Outsourcing mit HP und T-Systems

Wie E.ON IT-Services einkauft

22.10.2012 von Karin Quack
Wenn zwei sich streiten, gewinnt am Ende der Kunde. Nach diesem Prinzip hat E.ON die Verantwortung für seine ausgelagerten IT-Services organisiert.
E.ON-CIO Edgar Aschenbrenner (links) und T-Systems-Geschäftsführer Hagen Rickmann im Gespräch mit CW-Redakteurin Karin Quack.
Foto: Norbert Ittermann

Der Energieriese E.ON hat vor zwei Jahren begonnen, sich strategisch neu auszurichten - unter anderem auf das Geschäft außerhalb Europas, zum Beispiel in Brasilien. Damit veränderte sich auch der Auftrag an die IT, so Edgar Aschenbrenner, CIO des Konzerns. Ein Übriges habe die Veränderung der politischen und technologischen Rahmenbedingungen getan: die Energiewende im Verein mit einer "rasant zunehmenden Digitalisierung", wie sie zum Beispiel das Smart Metering symbolisiere.

Die IT des E.ON-Konzerns begleitete diese Entwicklungen, indem sie Aufgaben, die sie nicht zum Kerngeschäft rechnet, ausgelagert hat. "Wir wollten damit eine flexible, schlagkräftige und kostengünstige Konzern-IT schaffen", erläutert Aschenbrenner.

Vier IT-Bereiche

Die IT ist bei E.ON als konzernweite Shared-Service-Funktion organisiert. Sie setzt sich genau genommen aus vier Bereichen zusammen:

Aschenbrenner geht es eigenen Angaben zufolge um einen "gesunden Sourcing-Mix". Hinter diesem Schlagwort steht eine durchaus eigenständige Strategie.

Dreimal Infrastruktur-Services

Der Bereich Infrastruktur-Services, in dem die meisten Services fremdbezogen werden, setzt sich bei E.ON aus drei Schichten zusammen:

E.ON-CIO Edgar Aschenbrenner hat Communication & Collaboration als eigenes Servicepaket definiert.
Foto: Norbert Ittermann

Warum der CIO den letztgenannten Bereich aus dem Data Center ausgegliedert hat, begründet er mit der wachsenden Bedeutung von Kommunikation und Zusammenarbeit für den Unternehmenserfolg.

Die Pakete "Managed Workplace" und "Managed Data Center" hat E.ON an Hewlett-Packard ausgelagert. Vorausgegangen war eine EU-weite Ausschreibungs- und Verhandlungsphase auf Basis vorab festgelegter Vergabekriterien, so Aschenbrenner.

Den dritten Bereich, kurz C&C genannt, hat E.ON an T-Systems übergeben. Dort ist naturgemäß die Affinität zu den Themen Netze und Telefonie recht groß. Aber es geht um mehr als Telefonieren und Datenübertragung, wie Hagen Rickmann, Mitglied der T-Systems-Geschäftsführung, erläutert. Bestandteile des Abkommens seien das Ende-zu-Ende-Management der E-Mail- und Instant-Messaging-Lösungen, das Web- und Audio-Conferencing sowie die standardisierte Kommunikation über Microsoft Lync. "Diese Technologien wachsen zusammen und schaffen neuen Nutzen", so Rickmann, "das ist für T-Systems hochattraktiv, zumal wir uns so als Partner für die Energiewirtschaft aufstellen - beispielsweise als Enabler für das Smart Metering."

Abgrenzungsprobleme delegiert

Dass der Energiedienstleister nicht unter etwaigen Abgrenzungsproblemen leidet, dafür hat Aschenbrenner jedenfalls gesorgt. In der Präambel des 5000 Seiten umfassenden Vertrags wurde schwarz auf weiß festgelegt, dass HP und T-Systems gemeinsam mit E.ON die Verantwortung für den Erfolg der Auslagerung tragen.

Für die Koordination des operativen Geschäfts ist HP als "Service-Integrator" verantwortlich, aber "alle Beteiligten sind lang genug im Geschäft, um gelernt zu haben, dass sich Finger-Pointing am Ende rächt", sagt Aschenbrenner. Die Services seien ausführlich und konkret beschrieben. Die Anbieter berichteten regelmäßig die entscheidenden Kennzahlen wie Betrieb, Performance und Kundenzufriedenheit. Wenn eine der Ampeln rot zeige, müssten alle daran arbeiten, sie wieder auf grün zu stellen.

Fünf Jahre plus zwei

T-Systems-Geschäftsführer Hagen Rickmann: "Die ersten zwei Jahre sind die Investment-Phase."
Foto: Norbert Ittermann

Fünf Jahre ist die vereinbarte Vertragslaufzeit - mit der Option auf eine zweijährige Verlängerung. "Tendenziell werden die Laufzeiten der Serviceverträge kürzer", weiß auch Aschenbrenner, "das ermöglicht maximale Flexibilität - aber der Partner sollte auch eine Chance haben, auf seine Kosten zu kommen und eine Perspektive für seine Mitarbeiter zu schaffen."

Immerhin hat T-Systems mit den diversen Serviceaufgaben auch 200 E.ON-Mitarbeiter übernommen. "Die ersten zwei Jahre sind die Investment-Phase", präzisiert Rickmann aus der Anbietersicht, "danach erst wird geerntet." Insofern habe T-Systems auch ein großes Interesse an der zweijährigen Verlängerung: "Wir wollen Zusatzgeschäft und langfristige Beziehungen. Aber wir wissen auch, dass wir dafür jeden Tag Innovationen liefern müssen." Wenn jemand alte Technologien auslagern wolle, sei T-Systems nicht der richtige Partner.

Ausdrücklich lobt Rickmann die sorgfältige Vorbereitung und die "vorbildliche" Governance durch E.ON. Beispielsweise habe der Kunde "Gott sei Dank" eingefordert, dass sich spätestens alle sechs Wochen das "Geschäftsführungsteam" zusammensetzt und den Projektverlauf reflektiert.

Nicht ohne Stolz ergänzt Aschenbrenner: "Wir haben eine dedizierte Infrastruktur an die Partner übergeben, auf die wir viel Sorgfalt verwendet haben. Eine Flurbereinigung in der Landwirtschaft funktioniert ja auch nicht, indem man mal eben über das Gelände fährt."

Ab 2014 wird richtig profitiert

Die ersten Gespräche zwischen E.ON und T-Systems fanden bereits Anfang 2010 statt. Nach den Verhandlungen, die sich über ein Jahr hinzogen, und der sechsmonatigen Transition-Phase befinden sich die beiden Partner seit April im "TransForward"-Prozess. Diese Umgestaltung der Infrastruktur ist auf zwei Jahre angelegt. Danach bleiben mindestens drei Jahre regulärer Vertragslaufzeit, in der E.ON von den verringerten Betriebskosten profitieren kann. Die angepeilten Einsparungen bewegen sich laut Aschenbrenner "im zweistelligen Millionenbereich". Konkrete Zahlen will der CIO allerdings nicht nennen - auch mit Rücksicht auf den Partner.

Wie Aschenbrenner beteuert, strebt E.ON eine Win-win-Situation an: "Wir wollten weder ein überteuertes Angebot noch einen gekauften Deal." Im Übrigen räume der Vertrag den Partnern genug Flexibilität ein, um sowohl zusätzliche Einsparungen gerecht zu verteilen als auch eventuell auf-tretende Probleme beheben zu können.

Nächstes Thema: Cloud-Übergang

Ein Thema, das in den derzeitigen Verträgen noch nicht geregelt ist, aber früher oder später angegangen werden soll, ist der - teilweise - Übergang des C&C-Betriebs in die Cloud. Aschenbrenner sieht durchaus Möglichkeiten, Cloud-Services zu nutzen, anstatt für jeden Collaboration-Server separat zu zahlen.

Das bestätigt auch Rickmann: "In Spanien etwa gibt es nur wenige SAP-Arbeitsplätze; da wäre schon zu fragen, ob man die nicht aus der Cloud beziehen könnte." Er jedenfalls sei in dieser Hinsicht diskussionsbereit. (Computerwoche)