5 Thesen und Beispiele

Wie wir im Jahr 2020 shoppen

20.12.2011 von Frank Pototzki
Oh du Hektische. Der Handel schafft den Weihnachtsstress bis 2020 ab, prognostiziert Frank Pototzki von Capgemini in seiner Kolumne.
Frank Pototzki ist Head of Segment Retail bei Capgemini.
Foto: Capgemini

Alle Jahre wieder freut sich der Handel auf das Weihnachtsgeschäft: Die Spielwarenbranche erwartet auch 2011 einen Rekordumsatz, der Anteil der Onlineeinkäufe steigt erneut. Die neuen Absatzwege verlagern den Umsatz ins Internet und verändern nebenbei die gesamte Einkaufskultur der Verbraucher, die sogenannte "Consumer Shopping Journey".

Bereits jetzt bewegen sich die Kunden vom ersten Impuls bis zur Betreuung nach dem Kauf auf allen Kanälen gleichzeitig: mobil, online und in der Filiale um die Ecke - im Fachjargon "Cross Channel" genannt. Für die Kunden heißt das vor allem, einkaufen unabhängig von Ort und Öffnungszeiten.

Doch wie bleibt der Handel dem Kunden, und vor allem dem Wettbewerb, immer einen Schritt voraus? Wohin sich dieser Trend entwickelt und was das für Retail-CIOs bedeutet, zeigt das Szenario eines Weihnachtseinkaufs 2020.

Aufmerksamkeit: Achtung, Weihnachten!

Den Zettel mit Geschenkideen löst heute mein Smartphone ab, es alarmiert rechtzeitig zum ersten Advent via App über die vorweihnachtlichen Rabatte im Einkaufszentrum oder gleicht den Wunschzettel mit dem Lieblings-Onlineshop ab. In der beruhigenden Gewissheit, einen Großteil der Geschenke bereits organisiert zu haben, lässt es sich dann ganz entspannt an den weihnachtlich dekorierten Schaufenstern vorbeischlendern.

Künftig sprechen Location Based Services den Kunden direkt am Point of Sale (PoS) an. Gleichzeitig informieren Bestandssysteme nahezu in Echtzeit über die Verfügbarkeit eines Artikels. Das erfordert jedoch die Verfügbarkeit der Kundendaten auf allen Kanälen, also integrierte Kundendaten- und CRM-Systeme sowie flexible Architekturen mit offenen Schnittstellen für extern entwickelte Apps.

Auswahl: Das Schaufenster 2.0

Quick Response-Codes oder kurz QR-Codes verbreiten sich dank Smartphones rasant, stoßen aber auch an ihre Grenzen, zum Beispiel bei Verpackungsvorschriften für Lebensmittel.
Foto: Capgemini, www.goqr.me

Vor dem Schaufenster eines Herrenausstatters bleibe ich hängen: Ich flippe schnell am aushängenden Touchscreen durch die neue Kollektion und entdecke das perfekte Hemd für den Weihnachtsabend. Kein Zufall, denn nachdem ich mich über mein Smartphone identifiziert habe, werden mir nur Modelle in meiner Größe und meinen Lieblingsfarben angeboten. Auf dem Display der Augmented-Reality-Kamera betrachte ich mich von allen Seiten in dem Hemd. Eine kurze Bestätigung per Fingertipp und das Hemd wird reserviert. Ich könnte meiner Frau gleich ein Bild schicken, warte aber lieber, bis wir zu Hause in Ruhe auf der Couch sitzen. Bestellen kann ich auch dann immer noch im Mobile Shop.

Der Einsatz von Augmented Reality lässt reale und digitale Bilder verschmelzen, auch nach Ladenschluss können Artikel anprobiert werden. Informationen zu vorherigen Käufen in hochintegrierten CRM-Systemen bilden die Datengrundlage für personalisierte Kaufanregungen. Die Integration von Filialsystemen und Mobile Shops erlaubt die Auswahl im Geschäft, sowie den späteren Kauf unterwegs oder von zu Hause aus.

Kauf: Nie mehr "Sammeln Sie Herzen?"

Die Art, wie Kunden einkaufen, hat sich mit dem technologischen Wandel ebenfalls verändert. Händler, die darauf eingehen, können von der Entwicklung profitieren.
Foto: Capgemini

Im Coffee Shop auf der anderen Straßenseite bestelle ich einen heißen Cappucino to Go, halte mein Smartphone auf den Touchpoint und bezahle - mein Payback-Konto wird parallel aufgestockt. Auf dem Weg zur U-Bahn komme ich an dem neuen Pop Up-Store vorbei, meine Tochter kauft dort immer ein. Sie kann noch im Geschäft ein Bild von sich in der neuesten Jeans hochladen, um ein schnelles Voting ihrer Freunde im Social Net zu starten, denn denen vertraut sie bei solchen Entscheidungen mehr als mir oder der Verkäuferin.

Bargeldloses Zahlen via Nearfield-Kommunikation funktioniert einfach und schnell. Ganz nebenbei werden Rabatt- und Bonuspunkte gutgeschrieben. Der Geldbeutel wird wieder schmaler, denn die lästigen Kundenkarten sind überflüssig geworden. Social Shopping gewinnt mehr und mehr an Bedeutung. Für die Shopbetreiber heißt das: Mehr Technologie in den Filialen, die durch erfahrene Partner betreut werden müssen.

Lieferung: Auf Knopfdruck zum Feierabend

Auf dem Weg zur U-Bahn-Station fällt mir gerade noch ein, dass ich Waschmittel und Shampoo einkaufen soll. Im Laden fotografiere ich den QR-Code, melde mich im Shop an und bestätige den Kauf. Wann ich die Ware geliefert bekommen möchte? Vor 19 Uhr werde ich nicht zu Hause sein und meine Frau kommt auch erst später mit den Kindern vom Schwimmkurs - ich wähle 20.00 Uhr als Lieferzeit.

Künftig sind Mobile Shops und Filialen durch gemeinsame Systeme integriert, die Lieferung erfolgt aus der Filiale in der Nachbarschaft. Ist ein Produkt trotzdem einmal ausverkauft, sorgen lokale Distributionslager mit einer antizipierten Bestandsprognose für die flächendeckende und schnelle Belieferung der Kunden.

Kundenbetreuung: Twitter ist schneller als jede E-Mail

Zuhause setze ich mich entspannt auf das Sofa, greife zu meinem Tablet und werfe noch einen Blick in den Nachrichtenaggregator. Im Forum wird gerade wieder eine rege Diskussion über Organic Cotton geführt. Ist denn wirklich überall Bio drin wo Bio draufsteht? Meine Frau hat sich letzte Woche dieses kleine Schwarze für Silvester gekauft… ich twittere „Hey @H&M, ist dieses Kleid wirklich organic?" und bekomme in wenigen Minuten die Bestätigung und einen Link auf das Organic-Zertifikat.

Dank Social-Media-Analysen können Händler und Hersteller jederzeit das Kundenfeedback online beobachten und interpretieren und schnell auf Fragen oder Beschwerden der Kunden eingehen, bevor sie sich verbreiten. Grundsätzlich geht der Trend weg von monolithischen Anwendungen und hin zu kleinen, schnellen Lösungen die zum Teil sogar in der Cloud liegen. So kann der Handel besser und schneller auf Trends reagieren.

Alles nur Zukunftsmusik? Mitnichten: Alle Technologien sind heute bereits verfügbar. Einige sind in der Pilotphase, andere sind noch zu teuer für den Massenmarkt. Sicher ist jedoch, dass der Wunsch des Kunden nach einer Omnipräsenz ihres Lieblingsladens viele Händler vor neue Herausforderungen stellt:

Zum einen müssen technische Plattformen bereitstehen, die neue Services nahtlos integrieren und orchestrieren und zum anderen muss das Betriebsmodell mit einer Governance versehen werden, die auch neue Lösungen abdeckt. Wenn sich die Branche sich diesen Fragen öffnet, wird der Handel auch wieder mit seinen Kunden Schritt halten können.

Frank Pototzki ist Geschäftsbereichsleiter Handel bei Capgemini.