Methode für Führungskräfte

Wie Sie Mitarbeiter begeistern

17.10.2014 von Anne M. Schüller
Führungskräfte sollten Enttäuschungs-, Okay- und Begeisterungsfaktoren bei ihren Mitarbeitern analysieren. Oft sind es nur Kleinigkeiten, mit denen sich Mitarbeiter begeistern lassen.
Anne M. Schüller ist Rednerin, Businesscoach und Autorin.
Foto: privat

Begeistert engagierte Mitarbeiter sorgen für überdurchschnittliche Produktivität, für ein flüssiges Arbeitstempo und für hohe Qualität. Sie haben Freude an Spitzenleistungen und wollen den Erfolg. Diese positive Energie ist im wahrsten Sinne des Wortes in den Dingen eingefangen, die der Käufer schließlich erwirbt. Letztlich drückt sich die Befindlichkeit eines Mitarbeiters ja in jeder kleinen Geste aus: Begeisterte Mitarbeiter machen Kundenerlebnisse heiter, unmotivierte Mitarbeiter machen diese zur Qual.

Begeistert engagierte Mitarbeiter sorgen auch für eine höhere Kosteneffizienz, da die Fehlerhäufigkeit sinkt. Sie sind kreativer und bringen neue Ideen ein. Vor allem aber tragen sie als engagierte Botschafter ein positives Unternehmensbild nach draußen. Dies motiviert nicht nur potenzielle Top-Bewerber, sich für die Company zu interessieren, es motiviert auch die Kunden, immer wieder gerne dort zu kaufen.

Enttäuschungs-, Okay- und Begeisterungsfaktoren analysieren

Um solch positive Ergebnisse zu erzielen, empfehle ich Führungskräften eine Vorgehensweise, bei der jeder Interaktionspunkt auf seine Enttäuschungs-, Okay- und Begeisterungsfaktoren hin analysiert wird. Diese Methode habe ich in Anlehnung an das Kano-Modell von Noriaki Kano, Professor an der Universität Tokio, für den Mitarbeiterbereich weiterentwickelt.

Dabei wird sondiert, was der Mitarbeiter erwartet und im Vergleich dazu erhält. "Employee Experience" nennt man das auch. Die Ergebnisse reichen von herber Enttäuschung bis zu hemmungsloser Begeisterung, von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt.

Schaubild: Selbstbild-Fremdbild-Analyse
Foto: Anne M. Schüller

Am besten zeichnet man hierzu die "Reise" eines Mitarbeiters durch eine Gesprächssituation oder einen ganzen Arbeitstag nach. Dann bewertet man die einzelnen Interaktionen im Positiven beziehungsweise Negativen von null (trifft gar nicht zu) bis zehn (trifft voll und ganz zu). Die entsprechenden Touchpoints können dann in ein Schaubild eingetragen werden.

Mit ganzer Kraft
Wenn sich Mitarbeiter voll einbringen, erwarten sie für ihren hohen Arbeitseinsatz ...
... eine leistungsgerechte Bezahlung.
Diese versprechen gute Arbeitgeber in der Regel.
Für seine Loyalität ...
... zum Arbeitgeber erwartet der Mitarbeiter ...
... Anerkennung.
Auch Arbeitsplatzsicherheit gehört zu den ungeschriebenen Versprechen, die Unternehmen geben.
Mit neuen Ideen ...
... verspricht sich der Mitarbeiter einzubringen.
Preisgekrönt
Gute Ideen der Mitarbeiter sollten nicht nur anerkannt, sondern auch honoriert werden.
Ich werde das schaffen!
Für ihren Ehrgeiz, ihre Weiterbildungsbereitschaft und Mobilität erwarten Mitarbeiter ...
... entsprechende Aufstiegsmöglickeiten ...
... und Personalentwicklungsmaßnahmen, die in der Regel auch zu den ungeschriebenen Versprechen der Arbeitgeber gehören.
Für ihre Bereitschaft zu Überstunden ...
... erwarten Mitarbeiter auch eine Gegenleistung ...
... in Form von Geld ...
... und Wertschätzung durch den Chef. Wird diese Erwartung nicht erfüllt, staut sich der Frust auf.

Selbstüberschätzung ist bei all dem eine große Gefahr. Um dieser Falle zu entgehen, bietet sich eine Selbstbild-Fremdbild-Analyse an. Dazu kann ein Teil der Bewertungen direkt von den Mitarbeitern kommen.

Enttäuschungsfaktoren sondieren

Kommen die Enttäuschungsfaktoren zum Zuge, können Sie es sich mit Ihren Mitarbeitern sehr schnell verscherzen. Mit negativen Reaktionen ist vor allem dann zu rechnen, wenn es herablassende oder persönlich verletzende Worte und Gesten gibt. In einer funktionierenden Mitarbeiterbeziehung dürfen keine nennenswerten Enttäuschungen vorkommen.

Sollten diese unumgänglich sein, braucht es ein persönliches Gespräch und eine nachvollziehbare Begründung, um wieder in den grünen Bereich zu gelangen. Denn wenn ein Mitarbeiter enttäuscht ist und bleibt, wird er Sie dafür bestrafen. Und die Liste seiner Möglichkeiten ist lang: Unzuverlässigkeit, kleine Schlampereien, absichtliche Fehler, Nörgelei, Bockigkeit, Boykott, Krankfeiern nach Bedarf, Dienst nach Vorschrift, üble Nachrede, Unregelmäßigkeiten, offene Rebellion.

All das tut er mit mehr oder weniger hohem Zerstörungsdrang. Sein Motiv? Rache! Vergeltung für empfundenes Unrecht! Solches Empfinden ist immer subjektiv - und es kann eine Menge Energie entfalten. Dabei wird zunehmend der Anwalt gewählt, der am meisten Druck machen kann: die digitale Öffentlichkeit.

Okay-Faktoren ermitteln

Wer über die Vermeidung von Unzufriedenheit hinauskommen will, muss an den Okay-Faktoren arbeiten. Diese bieten, im Gegensatz zu den Enttäuschungsfaktoren, zumindest die Chance, den Mitarbeiter zufrieden zu stellen. Okay-Faktoren sind, aus Sicht des Mitarbeiters betrachtet, eine Selbstverständlichkeit. Dazu zählen Höflichkeit, Freundlichkeit, Verlässlichkeit, Fairness, Redlichkeit, Ehrlichkeit und viele weitere Führungstugenden. Sind solche Basics nicht erfüllt, ist der Mitarbeiter demotiviert und rutscht in die Enttäuschungszone.

Zu den Okay-Faktoren zählt auch das Sichern der organisatorischen Rahmenbedingungen, damit die Mitarbeiter ihr Bestes überhaupt geben können. Und solange die Basics nicht stimmen, braucht man sich gar nicht erst an die Begeisterungsfaktoren heranzumachen. Diese wirken dann nämlich nicht.

So motivieren Sie sich selbst
Sich selbst zu motivieren, ist gar nicht so leicht. Coach Reinhold Stritzelberger hat dazu ein Buch geschrieben. Darin finden sich unter anderem diese fünf Tipps, wie man sich selbst dazu überwinden kann, unangenehme Dinge anzupacken. Wer das schafft, ist schon mal raus aus der Mittelmäßigkeit - und das motiviert gnaz schön.
1. Machen Sie etwas "nur kurz"
Was man nicht mag, das fängt man gar nicht erst an. Ein Trick, sich selbst zu überwinden (um zum Beispiel die Ablage zu erledigen): Nehmen Sie sich nur wenige Minuten dieser Tätigkeit vor, machen Sie nur fünf Minuten Ablage. „Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie länger dran bleiben werden, wenn Sie sich einmal überwunden haben, ist hoch“, schreibt Stritzelberger.
2. Versprechen Sie es jemandem, der Ihnen wichtig ist
Das erhöht den Druck, das Projekt wirklich durchzuziehen. „Sagen Sie beispielsweise Ihren Kindern, dass Sie ab sofort aufhören zu rauchen.“ Eine solche Fallhöhe macht es Ihnen vielleicht leichter, das Vorhaben durchzuführen, egal ob es ein Projekt ist oder eine Diät.
3. Unterteilen Sie Ihre Vorhaben in kleine Einheiten
Das Beste geben im Job ist gar nicht so einfach. Schon allein, weil die Aufgabe so schwammig ist. Stritzelberger rät dazu, sich das große Ganze in kleine Aufgaben und Schritte zu unterteilen. „Aus dem schwammigen Großen werden appetitliche kleine Häppchen, die niemanden überfordern“, schreibt er.
4. Führen Sie eine "Löffelliste"
Stritzelberger rät dazu, sich eine Liste anzulegen mit Dingen, die man erledigt haben will, bevor man den sprichwörtlichen Löffel abgibt. Das hat einen handfesten Grund: „Psychologisch drängt das die unwichtigen Themen in den Hintergrund“, schreibt er. Allerdings verrät er nicht, wie man mit der Enttäuschung umgeht, wenn man realisiert, dass manches in diesem Leben einfach nicht mehr hinhauen wird.
5. Denken Sie nach. Denken Sie vor
Stritzelberger rät dazu, sich zu fragen, wo man in zehn Jahren beruflich stehen möchte – und welche Fähigkeiten man dazu benötigt. „Allein das Nachdenken über diese beiden Fragen wird Sie aus der Komfortzone schubsen“, meint er.
Buchtipp
Mehr Tipps, wie Sie sich selbst motivieren, lesen Sie in: Reinhold Stritzelberger: Selbstmotivation. Wie Sie dauerhaft leistungsfähig bleiben, ISBN: 978-3-648-04977-8, 1. Auflage 2014, Haufe Verlag, 128 Seiten.

Demnach sind zunächst die Okay-Faktoren zu identifizieren. Und es ist dafür zu sorgen, dass zumindest das erwartete beziehungsweise als selbstverständlich erachtete Niveau immer erreicht werden kann. Was das genau ist? Das kommt auf den Mitarbeiter und seine Wertewelt, auf seine Erwartungen an den Job und seine Position im Unternehmen an. Die Aufgabe ist also komplex.

Begeisterung funktioniert bei Menschen verschieden

Die Menschen sind alle verschieden. Jeder hat sein eigenes Wertesystem und reimt sich die Welt auf seine Weise zurecht. Nie darf man deshalb von seinen eigenen Präferenzen ausgehen. Deshalb: Spielen Sie das für Ihre verschiedenen Mitarbeiter auf einer Skala von null bis zehn einmal durch: Welches Kriterium würde welchen Mitarbeiter begeistern? Für wen wäre was eine unbedingte Grundvoraussetzung? Und wem wäre was völlig egal?

Kriterium

Mitarbeiter 1

Mitarbeiter 2

Mitarbeiter 3

Aufgabenstellung/Position

Arbeitsplatzausstattung

Wettbewerbsfähiges Gehalt

Geldwerte Vorteile

Karrierechancen

Weiterbildungsangebote

Arbeitgeberattraktivität

Verhalten des Vorgesetzten

Grad der Eigenständigkeit

Betriebsklima

Anerkennungskultur

Arbeitsumfeld

Arbeitszeitmodelle

Work-Life-Integrität

Gesundheitsprogramme

Begeisterungsfaktoren finden

Die ergiebigste Kategorie für Mitarbeiterengagement und eine positive Unternehmenskultur? Das sind die Begeisterungsfaktoren. Mit diesen kann man nur gewinnen. Ein Fehlen führt nicht zur Demotivation. Aber wenn Sie diese bieten, wird man Sie dafür lieben - und allen davon erzählen.

Oft sind es Kleinigkeiten, die der Mitarbeitende so nicht erwartet hat, die zur Begeisterung führen. 'The big little things' nennt Management-Vordenker Tom Peters das. Wir können gar nicht genug Aufmerksamkeit darauf lenken. Am Ende ist es die Summe bemerkenswerter, verblüffender, faszinierender Details, die schließlich den Unterschied macht. Und das hat weiß Gott nicht nur was mit Moneten zu tun.

Von der Kundenseite her kennt man das auch: Wenn ein Anbieter nichts bietet, was Herz und Seele berührt, und nichts, was ihn aus der Masse herausstechen lässt, dann ist der Preis das einzige Unterscheidungsmerkmal. Dann soll es wenigstens billig sein. So tröstet sich der Käufer - wir sagen ja auch Trostpreis - mit Preiszugeständnissen über einen Mangel an guten Gefühlen hinweg. Eingebaute Emotionen hingegen sorgen für ein Preispremium.

Auf der Mitarbeiterseite funktioniert dieses Prinzip ganz ähnlich, nur sind die Vorzeichen andersherum: Wer keine guten Gefühle verbreitet, muss tief in die Tasche greifen. Schmerzensgeld nennt man das dann.

Das Problem bei den Begeisterungsfaktoren

Die Krux bei den Begeisterungsfaktoren: Was heute noch für Überraschungen sorgt, ist morgen schon 'basic', und somit kaum noch der Rede wert. Und wenn ein einmal gelernter Level unterboten wird, sind wir enttäuscht. Da sich die Belegschaft also schnell an Goodies gewöhnt, werden die Erwartungen und damit auch ihre Anforderungen steigen.

Zwei Tricks können Sie aus dieser Falle befreien: "Nicht mehr vom Gleichen, sondern unvergleichbar anders", so lautet das eine Prinzip. Und das zweite? Überlassen Sie den Mitarbeitern das Suchen und Finden. Dann wird es wenigstens etwas Passendes sein.

Das Buch

Anne M. Schüller: Das Touchpoint-Unternehmen
Foto: Gabal

Anne M. Schüller:

Das Touchpoint-Unternehmen

Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt

Gabal, März 2014, 368 S., 29,90 Euro

Das Hörbuch

Anne M. Schüller: Das Touchpoint-Unternehmen, Hörbuch
Foto: Gabal

Anne M. Schüller:

Das Touchpoint-Unternehmen

Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt

Gabal, ungekürzte Hörbuchfassung, 10 CDs, 49,90 Euro

Anne M. Schüller ist Rednerin, Businesscoach und Autorin. Mehr unter: www.anneschueller.de