Internet-Stellenbörsen

Wie Job-Suchende im Web gefunden werden

11.01.2010 von Karsten Langer
Das Bewerbungsgeschäft hat sich fast vollständig ins Internet verlagert. Für Job-Suchende geht es darum, gefunden zu werden. Aber auch Personalabteilungen müssen sich mehr Gedanken beim Suchen machen. Mit dem Recruitingspezialisten Tim Weitzel sprach das manager magazin über Selbstpräsentation und neue Bewerbungsstrategien.

Welche Wege sollten Absolventen heute beschreiten, um im Web ihren Traumjob zu finden?

Tim Weitzel ist Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Bamberg und Autor der Studie Recruiting-Trends 2010.
Foto: Tim Weitzel

Weitzel: Heute ist es nicht nur wichtig, intelligent zu suchen, sondern es geht vor allem darum, intelligent gefunden zu werden. Als Erstes sollte ein aussagekräftiger Lebenslauf in den einschlägigen Kanälen im Web eingestellt werden. Ein Großteil der Kandidaten bewirbt sich unterdessen passiv. Die stellen ihren Lebenslauf bei den einschlägigen Webseiten ein und warten, dass sich die Unternehmen bei ihnen melden. Viele machen das, um ihren Marktwert anzutesten und zu ermitteln, was potenzielle Arbeitgeber zu zahlen bereit sind.

Worauf muss man bei dieser Strategie achten?

Weitzel: Wichtig ist, dass der Absolvent sich so beschreibt wie der, der ihn sucht. Das fängt bei Banalitäten an. Wer etwa Rechtschreibfehler macht, wird nicht gefunden, weil er durch das Suchraster fällt.

Das sind Basics. Worauf sollte man im Detail achten?

Weitzel: Es geht darum, Alleinstellungsmerkmale klar zu umreißen. Wichtig ist, dass sich Kandidaten so darstellen, dass der potenzielle Arbeitgeber den echten Mehrwert für sein Unternehmen sieht. Die Bewerber sollten sich geschickt als Problemlöser darstellen.

Sind Initiativbewebungen sinnvoll?

Der Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de.
Foto: manager-magazin.de

Weitzel: Nein, absolut nicht. BMW etwa bekommt 100.000 Bewerbungen im Jahr, stellt aber nur 1000 Leute ein. Da hilft es nicht, dass man sich meldet, ohne dass es eine Stellenausschreibung gibt. Wenn man dagegen auf eine Ausschreibung reagiert, gibt man den Unternehmen die Gelegenheit, das Bewerberprofil einzuordnen, auch wenn der Job anderweitig besetzt wird. Dann landet der Bewerber im internen Kandidatenpool.

Und dort versauert er dann?

Weitzel: Mitnichten. Große Unternehmen kümmern sich unterdessen um potenzielle Mitarbeiter, wenn sie ein interessantes Profil haben. Man versucht also, die Kandidaten an sich zu binden, reagiert auf E-Mails, meldet sich, bietet andere Jobs an und so weiter.

Mittelstand: Sieben Tipps für Aufsteiger
1. Verantwortung
Spaß an einer breiten Aufgabe und alleinigen Entscheidungen.
3. Internationales Know-how
Meist ist der Mittelstand wesentlich auslandsorientierter als etliche große Unternehmen.
6. Robustheit
Führungskräfte packen auch jenseits des Schreibtischs mit an.

Ist es klüger, eine handschriftliche Bewerbung einzuschicken, oder sollte man sich der automatischen Formularbewerbung auf der Unternehmenswebseite bedienen?

Weitzel: Die Formularbewerbung ist wesentlich wichtiger. Das Unternehmen generiert mit dieser Bewebung strukturierte Daten - genau das, was man braucht, um eine freie Stelle adäquat zu besetzen. Die Formularbewerbung ist so aufgebaut, dass Kandidaten gefunden werden - was für den Bewerber den Vorteil hat, dass er sofort mit der Bewerbung gute Chancen hat, einen Job zu bekommen.

"Die Formularbewerbung ist auf dem Vormarsch"

Wie hat sich das Recruiting-Verhalten großer Unternehmen in Deutschland in den vergangenen Jahren verändert?

Weitzel: Das gesamte Bewerbungsgeschäft hat sich ins Internet verlagert. Der Großteil aller Stellenausschreibungen wird im Web veröffentlicht: 90 Prozent auf den Unternehmensseiten, 60 Prozent auf Internetstellenbörsen und nur noch knapp 20 Prozent aller Stellen in Printmedien.

Also hat das Internet den gesamten Bewerbungsprozess verändert?

Weitzel: Auf jeden Fall. Unternehmen, die eine Onlineanzeige schalten, haben eine viel größere Reichweite zu wesentlich geringeren Kosten. Auf der anderen Seite können Kandidaten ihren Lebenslauf gratis ins Netz stellen. Außerdem hat sich die Form der Bewerbungen signifikant verändert. Unterdessen ist die standardisierte Formularbewerbung auf dem Vormarsch.

Mit welchen Folgen?

Weitzel: Die Personalexperten in den Unternehmen können ihre Zeit auf das Wesentliche ihres Jobs konzentrieren: Passende Kandidaten für eine offene Stelle finden. Auf Datenbasis der Formularbewerbungen fällt es viel einfacher, etwa für zehn offene Stellen dreißig passende Bewerber zum Gespräch einzuladen. Vorher mussten erst einmal Hunderte Bewerbungsmappen gesichtet werden, um die passenden Kandidaten zu finden.

Kann die Online-Bewerbung das Auswahlgespräch ersetzen?

Weitzel: Nein, auf keinen Fall. Mit den Internetkanälen können Unternehmen aber zwei Ziele erreichen: Zum einen kann die Zahl der Bewerber erhöht werden und zum anderen eine bessere Qualität der Bewerber erzielt werden.

Wie funktioniert das genau?

Weitzel: Früher hat man gedacht, dass das Gehalt der wesentliche Aspekt für gute Kandidaten war, um sich für einen Job zu entscheiden. Heute weiß man, dass es durchaus andere Kriterien gibt, die ausschlaggebend sind - zum Beispiel Weiterbildungsmöglichkeiten, Entscheidungsfreiheit und Internationalität. Da haben Kandidaten je nach Branche sehr unterschiedliche Erwartungen. Unterdessen versuchen die Arbeitgeber potenziellen Mitarbeitern zu vermitteln, dass auch diese Aspekte berücksichtigt werden.

"Angler müssen wissen, welchen Fisch sie fangen wollen"

Wie genau sollte man bei der Onlinejobsuche vorgehen?

Weitzel: Der Suchprozess der Bewerber sollte heute zweistufig sein. Erst einmal sollte man sich eine Longlist mit möglichen Arbeitgebern zusammenstellen. Auf den einschlägigen Webjobbörsen kann man schnell herausfinden, wer gerade einen Job anbietet, der den eigenen Anforderungen entspricht. Dann sollte man eine Shortlist mit zehn oder zwanzig Unternehmen zusammenstellen und dann auf den Unternehmensseiten nachsehen, was genau gefordert und was genau geboten wird.

Unterscheiden sich die Stellenanzeigen in den Jobbörsen und die auf den Webseiten der Unternehmen?

Weitzel: Die Unternehmen lernen zunehmend, dass eine zielgruppenangepasste Ansprache der Kandidaten wichtig ist. Das bedeutet, Informationen und Informationskanäle an den Kandidaten auszurichten. So ist die Stellenbörse der dominierende Informationskanal für die erste Suchphase der Kandidaten, wenn nach allgemeineren Informationen gesucht wird, zum Beispiel Unternehmen, Vakanz und Anforderungen. Zum Erstellen der Shortlist greifen Bewerber dann mehr auf Unternehmenswebsites zurück, um Informationen beispielsweise zu konkreteren Einsatzgebieten, Arbeitsumfeld, Internationalität oder persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten zu suchen.

Spielen Printmedien keine Rolle mehr?

Weitzel: Das ist branchen- und stellenabhängig. Insgesamt ist für 72 Prozent der Kandidaten die Internetstellenbörse der wichtigste Informationskanal, gefolgt von der Unternehmenswebsite mit 37 Prozent. Dagegen nutzen nur noch 35 Prozent regelmäßig Printmedien zur Informationssuche über Arbeitgeber.

Der Trick mit dem Eisenbahnblog

Reicht es also, wenn ein Unternehmen Anzeigen auf Stellenbörsen und der Website veröffentlicht?

Weitzel: Trotz der Reichweite, die das Internet bietet, sind viele Stellen schwer besetzbar. Hier können Web-2.0-Möglichkeiten geschickt komplementär genutzt werden. So hat etwa Siemens jahrelang nach einem Signaltechniker gesucht und keinen gefunden. Dann hat man herausgefunden, dass Signaltechniker Modelleisenbahnen lieben. Mit diesem Zielgruppenwissen hat man im größten Märklin-Blog Deutschlands gepostet, das man einen Signaltechniker sucht - und innerhalb von wenigen Tagen war die Stelle besetzt. Man sieht hier, dass die Anforderungen nicht nur an Kandidaten, sondern auch an den Recruiter 2.0 wachsen.

Können Unternehmen denn dies alles noch beherrschen?

Weitzel: Die Unternehmen haben gelernt, dass man eine Rekrutierungsstrategie zielgruppenorientiert aufbauen muss. Das ist wie bei Anglern: Die müssen auch wissen, welchen Fisch sie fangen wollen, welchen Köder der mag, wo er sich versteckt und wie man sich ihm nähert. Die Anforderungen an die Personaler sind gewachsen und es ist daher häufig sinnvoll, auf externe Dienstleister zurückzugreifen. Onlinejobbörsen bieten inzwischen genau diese Dienstleistung an. Neben der Anzeige auf der Webseite positioniert man weitere Anzeigen in zielgruppenspezifischen Netzwerken. Außerdem werden Komplettlösungen für den gesamten Rekrutierungsprozess angeboten.

Bedeutet die Übermacht des Internets das Ende persönlicher Netzwerke?

Weitzel: Auf keinen Fall. Wenn ein Mitarbeiter etwa mit einem Freund über eine freie Stelle spricht, dann bekommt der ein realistisches Bild vom Unternehmen und auch davon, ob das ein Job für ihn wäre. Kluge Unternehmen nutzen längst die Netzwerke ihrer Mitarbeiter, um geeignetes Personal zu rekrutieren. Microsoft Deutschland etwa generiert fast alle neuen Mitarbeiter über Mitarbeiterempfehlungen oder soziale Netzwerke.