Mythos Teamwork

Wie Sie ein Dream-Team bilden

20.08.2015 von Berhard Kuntz
Keine andere Arbeitsform wurde in den vergangenen Jahren so stark propagiert wie die Teamarbeit. Doch die Praxis zeigt, dass Teamwork kein Allheilmittel ist. Bis ein Team samt Leader funktioniert, vergeht viel Zeit.
  • Teamarbeit ist oft nur ein Lippenbekenntnis.
  • Jedes Team braucht einen Leader.
  • Teams müssen einen Selbstfindungsprozess durchlaufen.

Welche Mitarbeiter in Unternehmen müssen "teamfähig" sein? Wenn man den Stellenanzeigen glaubt, dann fast alle. Der inflationäre Gebrauch des Begriffs Team hat laut Aussagen des Management-Beraters Albrecht Müllerschön aus Starzeln unter anderem folgenden Grund: Die Arbeitsstrukturen haben sich gewandelt. "Heute wird in den meisten Betrieben bereichs- und funktionsübergreifender gearbeitet als vor zehn Jahren", konstatiert er. "Die Aufgaben werden nicht mehr in so viele Teilaufgaben zerlegt, die Einzelpersonen zugewiesen werden. Vielmehr sollen mehrere Mitarbeiter diese gemeinsam lösen."

Teamarbeit bewährt sich vor allem, wenn harte Nüsse zu knacken sind.
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Leerformel Teamarbeit

In manch Unternehmen ist das "Ja" zur Teamarbeit jedoch nur ein Lippenbekenntnis. Dieser Auffassung ist der Unternehmensberater Georg Kraus aus Bruchsal: "In vielen Branchen und Unternehmensbereichen besteht zwar ein objektiver Zwang zu mehr Gruppen- und Teamarbeit. Trotzdem wird in den meisten Organisationen Verantwortung immer noch fast ausschließlich Individuen übertragen." Gleichwohl propagieren die Personalverantwortlichen stolz: Wir praktizieren Teamarbeit. Fragt man dann aber nach, was Teamarbeit bedeutet, hört man oft nur Worthülsen.

"Der Begriff Teamarbeit hat sich zu einer Leerformel entwickelt", kritisiert Michael Schwartz, Inhaber des ilea-Instituts, Esslingen. "In manchen Unternehmen wird jede Form der Kooperation als Teamarbeit bezeichnet; andere verstehen darunter eine hochspezialisierte Form der Zusammenarbeit, bei der mehrere Experten gemeinsam komplexe Aufgaben lösen." Entsprechend schwer lassen sich Team-, Gruppen- und Projektarbeit voneinander abgrenzen.

Lernen von den Weltmeistern
Berater Hans-Peter Machwürth,...
.... Geschäftsführer der Unternehmensberatung Machwürth Team International, zieht einige Schlüsse aus der Teamleistung der deutschen Nationalmannschaft während der WM 2014 in Brasilien.
Hunger und Gier nach Erfolg.
Wer Herausragendes leisten möchte, muss hungrig auf den Erfolg sein – denn der erfordert meist auch, zuweilen an die Schmerzgrenze zu gehen. Das war bei der deutschen Mannschaft der Fall. Anders war dies beim spanischen Team, das weitgehend aus Spielern bestand, die schon einmal die Welt- und die Euromeisterschaft gewonnen hatten. Es war satt. Entsprechend statisch und lethargisch war seine Spielweise.
Zufriedene Ergänzungsspieler
Es war bei der WM immer wieder begeisternd zu sehen, wie gutgelaunt auch solche Spieler wie Roman Weidenfeller und Lukas Podolski waren, obwohl sie bei den Spielen entweder die ganze oder meiste Zeit auf der Ersatzbank saßen. Von Missgunst oder Neid keine Spur. Vielmehr hatte man nach dem Filiale den Eindruck: Sie freuen sich ebenso über den WM-Titel wie die Spieler, die die Hauptprotagonisten des Erfolgs waren. Auch das war ein zentraler Erfolgsfaktor. Und das war vielleicht die größte Leistung der Führungskraft Jogi Löw, da Grabenkämpfe das Team schnell hätten auseinander brechen lassen.

Viele Einzelkämpfer sind kein Team

"Eine Gruppe ist eine Ansammlung von Individuen. Ein Team hingegen zeichnet sich durch eine gemeinsame Kultur aus", wagt Schwartz eine erste Begriffsklärung. Ähnlich äußert sich Kraus: "Ein Team entsteht erst im Verlauf eines längeren Teambildungsprozesses. In ihm ist das Gerangel um Kompetenzen und Positionen abgeschlossen." Eher pragmatisch kommentiert Werner Ollechowitz, Bereichsleiter Personal bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall: "Die Diskussion, ob man eine Arbeitsform nun Gruppen- oder Teamarbeit nennt, ist eine akademische. Für den betrieblichen Alltag ist wichtig, dass die Personalverantwortlichen die gewünschte Form der Zusammenarbeit genau definieren und hierfür die Rahmenbedingungen schaffen."

Was macht ein Team aus? Einig sind sich die Experten: Ein Team braucht ein Ziel. Sonst ist es nicht arbeitsfähig. Für Müllerschön sind weitere Faktoren wichtig. Die Rollen und Aufgaben der einzelnen Teammitglieder sollten genau definiert sein. Außerdem sollte ein Zeitrahmen für das Erfüllen der Aufgabe vorgegeben sein. Zudem braucht ein Team Regeln für die Zusammenarbeit.

Jedes Team braucht einen Leader

Einig sind sich die Befragten auch: Ein Team braucht einen Leader. Er muss die Teamarbeit steuern und koordinieren und die Mitglieder integrieren. Der Teamleiter muss aber nicht das "disziplinarisch hierarchiehöchste Teammitglied sein", betont Kraus. Im Idealfall schält er sich erst im Laufe des Teamfindungsprozesses heraus. Er wird also nicht von außen ernannt.

Was erfolgreiche Leader auszeichnet
7. Lern- und Entwicklungsbereitschaft
Aus Erfahrungen lernen; herausfordernde Situationen annehmen und darin liegende Chancen ergreifen; Feedback über die eigene Wirkung einholen und verarbeiten, zukunftsorientiert handeln; Pioniergeist entwickeln; Förderung von Talenten und Entwicklung von Mitarbeitern durch Toleranz bei Fehlern; Unterstützung bei Schwierigkeiten (Coaching), aber Konsequenz bei mangelnder Leistungsbereitschaft.
6. Emotionale Stabilität:
Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten; in Stresssituationen gelassen und verlässlich bleiben; eigene und fremde Gefühle verstehen und darauf eingehen können; mit Enttäuschungen umgehen können und dabei handlungsfähig bleiben; angemessenes Konfliktlöseverhalten zeigen.
5. Erfolgreiches Beziehungsmanagement:
Ein überzeugendes Auftreten und offenes Zugehen auf andere; die Fähigkeit, Beziehungen kooperativ zu gestalten und Schnittstellen förderlich zu entwickeln; die Fähigkeit, Netzwerke zu knüpfen und mit heterogenen Interessen umzugehen; die Fähigkeit, sich wirksam im sozialen Organisationsgefüge zu bewegen.
4. Fähigkeit, Sinn zu bilden und Verhalten zu bewirken:
Sinn stiften und Verständnis erzeugen; glaubwürdig und authentisch kommunizieren; Leistungsbereitschaft mobilisieren; ermutigend auf andere wirken; Gespür für die Wirkkräfte im Organisationsgefüge und Erkennen der entscheidenden Hebelkräfte; klare Verantwortungen und transparente Aufgabenstrukturen schaffen, um andere erfolgreich zu machen.
3. Unternehmerische Initiative:
Geschäft entwickeln und vorantreiben; Wille zum Erfolg; Sensibilität für Marktsignale und frühes Erkennen von Geschäftsmöglichkeiten; Produkte, Abläufe und Verhaltensweisen konsequent vom Kunden her durchdenken und steuern; die Fähigkeit und den Mut, sofern nötig, neue Wege zu gehen.
2. Selbstorientierung:
Sich seiner selbst bewusst sein; sich im Umfeld behaupten; Standpunkt beziehen auch bei heiklen Themen; selbstbewusster Umgang mit Neuem und Unbekanntem; ein breites, flexibles Handlungsrepertoire für differenzierte Situationen; ein klar ausgeprägtes persönliches Wertebewusstsein.
1. Eigenverantwortlichkeit:
Sich selbst herausfordernde Ziele setzen; Unternehmensziele nachhaltig umsetzen; Gestaltungsräume entwickeln; Prioritäten aufzeigen; Absichten konsequent und klar vermitteln, Lösungen generieren und in die Tat bringen; Realitäten schaffen.
Führungskräfte, die erfolgreiche Leader sind, ...
... verfügen über sieben Eigenschaften, die sich in ihrem Verhalten artikulieren.

Hier liegt für Schwartz ein entscheidender Unterschied zwischen einer Gruppe und einem Team: "Ein Team bestimmt die Rollen und Aufgaben seiner Mitglieder selbst; außerdem definiert es selbst die Regeln der Zusammenarbeit." Dieser Selbstorganisationsprozess läuft nicht automatisch ab. "Er wird stets von Leuten im Team angestoßen." Davon ist Schwartz überzeugt. Deshalb entwickelt sich in jedem Team auch eine Hierarchie - "zumindest eine informelle".

Damit aus Einzelkämpfern Teams werden, ist vor allem Zeit nötig. Denn jedes Team durchläuft bei seiner "Selbstfindung" mehrere Phasen. Darauf weist Berater Müllerschön hin. Der US-amerikanische Psychologe Bruce Tuckman unterschied zwischen

In den ersten drei Phasen ist das Team noch weitgehend mit sich selbst beschäftigt. Entsprechend schlecht sind meist die Arbeitsergebnisse. Erst in der vierten Phase entwickelt es die Kreativität und Produktivität, die erfolgreiche Teams auszeichnen - "jedoch nur, wenn das Team mit Erfolg die ersten drei Phasen durchlaufen hat".

Den Teambildungsprozess unterstützen

Damit dies geschieht, ist in der Regel eine Begleitung der neuformierten Teams durch professionelle Coaches oder Teamentwickler nötig. Darauf weist Bereichsleiter Ollechowitz hin. Bei Schwäbisch Hall besuchen neue Teams in der Regel zunächst Seminare, um den Teambildungsprozess zu beschleunigen. "Bei strategisch wichtigen Projekten schicken wir die Mitglieder zuweilen auch zu Outdoor-Seminaren. Dort zeigt sich meist schnell, wer welche Funktion im Team übernehmen kann." Solche Maßnahmen stellen zudem sicher, dass die Teams sich, wenn ihre eigentliche Arbeit beginnt, nicht mehr durch Statuskämpfe oder unterschwellige Konflikte selbst lahmlegen. Diese Dinge sind dann abgehakt.

Speziell bei komplexen Aufgaben mit ungewissem Ausgang setzen Unternehmen auf Teams. Teams für Routinearbeiten einzusetzen, erscheint den meisten Experten absurd. "Teamarbeit bewährt sich vor allem, wenn harte Nüsse zu knacken sind", betont Kraus, "für die das Expertenwissen vieler Spezialisten nötig ist. Dieses soll sozusagen zusammenfließen". Denn nur dann arbeitet ein Team effektiv.