Veränderungsmanagement

Wie Neurowissenschaft beim Change hilft

07.09.2017 von Sue Webster und Florian Maier
Die digitale Transformation eines Unternehmens ist alles andere als ein triviales Unterfangen. Wir zeigen Ihnen fünf Wege, wie die Neurowissenschaft zum erfolgreichen Change beitragen kann.

David Whiteing, CIO der traditionsreichen Commonwealth Bank of Australia sprach im letzten Jahr auf einer Veranstaltung eine Warnung an seine Kollegen aus: "Wenn Ihre Transformationspläne Ihnen keine Angst machen, sind sie nicht wagemutig genug und Sie werden hinter der Konkurrenz zurückfallen."

Change Management: So kann die Neurowissenschaft zur erfolgreichen Unternehmenstransformation beitragen.
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Was er dabei nicht erwähnte: Wagemutige Change-Pläne und die Kraft des menschlichen Gehirns sind untrennbar miteinander verbunden. Oder sollten es zumindest sein. Die Neurowissenschaft kann Einblicke in Emotionen, Aufmerksamkeitsspannen, Verhaltensweisen, Kreativität, Intuition und Belastbarkeit geben. Wir haben fünf Tipps für Sie zusammengefasst, die Veränderungsmanager beherzigen sollten, um einen "gehirnfreundlichen" Change herbeizuführen.

1. Nutzen Sie die Kraft der Belohnung

Bedrohungen und Belohnungen werden vom präfrontalen Cortex verarbeitet. Wenn wir Veränderungen erleben, schaltet unser Gehirn automatisch in den Bedrohungsmodus. Change Manager sollten also die möglichen Bedrohungen und/oder Risiken bedenken, die jedes Projekt hervorrufen könnte.

Am besten starten Sie, indem Sie herausfinden, welche Aspekte Ihre Mitarbeiter als bedrohlich wahrnehmen und "überschreiben" diese mentalen Stolpersteine mit etwas Positivem. Konzentrieren Sie sich dabei auf Dinge, die für das Team von Bedeutung sind und bauen Sie um diese Dinge eine Belohnungssystem auf. Das hilft Ihren Mitarbeitern dabei, in der Phase der Veränderung miteinander verbunden und zufrieden zu bleiben. Um dieses Element Ihrer Change-Strategie auszuformen, sollten Sie grundlegende Fragen stellen:

Digitalisierung: 8 Tipps für das Change Management und den Rollout
Wie Sie Mitarbeiter für die digitale Transformation begeistern
Die Analysten von IDC geben Tipps, wie die Digtialisierungsstrategie von CDO und CIO in kurz-, mittel- und langfristigen Schritten geplant werden sollte. Der Fokus richtet sich dabei auf den Faktor Mensch, denn nur mit motivierten Mitarbeitern wird die digitale Transformation ein Erfolg.
Tipp 1: Prozesse überprüfen
Schritt 1 - kurzfristige Maßnahmen: Durchleuchten Sie die aktuellen Digitalisierungsinitiativen. In welchem Maß erfordern diese Projekte Veränderungen an den organisatorischen Abläufen, den Arbeitsprozessen und der Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen?
Tipp 2: Bedenken der Mitarbeiter sondieren
Schritt 2 - kurzfristige Maßnahmen: Besprechen Sie gemeinsam mit den Abteilungsleitern, welche Bedenken die Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen haben könnten.
Tipp 3: Sorgen der Mitarbeiter adressieren
Schritt 3 - kurzfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie die möglichen Sorgen der Mitarbeiter hinsichtlich der Veränderungen durch Kommunikationsmaßnahmen angesprochen werden können.
Tipp 4: Fokusgruppen bilden
Schritt 1 - mittelfristige Maßnahmen: Führen Sie für künftige Digitalisierungsinitiativen, die organisatorische Veränderungen zur Folge haben, Fokusgruppen oder Interviews mit Mitarbeitern ein, um deren Bedenken kennenzulernen.
Tipp 5: Kommunikationsstratiegie ausarbeiten
Schritt 2 - mittelfristige Maßnahmen: Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie die interne Kommunikation für künftige Rollouts eine Kommunikationsstrategie gestalten kann, um diese Bedenken zu adressieren.
Tipp 6: Mitarbeiter motivieren
Schritt 3 - mittelfristige Maßnahmen: Überlegen Sie, wie Sie durch die Einbindung der Mitarbeiter in den Planungsprozess deren Engagement im Vorfeld des Rollouts gewinnen können.
Tipp 7: Mitarbeiter schulen
Schritt 1 - langfristige Maßnahmen (12 bis 24 Monate): Bauen Sie ein gutes Verhältnis zur internen Kommunikation und zur Personalabteilung auf. Prüfen Sie die Möglichkeiten, wie diese Abteilungen mit Kommunikation und Mitarbeitertraining die menschliche Komponente der digitalen Transformation flankieren können.
Tipp 8: Budget prüfen
Schritt 2 - langfristige Maßnahmen: Identifizieren Sie mögliche Auswirkungen dieser menschlichen Komponente innerhalb der digitalen Transformation auf das Budget. Suchen Sie Unterstützung bei der Rechtfertigung zusätzlicher Mittel, um die Akzeptanz der Mitarbeiter im Rahmen eines Digitalisierungsprojekts effektiv sicherzustellen.

2. Erzeugen Sie ein "growth mindset"

Change und Wachstum hängen ebenfalls untrennbar miteinander zusammen. Das Problem dabei: Von Natur aus widerstrebt Veränderung der menschlichen Natur. Die allermeisten Menschen ziehen den Status Quo dem Wechsel ins Unbekannte vor.

Ein "growth mindset" zu erzeugen, kann nicht nur überraschend große Früchte tragen, sondern auch Spaß machen - wenn es richtig umgesetzt wird. Carol Dweck ist Professorin für Psychologie an der Stanford University und hat die Theorie entwickelt, dass der Change deutlich leichter fällt, wenn er als Chance gesehen wird: "Die Existenz eines Mindsets ist es, die die Erfolgreichen vom Rest unterscheidet."

Aber wie sorgt man dafür, dass das Team ein solches Mindset auch verinnerlicht? Indem Sie es dabei unterstützen, die Veränderungen zu verinnerlichen, sich dem Veränderungsprozess nicht zu verschließen und - indem Sie den Change personalisieren: Denn wenn sich etwas persönlich anfühlt, stehen die Chancen gut, dass es verinnerlicht wird.

Es ist an den Change Managern, in dieser Hinsicht möglichst unnachgiebig zu bleiben: Helfen Sie dem Team dabei, über funktionierende - und nicht funktionierende - Strategien zu reflektieren und fragen Sie, welche Wachstumschancen aus den Erkenntnissen gewonnen werden können.

3. Stärken Sie Verbindungen

Die Auswirkungen des Veränderungsmanagements auf das menschliche Individuum werden oft unterschätzt - insbesondere die emotionale Seite des Change-Prozesses. Es ist ein menschliches Bedürfnis, sich insbesondere im Zuge großer Veränderungen miteinander zu vernetzen. Die Neurowissenschaft lehrt uns, dass zu einem wirkungsvollen Veränderungsprozess der Aufbau von Beziehungen und der kommunikative Austausch gehören. Hier einige Tipps, wie Sie das umsetzen:

Fehler in Change-Projekten
Projektmanagement
Gegen Change-Projekte regt sich in Unternehmen häufig Widerstand, weil neue Techniken und Verfahren für die Belegschaft oft eine Veränderung der Arbeitsabläufe bedeuten. Um die Projektziele zu erreichen, ist es deshalb um so wichtiger, folgende Fehler zu vermeiden und im Zuge eines guten Projektmanagements die genannten Tipps zu beherzigen.
Widerstand gegen Change-Projekte wird unterschätzt
Bei vielen Mitarbeitern regt sich Widerstand, wenn sie mit Veränderungen ihrer Arbeitsprozesse konfrontiert werden.<br><br> Tipp: Analysieren Sie im Vorfeld welche Auswirkungen das Change-Projekt auf die Arbeitsinhalte und Mitarbeiter hat und wer besonders betroffen ist.
Veränderungen und deren Ziele werden nicht ausreichend kommuniziert
Viele Unternehmen versäumen es, ihren Mitarbeitern die Wechselvorhaben präzisse zu erläitern.<br><br> Tipp: Begründen Sie die Notwendigkeit der Veränderung möglichst bildhaft und nennen sie konkrete Beispiele.
Mitarbeitern wird ein schlechtes Gefühl vermittelt
Der Veränderungsdruck in Change-Projekten erzeugt bei den Mitarbeitern oft den Eindruck, dass die bisherige Arbeitsweise schlecht war. Die Folge: Demotivation.<br><br> Tipp: Erzeugen Sie bei der Belegschaft ein "Wir-Gefühl" für das Erreichen der Projektziele.
Guter Projektplan und professionelles Projektmanagement fehlen
Unternehmen investieren häufig zu wenig Zeit und Energie in die Planung von Change-Projekten.<br><br> Tipp: Brechen Sie Change-Projekte nicht überhastet vom Zaun und wählen Sie erfahrene Projektmanager aus.
Zu wenig positive Veränderungsenergie
Zwei Drittel der Belegschaft - die sogenannten "Fence-Sitter" - stehen Projekten anfangs unentschlossen gegenüber und verzögern die Projektenergie.<br><br> Tipp: Konzentrieren Sie Führungsarbeit und Change-Kommunikation nicht auf die "Projektgegner", sondern auf die "Fence-Sitter", um sie für das Projekt zu begeistern.
Wenig Unterstützung für Führungskräfte und Projektmanager
Change-Projekte gelingen nur, wenn die Führungskräfte selbst hinter den Veränderungen stehen und eine angemessene Unterstützung erfahren.<br><br> Tipp: Achten Sie als Topmanager und/oder Projektverantwortlicher darauf, die Führungskräfte auf der operativen Ebene als Mitstreiter zu gewinnen.
Die Mitarbeiter erfahren zu wenig Unterstützung
Gewohnte Routinen werden durch Change-Projekte oft obsolet. Das heißt: Die Verunsicherung des Mitarbeiters steigt, und seine Leistung sinkt.<br><br> Tipp: Führen Sie Mitarbeitergespräche und nehmen Sie sich ausreichend Zeit dafür. Geben Sie den Mitarbeitern Zeit für den Umstellungsprozess.
Konflikte werden negiert und unter den Tisch gekehrt
Veränderungsprozesse beschwören häufig Verunsicherung und Kompetenzprobleme herauf, die ein großes Konfliktpotenzial bergen.<br><br> Tipp: Machen Sie den Mitarbeitern klar, dass in Change-Prozessen nie alles wie geschmiert läuft. Entschärfen Sie das Konfliktpotenzial durch Gespräche.
Zielabweichungen werden zu spät erkannt und korrigiert
Gescheiterte Projekte zeigen, dass Unternehmen nicht rechtzeitig reagiert haben, wenn während des Projekts etwas aus dem Ruder gelaufen ist.<br><br> Tipp: Machen Sie klar, dass sachlich begründete Bedenken und mögliche Fehlentwicklungen thematisiert werden können und bei solchen Projekten nie alles glattgeht.
Das Topmanagement sitzt im Elfenbeinturm
Es kommt nicht gut an, wenn das Topmanagement Change-Projekte zwar verkündet, sich anschließend aber nicht mehr darum kümmert.<br><br> Tipp: Zeigen Sie Präsenz im Projekt. Zum Beispiel, indem Sie regelmäßig den Kontakt mit Mitarbeitern auf der operativen Ebene suchen und sich bei ihnen erkundigen: Wie läuft das Projekt? Was braucht Ihr zur Unterstützung?
Teilerfolge werden nicht kommuniziert und gefeiert
Viele Unternehmen vergessen im Zuge des Projekts, Teilerfolge zu kommunizieren. Bei den Beteiligten kann deshalb bisweilen der Eindruck entstehen, dass nichts vorangeht. <br><br> Tipp: Betreiben Sie Projekt-Monitoring - um Zielabweichungen früh zu erkennen und Teileerfolge verkünden zu können.

4. Setzen Sie "gehirnfreundliche" Ziele

Der Schlüssel zum erfolgreichen Change liegt im menschlichen Verhalten: Unser Gehirn mag Gewohnheiten und Routine. Um neue Gewohnheiten zu entwickeln, ist eine Menge Aufwand nötig.

An dieser Stelle kann die Formulierung und Definition von Zielen helfen. Für die "Neuverkabelung" unseres Gehirns sollten die Ziele ausreichend definiert sein. Darüber hinaus muss eine Zielerreichung einfach zu erkennen und auch einfach zu messen und nachvollziehbar sein. Ein guter Change Manager sollte die Ziele bei jeder Gelegenheit in den Veränderungsprozess integrieren, um den Übergang so reibungslos wie möglich zu gestalten.

5. Neues lieber scheibchenweise

Jede Lernerfahrung (und jeder Change erfordert auch neue Lernprozesse) erfordert sensorische und kognitive Fähigkeiten. Wir müssen neue Konzepte erst verstehen, sie dann für unseren Berufsalltag übersetzen und die neuen Prozesse in Erinnerung behalten - unser Gehirn wird in solchen Fällen auf vielen unterschiedlichen Ebenen gefordert.

Setzen Sie deshalb beim Erlernen neuer Abläufe auf "Portionierung": Brechen Sie die Lerneinheiten auf kleinere Sessions herunter - die sich idealerweise über einen längeren Zeitraum strecken. Wenn der Change Schulungen oder Weiterbildungsprogramme erfordert, denken Sie daran, dass die Lernenden von Wiederholungen und Anwendungen in der Praxis profitieren. Eine rein passive Vermittlung - etwa durch das Lesen von Lehrmaterial - ist hingegen nicht zu empfehlen.

Auf diese Art und Weise zu lernen hilft unserem Gehirn, neue neurale Netzwerke auszubilden, die unabdinglich sind, wenn der Change verinnerlicht werden soll. Einige Tage fokussiertes Lernen und die Anwendung dieses Wissens in der Praxis befeuern bereits die Synapsen. Und aus Erfahrung wissen wir schließlich alle: Übung macht den Meister.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer Schwesterpublikation CIO Australia.

11 Tipps für besseres Change Management
Klar definieren, wer jetzt was zu tun hat
Mit dem Change geraten Zuständigkeiten und Rollen ins Fließen. Von Tag Eins an muss jeder Mitarbeiter wissen, was er jetzt im Moment zu tun hat. Bis sich das ändert und eine neue Ansage kommt.
Die Aufgaben nur skizzieren
Wer seine Mitarbeiter mitgestalten lässt, erreicht mehr. Deshalb ist es ratsam, eine grobe Skizze des Veränderungsprojektes zu zeichnen und das Team Vorschläge zur Ausarbeitung machen zu lassen, als einen schon komplett ausgereiften Plan zu präsentieren.
Die Team-Perspektive einnehmen
Wie betrifft der Change die Team-Mitglieder, was bedeutet die Initiative aus ihrer Sicht – wer diese Perspektive einnimmt, hat die Mitarbeiter auf seiner Seite.
Erfahrungen teilen
Erfahrungen teilen: Soweit möglich, sollten Mitarbeiter an konkreten Aktivitäten wie etwa Besuchen beim Kunden teilnehmen. Je näher sie den Change miterleben, umso besser.
Fragen zulassen
Fragen, die aus dem Team kommen, dürfen nie als Widerstand gelten. Ganz im Gegenteil. Ein Chef, der Fragen zulässt und sie beantwortet, kann schneller Teilverantwortungen an die Mitarbeiter übertragen.
Die Wirtschaftlichkeit darstellen
Neben viel Kommunikation mit dem Team geht es auch darum, Metriken und Kennzahlen für das Veränderungsprojekt zu entwickeln und diese deutlich zu machen.
Wissen, wo der Fokus ist
Innerhalb eines Changes ist viel Kleinteiliges zu klären und zu organisieren. Der Fokus darf darüber nicht vergessen werden. Regelmäßige Treffen müssen sich immer wieder auf diesen Fokus beziehen, eindeutige Metriken müssen deutlich machen, wo das Team gerade steht.
Teilziele updaten
Nicht jeder Meilenstein wird so zu erreichen sein wie ursprünglich geplant. Es ist daher wichtig, gemeinsam mit dem Team Teilziele regelmäßig auf den aktuellen Stand zu bringen.
Sich abstimmen
Gemeinsame Kalender für das Veränderungsprojekt und gemeinsam entwickelte Guidelines, die die Prioritäten festlegen: Das sind gute Wege, um die Arbeit der einzelnen Team-Mitglieder immer wieder aufeinander abzustimmen.
Commitment organisieren
Wer übernimmt die Verantwortung wofür und wie regelt das Team, dass diese Verantwortlichkeiten auch konkret ausgeführt werden? Solche Fragen sind gemeinsam zu klären. Die einzelnen Mitarbeiter müssen wissen, welchen Teil sie übernehmen, und sie müssen konkret formulieren können, was sie dafür von ihrem Chef brauchen.
Den Change in seine Geschichte einbinden
Das Team muss wissen, an welche früheren Punkte im Unternehmen der jetzige Change anknüpft und welche zukünftige Richtung sich damit abzeichnet.