Strategie: Mehr Produkte und Services

Wo Zalando in IT investiert

01.03.2012 von Hartmut  Wiehr
Zwei Projekte in der IT-Infrastruktur sollen dem Online-Schuhhändler neuen Schwung geben: Big Data und Partner-Anbindung. Die Kosten für Online-Händler sind immens.

Amazon hat es vorgemacht: vom Online-Buchverkäufer zum elektronischen Super-Warenhaus, in dem es längst nicht mehr nur um Gedrucktes geht. Der Start war riskant, denn Buchleser neigen eher dazu, etwas eigen zu sein – sie wollen ihre Lektüre vorher in die Hand nehmen, darin Herumlesen, in Buchläden stöbern – kurz, das "Haptische“ oder das "Geistig-Anspruchsvolle“ in seinen verschiedenen Geschmacksrichtungen galten immer als das Besondere dieser Branche. Über das anonyme Internet bestellen? Unmöglich, glaubten die meisten.

Zalando, 2008 gegründet, hat schon bald das Sortiment von Schuhen auf Mode und weitere Artikel ausgeweitet. Motto: Wachstum über alles.
Foto: Zalando

Bei Schuhen dachte der klassische Handel ähnlich. Niemand traute sich einen Online-Shop für Artikel aufzumachen, bei denen man eine riesige Rücksendewelle befürchtete. Bis in den USA Zappos voran ging – inzwischen von Amazon geschluckt. Das US-Vorbild fand in Deutschland eine Kopie namens Zalando. Ein Kunstwort aus dem amerikanischen Zappos und dem deutschen Alando, einer früheren Versteigerungsplattform der Firmeninhaber im Internet, die viel Geld eingebracht hatte.

Zalando ist seit der Gründung 2008 sehr schnell gewachsen und gehört heute zu den größten Web-Shops in Deutschland. Dem bisherigen Expansionskurs, der laut einem Bericht der Financial Times Deutschland vom 6. Februar 2012 noch nicht die gewünschten Gewinne brachte, sollen zwei Investitionen in die IT-Infrastruktur neuen Schwung geben: Über Software von Tradebyte sollen zum einen weitere Händler an die eigene Verkaufsplattform angebunden werden, und zum anderen will man über eine Datenbank von Exasol die Kundendaten intensiver erforschen. Die Maßnahmen sollen mit Hilfe der IT die Verkäufe weiter ankurbeln.

Kernstück Produkt-Informations-System

Zusätzliche Händler und Lieferanten können durch eine Schnittstelle des Tradebyte-Programms ihre Produkte auf der Zalando-Plattform vermarkten. Zur Anwendung kommt dabei die Partner-Software "TB.One“. Ihr Kernstück ist laut Tradebyte ein Produkt-Informations-System (PIM), das die Artikeldaten nach den Anforderungen von Zalando anreichern und über eine Schnittstelle automatisiert zur Verfügung stellen soll.

Die neuen Händler erhalten die Möglichkeit, an TB.One ihren eigenen Shop und weitere Marktplätze anzuschließen. Auf diese Weise verfügen sie über eine zentrale Steuerung ihrer Artikel- und Bestandsdaten.

Wachstum über alles - unterstützt von IT

Mit dem Anschluss weiterer Lieferanten kann außerdem die Verfügbarkeit für bestehende Artikel erhöht werden, was sich ebenfalls positiv auf die Verkaufsresultate auswirken soll. Bei Zalando heißt es, dass in nachfragestarken Zeiten die Endkunden zudem von der dezentralen, letztlich umfangreicheren Lagerhaltung profitieren könnten, die das Partner-Programm automatisch mit sich bringe.

Philipp Metzler, Manager der Partner-Plattform bei Zalando, gibt sich optimistisch: "Die Plattform ist für uns sogar eine dreifache Win-Situation: Wir erhöhen Verfügbarkeit und Umsätze, der Partner gewinnt Reichweite und der Endkunde freut sich über mehr Angebot und schnelle Lieferungen." Bei dem Online-Retailer geht es inzwischen nicht mehr nur um Schuhe – das Sortiment erstreckt sich auf Kleidung und Sportsachen bis hin zu Wohn- und Haushaltsartikeln.

Mit TV-Werbespots hat Zalando viel Aufmerksamkeit erregt - hier Paketanlieferung beim Camping unter Nudisten; anzusehen auf der Webseite von zalando.de oder bei YouTube.
Foto: Zalando

Zalando schaffte es, mit einem riesigen Investitionsvolumen und breit angelegten TV-Marketing-Kampagnen ("Schrei vor Glück") schnell bekannt zu werden und viele Kunden an sich zu binden. Doch spricht man von Rücklaufquoten bei den Schuhen von bis zu 60 oder 70 Prozent, was mit hohen Kosten verbunden ist. Zalando garantiert eine Rückgabefrist von bis zu 100 Tagen für alle (ungebrauchten) Waren.

Zeitnahe komplexe Analysen

Allein seit Mitte 2010 ist Zalando um den Faktor fünf gewachsen, was sich in einem ebenso schnell ansteigenden Datenvolumen widerspiegelt. Um mehr über die Kundenbasis zu wissen und detaillierte, zeitnahe Analysen ganz im Sinne von "Big Data“ fahren zu können, benötigte man eine geeignete Software. Mit "EXASolution“ von Exasol will man die Reportings beschleunigen und komplexe Auswertungen über Kundenwünsche, verkaufte Artikel oder Rücksendequoten erhalten. All das sei mit der alten Datenbanklösung nicht mehr möglich gewesen.

TB.One von Tradebyte hilft bei der Anbindung von weiteren Online-Partnern.
Foto: Tradebyte

Die neue Software soll mit dem Kunden- und Datenwachstum Schritt halten. Exasol spricht sogar davon, dass es eine "endlose Skalierbarkeit des Systems“ geben soll – was technisch kaum vorstellbar erscheint.

Was Amazon und Zalando gemeinsam haben

Mit Amazon hat Zalando nicht nur die Wachstumsraten gemeinsam. Beide Online-Händler scheinen alles auf die Karte mehr Produkte und kostenlose Zusatzleistungen wie Versand oder Rückgabe zu setzen. Die für Lagerhaltung, Webshop-Design oder Lieferanten- und Kundenabwicklung erforderlichen Investitionen in IT können sich die meisten Konkurrenten nicht leisten. Schon jetzt werden komplette Retail-Strukturen über den Haufen geworfen.

Das Wettrennen zwischen Online- und klassischem Ladenhandel bleibt aber offen, zumal viele Anbieter plötzlich auch auf anderen Kanälen zu finden sind und zu "hybriden“ Unternehmen mutieren, die überall – online und mit eigenen Läden – dabei sein wollen.

Gute Zeiten für jene IT-Hersteller, die die Retail-Welt mit maßgeschneiderten Lösungen bedienen können.