Lizenzerlöse statt Innovationen

Wie Deutschland bei 5G seine Zukunftsfähigkeit aufs Spiel setzt

12.11.2018 von Manfred Bremmer
Mit dem Wechsel auf 5G steht im Mobilfunk der nächste wichtige Technologiesprung an. So soll der LTE-Nachfolger die Entwicklung innovativer Dienste und Anwendungen (Industrie 4.0, Autonomes Fahren, Internet der Dinge) fördern. Experten warnen davor, dass Deutschland bei Fehlern in der Einführung seine Zukunftsfähigkeit verspielen könnte.

Bald ist es wieder soweit: Nachdem die technischen Fragen für die Umsetzung des neuen Mobilfunkstandards 5G weitestgehend geklärt sind, steht als nächster Schritt in Deutschland für Frühjahr 2019 die Versteigerung geeigneter Funkfrequenzen an. Mitte September hat die Bundesnetzagentur (BNetzA) dazu einen Entwurf vorgelegt, wie die Auktion der Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz ablaufen soll. Das zumindest in Teilen veröffentlichte Papier umfasst auch Regelungen zu der Versorgungsauflage, den Diensteanbietern und zum Nationalen Roaming.

Ein gut ausgebautes 5G-Netz ist die Voraussetzung für zahlreiche innovative Dienste und Anwendungen, z. B. im Smart-City-Umfeld
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Laxe Ausbauverpflichtungen für die Carrier

Da die Versteigerung einen zweistelligen Milliarden-Betrag in die Staatskasse spülen soll, fallen die Auflagen für die Carrier vergleichsweise lax aus. So ist etwa das Ziel der Frequenzvergabe laut BNetzA nicht die flächendeckende Versorgung (bei den hohen Frequenzbereichen sogar fast verständlich), sondern die mittelfristige (bis 2022) Abdeckung von Autobahnen und Bundestraßen mit einer Bandbreite von 100 Mbit/s. Dazu wird jeder Anbieter verpflichtet, bis Ende 2022 mindestens 500 Stationen zusätzlich aufzubauen. Bis dahin müssen die Bieter außerdem mindestens 98 Prozent der Haushalte mit mindestens 100 Mbit/s versorgen.

Entgegenkommen gegenüber den Carriern zeigte die BNetzA auch, was das im Vorfeld stark diskutierte Thema Nationales Roaming betrifft. Es sei rechtlich nicht möglich, die Unternehmen zu verpflichten, Dritte aufs Netz zu lassen und die Preise zu diktieren, so Präsident Jochen Homann in einer Stellungnahme. Die Carrier könnten jedoch in unterversorgten Gebieten Ko-operationen eingehen, um auf diese Weise Kosten zu sparen.

"Die Fehler der Vergangenheit werden wiederholt"

Kein Wunder also, dass es für das nun für Deutschland anstehende Verfahren heftige Kritik hagelt, insbesondere wegen der geringen Auflagen an die Carrier, was den Aufbau der Infrastruktur betrifft. So vertreten etwa Dr. Nico Grove, CEO des Instituts für Infrastrukturökonomie & Management (IEM), und Thomas R. Köhler, Geschäftsführer der Technologieberatung CE21, die Auffassung, dass mit der nun anstehenden neuen Frequenzauktion die Fehler der Vergangenheit wiederholt werden. So habe der Staat im Jahr 2000 bei der UMTS-Frequenzversteigerung (3G) mehr als 50 Milliarden Euro erlöst, die den Providern anschließend beim Netzausbau gefehlt hätten.

Das Resultat, so Grove im Gespräch mit der Computerwoche: "Seit dem Start von UMTS hinken wir in Deutschland hinterher. Alle Mobilfunkprovider bauen nur das Notwendigste aus und selbst wichtige Bundesstraßen sind vielfach auf weiten Strecken unversorgt, denn Funklöcher sind auch im aktuellen Netz der 4. Generation (4G) an der Tagesordnung."

EU will Europa als führende 5G-Region etablieren

Sein Kollege Köhler weist außerdem darauf hin, dass der jetzige Vorschlag in dieser Form ganz und gar nicht den Vorstellungen der EU entspreche. Diese habe nämlich schon früh und proaktiv beschlossen, Europa zur weltweit führenden 5G-Region zu etablieren, um so an die Erfolge des europäischen Exportschlager GSM anzuknüpfen, erklärte Grove. In Folge seien notwendige Frequenzen festgelegt und entsprechende Mittel in Milliardenhöhe bereitgestellt worden. "Doch während EU selbst und andere Mitgliedstaaten am großen Rad drehen und es aktiv in Schwung bringen, wird in Deutschland im Detail geklärt, gejammert und massiv gebremst", so Köhler.

"Zögerlicher 5G-Ausbau bremst Innovationen"

Das Problem aus Sicht der beiden Experten: Selbst wenn sich mit 5G zunächst einmal wenig gegenüber LTE ändere, insbesondere für Privatanwender, blockiere man mit dem zu befürchtenden zögerlichen Rollout wichtige Investitionen in Innovationen. "Keine Netze und die Industrie wandert ab", bringt es Köhler auf den Punkt. So habe BMW beispielsweise den Schwerpunkt für Tests beim autonomen Fahren nach Süd-Korea verlagert, wo die Netzbetreiber in der kürzlich stattgefundenen 5G-Vergabe kaum etwas für die Frequenzen bezahlen mussten. "Weitere Konzerne werden folgen, wenn wir nicht unser Handeln überdenken", warnt Köhler.

Empfehlung: Verbindliche Vorgaben für die Meistbietenden

Die Empfehlung der beiden Experten: Um eine flächendeckende 5G-Versorgung sicherzustellen (Ausbauverpflichtung), müsse es verbindliche Vorgaben für die Meistbietenden der 5G-Auktion hinsichtlich Netzabdeckung und Investitionsvolumen geben. Gleichzeitig sollte der Staat die Rahmenbedingungen schaffen, um neue und bestehende Mobilfunkstandorte schnell und unbürokratisch mit Glasfaser zu erschließen, insbesondere entlang von Bahnlinien, Autobahnen und anderen Verkehrswegen.

Grove und Köhler weisen weiterhin darauf hin, dass derzeit noch Frequenzen belegt werden, die man sinnvoller mit 5G nutzen könnte. Ein anderer Punkt, der bei der Versteigerung gar nicht zur Sprache gekommen sei, wäre die Möglichkeit, dass sich die Mobilfunkanbieter zur besseren Flächenabdeckung Frequenzen teilen könnten.

Die finale Entscheidung, wie die Auktion der Frequenzen in den Bereichen 2 GHz und 3,6 GHz ablaufen soll, will der Beirat der Bundesnetzagentur am 26. November treffen.