Schwerpunkt IT-Sicherheit: Vernetzte Raststätten

WLAN an der Autobahn

01.09.2003 von Lars Reppesgaard
Revolutionen beginnen auf der Straße: Deutschlands größtes Wireless Local Area Network (WLAN) soll die Raststätten mit Internet versorgen und die Kassensysteme der Betreiber vernetzen. In Sachen Sicherheit steigen damit die Anforderungen an die löchrige Funktechnik.

Wer bislang das Auto nutzte, um vor unliebsamen E-Mails davonzufahren, muss in Zukunft auf die Landstraße ausweichen. Denn an den Autobahnraststätten richtet die Tank & Rast GmbH & Co. KG gerade Wireless Loal Area Networks (WLAN) ein. Internetdienste abzurufen gehört damit bald ebenso zum Pausenprogramm wie Pinkeln und Pommesessen.

Ein Konsortium rund um die Unternehmen Toshiba Europe und Acoreus stattet derzeit sämtliche 390 Tank-&-Rast-Standorte an den Bundesautobahnen mit WLAN-Zugangspunkten aus. Dazu kommen beim größten deutschen Rollout einer Funknetzinfrastruktur stationäre Internet-Terminals, damit auch die Reisenden ohne Laptop Pausen zum E-Mail-Check nutzen können.

Das Projekt fordert viel von den für ihre Unsicherheit berüchtigten Funknetzen. "Das Ganze muss sicher, aber für den Anwender einfach zu bedienen sein", gibt Matthias Kolbusa zu bedenken. Er war bis 2002 Interims-CIO bei Tank & Rast und ist jetzt Geschäftsführer der IT-Executive Consulting GmbH, die das Projekt verantwortlich betreut.

Einfach für die Nutzer soll das Netz unter anderem durch seine Roaming-Möglichkeit werden: Wer etwa auf der A1 Richtung Norden unterwegs ist und sich am Rasthof Dammer Berge nordöstlich von Osnabrück einwählt, könnte dann beim nächsten Stopp in Hamburg-Stillhorn nahtlos weitersurfen, ohne erneut eine Schwelle ins Netz passieren zu müssen. Für diese Single Sign on genannte Möglichkeit ist eine so genannte Layer-2- Authentifizierung erforderlich: Die Nutzer geben auf der Netzzugangsebene einen Freischaltcode ein, bevor sie die Anwendungsebene erreichen. Die Freischaltdaten bestehen aus einer Zahlenfolge - lesbar nach Rubbeln auf einer Prepaid-Karte - oder einem per E-Mail zugestellten Account, mit dem sich Anwender autorisieren können. Dieses einfachere Verfahren soll minutengenaue Abrechnung und monatliche Zahlungen ermöglichen; es setzt freilich die Eingabe von Bank- oder Kreditkartendaten voraus.

Schon die Datenübertragung bei diesem Erstkontakt muss gegen Spione abgesichert sein. Verschlüsselung ist ohnehin das Hauptthema; der ursprüngliche WLAN-Standard IEEE 802.11 hatte bereits im Frühjahr 2001 Schwächen gezeigt: Die Verschlüsselungsalgorithmen, mit denen Daten in Zahlensalat verwandelt werden, stellten für Hacker keine Schwierigkeit dar. Programme wie Airsnort knacken die Verschlüsselungen in Minuten. Der Standard 802.11i schließt bereits viele Sicherheitslücken älterer Spezifikationen. Aber ebenso wie beim noch neueren Standard 802.11g, der Datenraten bis zu 54 Megabit pro Sekunde ermöglicht, fehlt es an praktischen Erfahrungen.

Zukunftsmarkt Sicherheit

Tank & Rast verlangt von den Netzbetreibern zudem Billing-Erfahrung. Blitzschnelle Bonitätsprüfungen sind Pflicht, wenn die Surfer mit Bankeinzug oder Kreditkarte zahlen wollen. Regelmäßige Tests durch externe Prüfer sollen garantieren, dass die WLANs wirklich sicher sind. Ein noch zu entwickelndes Prüfsiegel soll signalisieren, welche Standorte ihre Hausaufgaben gemacht haben. Wer scheitert, muss nachbessern. "Notfalls wird ein Hotspot abgeschaltet, bis wir Gewissheit darüber haben, dass die Nutzung sicher ist", sagt Kolbusa.

Eine besondere Herausforderung ist die Tatsache, dass neben den Laptops der Raststättenbesucher auch alle Kassensysteme via Funk vernetzt werden. Die parallele Nutzung der WLAN-Infrastruktur hilft Tank & Rast, die Investitionen im Rahmen zu halten. Damit Unbefugte die Abrechnungen nicht manipulieren können, werden die Kassendaten schon auf dem Weg zum Kassen-Server über ein Virtual Private Network (VPN) geschickt und sind dadurch dem Zugriff anderer Netznutzer entzogen. Auch zur Übertragung der Kassendaten über das Internet an die zentralen Tank-&-Rast-Server verwendet Tank & Rast ein VPN.

Mit WLAN weg vom alten Image

Das Interesse für WLAN-Technologie ist bei Tank & Rast kein Zufall: Die seit fünf Jahren privatisierte Gesellschaft will aus den altbackenen Rasthäusern, die oft noch wegen ihrer sportlichen Wurst- und Pommespreise als Abzockerbuden gelten, moderne Dienstleistungscenter machen. Die Pächterlandschaft ist vielfältiger geworden; Ketten wie Burger King oder Mövenpick Marche ergänzen die traditionellen Angebote. Mit modernen Tagungscentern will Tank & Rast zudem für Geschäftskunden attraktiver werden. An den Rastanlagen Aachener Land/ Süd und Nürnberg-Feucht/Ost bietet die Gesellschaft bereits Konferenzräume mit schnellen Internetzugängen an.

Tank-&-Rast-Geschäftsführer Karl-Heinz Rolfes lobt das WLAN-Projekt auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht: Die Raststättenbetreiber zahlen höhere Pacht an das Unternehmen, wenn sie mehr umsetzen. Je mehr Reisende für Surfen, Schnitzel und Sprit Geld ausgeben, desto mehr verdient also auch die Gesellschaft.

Die Erwartungen von Tank & Rast sind noch einigermaßen vorsichtig. In diesem Jahr soll rund ein Prozent der täglich 88000 Geschäftskunden auf die drahtlosen Dienste zugreifen und über den WLAN-Zugang auch die VPN-Lösungen ihrer eigenen Unternehmen nutzen; für 2004 rechnet man bereits mit einer Verdoppelung der Nutzerzahl.

In drei Jahren, so hofft Tank & Rast, werden auch zunehmend Privatnutzer auf die Autobahn-WLANs abfahren, etwa um sich Filme aus dem Internet herunterzuladen. Die Autobahnpolizei kann nur hoffen, dass die Fahrer von Lastwagen sich die Streifen dann nicht während der Fahrt zu Gemüte führen.