.

Zunächst bestellte SHWB bei der Berliner Firma BVMW-Secu-Online, einem Partner der Deutschen Telekom, rund 70 Chipkarten mit E-Unterschrift für die Mitarbeiter; dann kaufte man Tastaturen mit integrierten Lesegeräten, und zuletzt wurde die erforderliche Software („Secu-Business“ von BVMW-Secu-Online, „Smarty“ von Siemens) installiert.

„Secu-Business ermöglicht es uns, E-Mails nach den Vorgaben des neuen Signaturgesetzes zu unterschreiben und zu verschlüsseln“, erklärt Staedtke. Die Siemens-Software Smarty schließe darüber hinaus noch eine weitere Sicherheitslücke: „Zwar waren die Rechner unserer Mitarbeiter durch Passwortabfragen geschützt, doch das wurde auf Dauer immer unsicherer.“ Das Problem: Die Mitarbeiter schrieben ihre Passwörter auf Zettel und klebten diese an den Bildschirm oder die Tastatur. „Am Ende war nicht mehr zu kontrollieren, wer Zugang zu welchen Daten hat.“

Reibungslose Installation

Mit Smarty ersetzte das IT-Team bei SHWB die normale Anmeldeprozedur der Windows-2000-Rechner durch die automatisierte Abfrage von Signaturkarten. Wer nun auf seinen Rechner zugreifen möchte, muss zuerst seinen persönlichen Chipausweis in das Lesegerät stecken. Die Software stellt fest, welche Berechtigungen der Mitarbeiter besitzt und schaltet die entsprechenden Ressourcen frei. Staedtke: „Bei uns haben nicht alle Mitarbeiter die Möglichkeit, das Internet zu nutzen. Über die persönliche Signatur können wir das jetzt ohne Probleme steuern.“

Im Vergleich zum herkömmlichen Passwort ergibt sich noch ein weiterer Vorteil: Wer seinen Arbeitsplatz verlässt – und sei es nur, um auf die Toilette zu gehen –, muss laut Hausregel seine Signaturkarte mitnehmen. Der Computer wird dann in der Zwischenzeit in den Ruhemodus gesetzt; selbst Kollegen haben dann keinen Zugriff mehr.

„Die Installation der Kartenleser und der notwendigen Programme auf Servern und Workstations verlief völlig reibungslos“, erinnert sich Staedtke. Und weil alle Anwendungen mit dem „Look & Feel“ von Windows arbeiten und weitgehend selbsterklärend sind, konnten sich auch die Mitarbeiter innerhalb weniger Stunden auf die neue Situation einstellen. „Nur in zwei Fällen mussten wir neue Signaturkarten beantragen, weil die Kollegen sich ihre Karten durch eine falsche PIN-Eingabe gesperrt hatten.“

Bleibt für die SHWB lediglich ein Problem: Um die Vorteile der digitalen Signatur – etwa im Rechnungswesen – voll ausschöpfen zu können, muss das Unternehmen seine Kunden davon überzeugen, diese ebenfalls einzusetzen. Bis jetzt nutzen nur wenige Kunden das elektronische Autogramm im E-Mail-Verkehr. „Langfristig wird sich aber wohl die Mehrheit durch den Zeitvorteil überzeugen lassen“, glaubt Staedtke. „Für uns lohnt sich die Investition jedenfalls schon heute. Die digitale Signatur macht uns zu einem Pionier in unserer Branche – und verschafft uns dadurch einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz.“

Ein Kartenleser, eine persönliche PIN-geschützte Chipkarte und die entsprechende Software – das wird benötigt, um elektronische Dokumente signieren zu können. Ein Startpaket, das alle drei Komponenten enthält, kostet je nach Anbieter ab rund 120 Mark. Hinzu kommt ab dem zweiten Jahr eine jährliche Gebühr zwischen 40 und 70 Mark pro Karte. Wer darüber hinaus eine Software benötigt, die sich nahtlos an bestehende Bürosysteme anpassen lässt und nicht nur mit den Chipkarten eines Anbieters arbeitet, zahlt beispielsweise für das Paket „Secu-Online Business“ rund 170 Mark. Die Siemens-Software „Smarty“, die den PC-Zugang über die elektronische Unterschrift regelt, gibt es ab 90 Mark.

Chipkarten, die dem Signaturgesetz entsprechen, werden mittlerweile von etlichen Trustcentern ausgegeben, darunter die Deutsche Telekom, die Deutsche-Post-Tochter Signtrust und die Datev. Bis Jahresende soll die Zahl der Anbieter nach Schätzung der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post auf 15 bis 20 anwachsen.

Geringe Nachfrage

Obwohl bereits seit längerem propagiert, konnte sich die elektronische Signatur bisher nicht durchsetzen. Die meisten Unternehmen und Privatleute sehen derzeit keine Veranlassung für den Einsatz. „Die Killer-Applikation fehlt immer noch“, beklagen Verbandsexperten. Großunternehmen hätten bereits eigene Standards entwickelt, während der Nutzen für kleinere Firmen noch nicht erkennbar sei.

Immerhin bewegen sich die beiden verschiedenen Signatursysteme jetzt aufeinander zu. Im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erarbeiteten Trustcenter und Teletrust einen Standard. Der soll ab Herbst 2002 die Kompatibilität der Anwendungen gewährleisten. Informationen finden sich unter www.t7-isis.de/ISIS-MTT/isis-mtt.html.