Oursourcing-Neuland

Wichtige Unternehmensfunktionen richtig auslagern

22.10.2015 von Olaf Riedel
Unternehmen lagern derzeit immer häufiger auch Risikomanagement-, Controlling- und Compliance-Aktivitäten aus, um ihre Kosten zu reduzieren.

Unternehmen haben es mit ihren Finanz-, IT- und Personalbereichen vorgemacht: Mit Shared Service Centern (SSC) und Outsourcing können die Kosten um 30 bis 50 Prozent gesenkt werden. Gleichzeitig wird die Flexibilität des Dienstleistungsportfolios erweitert. Jetzt nehmen immer mehr Unternehmen auch ihre Risikomanagement-, Controlling- und Compliance-Aktivitäten ins Visier.

Ist die Entscheidung für "Outsourcing" einmal gefallen, heißt es für das Management, die Bereiche zu definieren, die einer neuen Organisation unterstellt werden sollen.
Foto: Rynio Productions - shutterstock.com

Zum Beispiel hat ein internationaler Software-Konzern seine Kontrollprozesse und Compliance-Aktivitäten outgesourct und dadurch die Kosten um rund 35 Prozent reduziert. Eine international aufgestellte Bank hat einen Millionen-Betrag eingespart, weil sie eine gemeinsame 40-köpfige Steuerungszentrale für den US-amerikanischen und europäischen Markt installiert hat.

Hinter der Übertragung der Geschäftsprozesse in ein zentralisiertes Geschäftsmodell steht die Idee, trotz gesättigter Märkte, Preisschwankungen, neuer technologischer Trends und gesetzlicher Vorschriften im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Gleichzeitig sollen Kosten dauerhaft reduziert werden, ohne das Risikomanagement zu vernachlässigen.

Die fünf Vorteile einer zentralisierten Geschäftsorganisation

Neben den deutlichen Kosteneinsparungen werden Veränderungen und Störungen mit Hilfe eines zentralisierten Geschäftsmodells schneller aufgefangen und Prozesse durch eine entsprechende IT-Unterstützung insgesamt transparenter. Der Einsatz lohnt sich, weil das Dienstleistungsportfolio insgesamt flexibler und die Skalierbarkeit verbessert wird. So werden die Auswirkungen von Akquisitionen, Zusammenschlüsse und Verkäufe besser sichtbar.

Zusammengefasst gewinnen Unternehmen Kapazitäten, sparen Geld, können flexibler auf Veränderungen am Markt reagieren und sich besser auf die Bedürfnisse ihrer Kunden konzentrieren, indem sie Routinearbeiten an externe Fachleute auslagern. Ein Handlungsfeld können beispielsweise die Compliance-Aktivitäten sein, denn die Einhaltung von Regeln - seien es gesetzliche Bestimmungen oder freiwillige ethische Standards - kann zentral sichergestellt werden.

SSC, Offshoring und Outsourcing auf einen Blick

  1. Das Geschäftsmodell Shared Services sieht eine unternehmenseigene zentrale Stelle vor, die mit den relevanten Abteilungen der Standorte zusammenarbeitet. Die entsprechenden Ressourcen und Kapazitäten werden vom Unternehmen selbst gestellt. Häufig entstehen so zentrale Koordinationsstellen für die Kontinente Europa, Asien und Amerika.

  2. Das Offshore-Modell beinhaltet hingegen eine externe Zentrale, auf die die Aktivitäten übertragen werden und die mit Hilfe geeigneter IT-Anwendungen unterstützend wirkt. Sie agiert unabhängig, ist jedoch vertraglich an das Unternehmen gebunden. Das Unternehmen ist es auch, das die Aktivitäten der Offshore-Einheit verantwortet.

  3. Ähnlich sieht das Hub-and-spoke-Outsourcing-Modell eine unabhängige externe Zentrale vor. Diese trägt im Unterschied die Verantwortung für ihre Aktivitäten jedoch selbst. Diese Einheit agiert getrennt von den lokalen Abteilungen und der Zentrale. Hochriskante Aktivitäten sind weiterhin zustimmungsbedürftig.

Die drei Geschäftsmodelle werden immer häufiger auch für Risikomanagement-, Controlling- und Compliance-Aktivitäten eingesetzt.
Foto: Ernst & Young

Unternehmen können diese Organisationsstrukturen individuell kombinieren und je nach Integrationsgrad, geografischen Begebenheiten, Mitarbeiterressourcen, Marktstabilität, Kostenkonstellationen und gesetzlichen Regelungen ausgestalten. Für welches Geschäftsmodell sich Organisationen letztendlich entscheiden, hängt immer von den jeweiligen Zielvorgaben und der Organisationsstruktur ab.

Es ist auch möglich, dass sie eine Kombination aus verschiedenen Modellen wählen. Insgesamt unterstützen diese Geschäftsmodelle die Unternehmen dabei, die am Markt geforderte Flexibilität zu realisieren.

In drei Schritten zum neuen Geschäftsmodell

  1. Möchte ein Unternehmen ein neues Geschäftsmodell implementieren, muss dieses mit der bestehenden Unternehmensstrategie abgestimmt sein. Ebenso muss eine langfristige Nutzungsstrategie der neuen Geschäftsorganisation erstellt und die Marktstabilität am Standort analysiert werden.

  2. In einem nächsten Schritt gilt es, die Umwandlung genau vorzubereiten. Hierzu gehören der Umgang mit der Verlagerung und geeigneter IT-Tools, die neue Konstellation der Zentrale, die getroffenen Service-Vereinbarungen und die veränderten Rollen und Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter. Veränderte Risiken, das Inflationsrisiko und geänderte Telekommunikationskosten müssen ebenfalls berücksichtigt werden.

    Das Unternehmen muss darüber hinaus über die zeitliche Implementierung entscheiden: Entweder können im sogenannten Shift-and-lift-Verfahren die Prozesse, Aktivitäten, Reporting und Technologien im Laufe der Zeit mit Hilfe des neuen Geschäftsmodells standardisiert werden. Der Übergang ist benutzerfreundlicher, demonstriert Entschlossenheit und hat eine höhere geschäftliche Akzeptanz. Allerdings ist die Produktivität beeinträchtigt und durch die langwierige und komplexe Umstellung ist die Belegschaft leichter ermüdet.
    Oder das neue Geschäftsmodell standardisiert mit dem Tag seiner Einführung im sogenannten Lift-and-shift-Verfahren alle Prozesse, Aktivitäten, Reporting und Technologien. Die Produktivität bleibt somit unverändert und der Einschnitt ins Altbekannte erfolgt nur einmal. Zu den Nachteilen gehört allerdings, dass das Einführungstempo als übereilt empfunden werden kann und die geschäftliche Akzeptanz aufgrund interner und externer Widerstände vorerst ausbleiben kann.

  3. Wird das Geschäftsmodell schließlich eingeführt, muss eine entsprechende Anlaufzeit für einen Wissenstransfer oder mögliche technische Herausforderungen eingeplant werden. Weitere Probleme können auftreten, wenn verschiedene Abteilungen unterschiedliche Zielsetzungen mit der Umwandlung verfolgen. Daher ist eine ausführliche Aufklärung über Ziele sowie über die Aktivitäten und deren Verortung im Unternehmen unabdingbar.

So wechseln CIOs den Outsourcing-Partner
So wechseln CIOs den Outsourcing-Partner
Bei Unzufriedenheit unbedacht den Dienstleister zu wechseln ist gefährlich. Zu prüfen sind unter anderem Laufzeit, Folgekosten und Optionen wie Multisourcing.
1. Die Gründe für das Outsourcing nochmals überprüfen:
"Rufen Sie sich die Gründe dafür zurück, warum Sie sich ursprünglich zum Auslagern entschieden haben", rät Edward J. Hansen von der Anwaltskanzlei Baker & McKenzie. Wenn diese Gründe immer noch gelten, reicht es, sich einen neuen Dienstleister zu suchen. Falls nicht, muss die ganze Strategie überdacht werden - und das Unternehmen entschließt sich möglicherweise zum Insourcing.
2. An die Vertragslaufzeiten denken:
Wer den Anbieter wechseln will, tut das am besten, wenn das bisherige Abkommen ausläuft. Die Zusammenarbeit während der Laufzeit zu beenden, ist nur in dringenden Fällen ratsam.
3. Den Vertrag genau studieren:
Es kann Streit ums Geld geben, wenn ein Vertrag vorzeitig beendet werden soll. Schon aus diesem Grund muss der bestehende Vertrag genauestens unter die Lupe genommen werden. Wer geschickt ist, baut in künftige Abkommen ein, in welcher Weise ein Dienstleister den Kunden bei einem Provider-Wechsel unterstützen muss.
4. Wiederverhandeln kann sinnvoller sein als Aussteigen:
Ein Anbieterwechsel kann sich kompliziert gestalten. Wer das vermeiden will, sollte den bestehenden Vertrag lieber neu verhandeln. Entscheider müssen die eigenen Motive für den Wunsch nach einem Wechsel überprüfen.
5. Den bestehenden Dienstleister durchleuchten:
Dieser Punkt knüpft an den vorhergehenden an. Wenn der Grund für den Wechsel-Wunsch darin liegt, dass der Dienstleister schlechte Qualität liefert, muss sich auch der Kunde nach den Gründen dafür fragen. Ein offenes Gespräch kann in Neu-Verhandlungen statt im Wechsel enden.
6. Es wird Ärger mit dem Faktor Mensch geben:
Wenn Mitarbeiter des neuen Dienstleisters ins eigene Unternehmen kommen, kann es zu zwischenmenschlichen Reibereien kommen. Das darf nicht unterschätzt werden.
7. Beim Wechsel mit unproblematischeren Teilen beginnen:
Rechenzentrum-Services oder Disaster Recovery bieten sich als Erstes an, wenn der Dienstleister gewechselt werden soll. Generell gilt: Nicht mit dem Kompliziertesten anfangen!
8. Die Kosten eines Wechsels kalkulieren:
Wer durch den Wechsel des Anbieters Kosten senken will, muss bedenken, dass die Neu-Organisation des Outsourcings selbst auch Geld kostet. Diese Ausgaben müssen gegen mögliche Einsparungen abgewogen werden.
9. Multisourcing als Alternative:
Wer das bisherige Abkommen auflösen will, zielt meist auf Multisourcing ab, statt sich wieder für einen einzigen Anbieter zu entscheiden. Das ist zumindest die Beobachtung von Jeffrey Andrews (Anwaltskanzlei Thompson & Knight). Entscheider sollten sich des damit verbundenen Zeitaufwandes bewusst sein.
10. Aus den eigenen bisherigen Fehlern lernen:
Das vielleicht Wichtigste ist, die eigenen Erfahrungen festzuhalten, um beim nächsten Mal daraus zu lernen.

Monitoring und Reporting eignen sich besonders gut

Bevor Unternehmen ein zentralisiertes Geschäftsmodell etablieren, müssen sie zunächst überprüfen, welche Funktionen ausgegliedert beziehungsweise beibehalten werden sollen. Dabei sind auch Aspekte der Ordnungsmäßigkeit zu beachten. Hinweise hierzu gibt der neue Entwurf des Instituts der Wirtschaftsprüfer zu den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung bei Auslagerung von rechnungsrelevanten Dienstleistungen einschließlich Cloud Computing (IDW ERS FAIT 5).

Laut der Studie von Ernst & Young eignen sich prinzipiell vor allem standardisierte und häufig wiederkehrende Prozesse wie Monitoring- oder Reporting-Aktivitäten, die mit einer gewissen Routine bearbeitet werden können, indem beispielsweise vordefinierte Kriterien den Risikograd festlegen. Ein möglicher Einsatzort der Auslagerung kann das Risikomanagement sein, das mit Hilfe einer systematischen Analyse, Bewertung und Kontrolle Risiken transparent macht. Die Beaufsichtigung von Risiken sowie strategische und operative Anforderungen sollten hingegen Angelegenheit der Geschäftsleitung oder spezieller Prüfungsausschüsse bleiben.