E-Government

Wie KI in der öffentlichen Verwaltung gelingt

10.09.2019 von Marc Reinhardt
Behörden werden als Schlusslicht der Digitalisierung gesehen. Mit diesen 5 Empfehlungen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz lässt sich das ändern.
Die Bundesagentur für Arbeit beispielsweise nutzt KI-Anwendungen, um die Qualität ihrer Code-Zeilen zu prüfen.
Foto: nitpicker - shutterstock.com

In mancher Hinsicht ähneln sich öffentliche Hand und Privatwirtschaft: Hier wie dort wird von der IT eine schnellere und präzisere Abwicklung von Aufgaben und Prozessen bei gleichbleibenden Kosten gefordert. Zudem agieren Bürger in ihrer Rolle als Kunden der öffentlichen Verwaltungen ähnlich wie in ihrer Rolle als Konsument der Privatwirtschaft - mit deutlich gestiegenen Ansprüchen an Dienstleistungen und Verwaltungsprozesse. Der vorherrschende Fachkräftemangel macht die Erfüllung dieser Anforderungen nicht leichter. Künstliche Intelligenz (KI) kann in diesem Zusammenhang auch im verwaltungsspezifischen Kontext vieles leisten: Mitarbeiter bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen, zur Qualitätssicherung beitragen und das gesamte Verwaltungssystem entlasten.

Folgende Empfehlungen an IT-Entscheider im öffentlichen Bereich helfen, mit KI-Einsatz einen effektiven Mehrwert zu erzielen:

1. Das Vertrauen in KI fördern

Fehlende Akzeptanz der Bevölkerung ist ein zentraler Grund der verhindert, dass Verwaltungsakte vollautomatisiert von lernenden Algorithmen durchgeführt werden. Vielen Bürgern scheint es kaum vorstellbar, und manchen noch nicht einmal zulässig, dass Verwaltungsentscheidungen von KI übernommen werden. Um dieses Hemmnis aus dem Weg zu räumen reicht es nicht, wiederholt die enormen Potenziale von KI zu betonen. Eine klare Aufschlüsselung, wo und wie Künstliche Intelligenz im Verwaltungsbereich eingesetzt werden kann, schafft einen ersten Ansatzpunkt für mehr Vertrauen.

Zugleich sollten Verwaltungen Konzepte für eine eigene "Corporate Digital Responsibility" definieren und ausgestalten. Darin können zum Beispiel mögliche gesellschaftliche Auswirkungen ihrer digitalen Dienstleistungen perspektivisch thematisiert werden. Dazu gehört, bereits im Vorfeld sicherzustellen, dass Verwaltungsentscheidungen nicht auf einer verzerrten Datengrundlage beruhen und Bürger benachteiligen.

2. Eine KI-Governance aufsetzen

IT-Entscheidern in der Verwaltung fällt nicht nur eine gestaltende Rolle bei der Umsetzung der Digitalagenda zu. Sie müssen auch die notwendigen Impulse geben, die dafür sorgen, dass rechtliche Grundlagen angepasst werden. Eine gut durchdachte KI-Governance kann beispielsweise als Basis für zukünftige Gesetzgebungen dienen, die den digitalen Wandel und das Gemeinwohl bestmöglich in Einklang bringen.

3. Strukturen aufbauen

Im nächsten Schritt gilt es dann, die notwendigen Strukturen und Prozesse in der Verwaltung vorzubereiten und zu implementieren. Das bedeutet etwa, dass eingesetzte IT-Systeme eine zuverlässige Einbindung von KI-Lösungen ermöglichen. Neben den technischen Voraussetzungen ist auch die Belegschaft als wesentlicher Faktor zu berücksichtigen.

Mit den richtigen Weiterbildungen werden Verwaltungsmitarbeiter zum Beispiel darin ausgebildet, das Leistungsvermögen und die Auswirkungen von KI-Systemen zu beurteilen. Nur so kann sich KI für konkrete Vorgänge als effektiv und profitabel erweisen. Denn Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter ist zentraler Bestandteil jeder Transformation. Wie wichtig die Sensibilisierung für und die strategische Implementierung von KI auch unter ethischen Gesichtspunkten ist, zeigt die Studie "Ethik bei Künstlicher Intelligenz entscheidend für Vertrauen in Unternehmen" von Capgemini.

6 Wege zum KI-Fail
1. Datenmangel
Datenprobleme gehören zu den häufigsten Gründen für das Scheitern von Artificial-Intelligence-Initiativen. Das belegt auch eine Studie des Beratungsunternehmens McKinsey, die zu dem Schluss kommt, dass die beiden größten Herausforderungen für den KI-Erfolg mit Daten in Zusammenhang stehen. <br /><br /> Demnach haben viele Unternehmen einerseits Probleme damit, ihre Daten richtig einzuordnen, um die Machine-Learning-Algorithmen korrekt programmieren zu können. Wenn Daten nicht richtig kategorisiert werden, müssen sie manuell richtig klassifiziert werden – was oft zu zeitlichen Engpässen und einer erhöhten Fehlerrate führt. Andererseits stehen viele Unternehmen vor dem Problem, nicht die richtigen Daten für das anvisierte KI-Projekt zur Verfügung haben.
2. Training, das ins Leere läuft
Laut einer Untersuchung von PricewaterhouseCoopers verfügt mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen über keinen formalen Prozess für das vorurteilsfreie Training von KI-Systemen. Schlimmer noch: Nur 25 Prozent der befragten Unternehmen würden demnach die ethischen Implikationen eines Artificial-Intelligence-Systems vor der Implementierung priorisieren. <br /><br /> Unternehmen steht eine Vielzahl von Bilddaten-Sets zu Trainingszwecken zur Verfügung – sowohl auf kostenloser als auch auf kommerzieller Basis. Dabei sollten Firmen allerdings unbedingt darauf achten, dass ein solches Datenset auch die für ihre Zwecke relevanten Daten enthält.
3. Problemfall Datenintegration
In manchen Fällen ist nicht Datenmangel die wesentliche Hürde für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, sondern das genaue Gegenteil: zu viele Daten – an zu vielen Orten. <br /><br /> Solche Datenintegrations-Fauxpas können sich nachhaltig negativ auswirken. Dabei geht es nicht in erster Linie um technische Hürden, sondern beispielsweise darum, Compliance- und Datenschutzanforderungen gerecht zu werden.
4. Datenunterschiede
Wenn Unternehmen für das Training von Artificial-Intelligence-Systemen nicht auf aktive, transaktionale sondern auf historische Daten zurückgreifen, entstehen Probleme. Denn ein System, das auf Grundlage eines historischen Snapshots trainiert wurde, wird im Zusammenspiel mit Echzeit-Daten nicht besonders zuverlässig performen. <br /><br /> Nach Ansicht von Andreas Braun, Managing Director und Partner bei der Boston Consulting Group, können Sie diese Problemstellung vermeiden, indem Sie Ihre Data Scientists aus dem Silo holen: Insbesondere wenn es um KI-Modelle geht, die mit Live-Daten arbeiten, bietet sich eine direkte Integration in die Produktionsumgebung an – diese geht im Regelfall auch wesentlich schneller vonstatten.
5. Unstrukturierte Daten
Laut einer aktuellen Umfrage von Deloitte verlassen sich 62 Prozent der Unternehmen immer noch auf Spreadsheets – nur 18 Prozent profitieren bereits von unstrukturierten Daten wie Produktbilder, Audiodateien von Kunden oder Social-Media-Kommentare. Dazu kommt, dass viele der historischen Datensätze in Unternehmen den für den KI-Einsatz nötigen Kontext vermissen lassen. <br /><br /> Dabei kommt das Beratungsunternehmen auch zu der Erkenntnis, dass Unternehmen, die unstrukturierte Daten nutzen, ihre Geschäftsziele im Schnitt um 24 Prozent übertreffen konnten.
6. Kulturelle Mangelerscheinungen
Daten außen vorgelassen, sind es vor allem organisatorische Herausforderungen, die dem Erfolg mit Künstlicher Intelligenz entgegenstehen. Die Mitarbeiter aus den Fachbereichen müssen direkt mit den Kollegen aus der Technik zusammenarbeiten und der übergeordnete Kontext sollte dabei stets im Fokus stehen.

4. KI als "Vorprüfer" in der Verwaltung nutzen

Da KI-Systeme auf Basis bestehender Daten und Algorithmen selbstständig lernen, sind sie auch in unbekannten Situationen von großem Nutzen. Angewandt auf Verwaltungsprozesse heißt dies, dass KI als eine Art "Vorprüfer" den Mitarbeitern zur Seite stehen kann. Insbesondere sogenannte "gebundene Entscheidungen" oder "gebundene Verwaltungsakte" sind für eine Automatisierung mittels KI geeignet, da sie einem eindeutigen und vorgeschriebenen Prüfprozess folgen.

Dafür gibt es keinen Ermessensspielraum und Behörden sind verpflichtet, die festgeschriebene Rechtsfolge einzuhalten. Künstliche Intelligenz kann beispielsweise während der Durchführung eines Verwaltungsaktes Wahrscheinlichkeiten überprüfen. Künftig könnte KI zudem eingesetzt werden, um voraussichtliche Auswirkungen getroffener Entscheidungen zu simulieren.

5. Bestehende Prozesse mit KI optimieren

Die Leistungsfähigkeit von Künstlicher Intelligenz wird meist im Kontext neuer Geschäftsmodelle und bahnbrechender Erkenntnisse genannt. Doch KI spielt ihre Stärken auch auf weniger glamourösen, aber ertragreichen Feldern aus: Antragsprüfungen und andere bereits standarisierte Routineaufgaben benötigen weit weniger Ressourcen, wenn sie von KI ausgeführt werden. Die Belegschaft wird entsprechend entlastet.

Ein anderes Beispiel ist die Software-Analyse. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) nutzt KI-Anwendungen zur Qualitätssicherung in Code-Zeilen und somit zur Qualitätssicherung von Verwaltungsaufgaben. Jährlich führt die Behörde Millionen von Transaktionen mit einem Volumen von mehreren Milliarden Euro aus, die durch Code-Fehler massiv behindert werden können. Diese Fehler ließen sich zuvor nur mühsam und manuell im produktiven Betrieb feststellen. Jetzt analysiert ein Machine-Learning-Tool noch bevor die Software ausgeführt wird 800.000 Code-Zeilen anhand von Mustern. Unregelmäßigkeiten werden daher bereits entdeckt, bevor Fehler entstehen.

Fazit

Der öffentlichen Verwaltung fällt eine besondere Rolle zu: Sie kann eine Vorbildfunktion in der Nutzung von KI einnehmen und zugleich helfen, den gesetzlichen Rahmen dafür festzulegen. Behörden und Verwaltungen sind in der Lage, deutlich mehr für das Vertrauen der Bürger in die Technologie zu tun, als es den meisten Unternehmen möglich wäre. Die dabei gewonnen Erfahrungen können zudem genutzt werden, um die Politik darin zu beraten, den gesetzlichen Rahmen passgenau umzusetzen.

Eine am Gemeinwohl ausgerichtete KI-Governance muss sich daher im klar umrissenen KI-Einsatz in der Verwaltung widerspiegeln. Wenn so Effizienz und Qualität der eigenen Prozesse im Sinne der Bürger steigen, schafft dies Vertrauen und ist zugleich die Legitimation, weitere vergleichbare Rahmenbedingungen für Gesellschaft und Wirtschaft zu konzipieren.