Performance-Metrik von Forrester

Woran CIOs gemessen werden

16.07.2015 von Karin Quack
Die wachsende Macht des Kunden verändert die Anforderungen an die IT. Deshalb empfehlen die Analysten von Forrester, CIOs neue Leistungsanreize zu bieten und sie mit anderen Maßstäben zu messen.
  • Wenn Business-Manager an Unternehmensergebnissen gemessen werden, sollten auch CIO daran gemessen werden
  • Dafür schlägt Forrester ein metrikgetriebenes Performance Measurement Framework vor
  • Wenn ein CIO nicht an den CEO berichtet, wird das Unternehmen Probleme bekommen, daran ändert auch die Notlösung eines Chief Digital Officer (CDO) nichts

Wie verhält sich ein CIO, dessen Leistung an der Verfügbarkeit der IT-Systeme gemessen wird? Er wird vermutlich seine Ressourcen weitestgehend darauf konzentrieren, dass der Laden läuft wie geschmiert. Und weil nun einmal weder Zeit noch Mitarbeiter unbegrenzt vorhanden sind, wird er andere Aspekte unterordnen. Im "Zeitalter des Kunden" wären das Aufgaben wie: das Unternehmen dabei zu unterstützen, Kunden zu gewinnen, sie bestmöglich zu bedienen und damit bei der Stange zu halten. Diese These stellte Cliff Condon, Chief Research Director bei Forrester Research, kürzlich auf.

"Jede Woche veröffentlichen die Sales-Manager ihre Ergebnisse. Und wieso erfährt die IT nichts davon?", fragte Condon provokant? Wenn die Business-Manager an den Unternehmensergebnissen gemessen werden - warum dann eigentlich nicht auch der CIO? Schließlich habe die Unternehmenstechnik heu­te mehr als jemals zuvor Einfluss auf die Geschäftsergebnisse, so die Begründung des Marktforschers.

Cliff Condon, Chief Research Director, Forrester Research: "Warum wird der CIO eigentlich nicht an den Unternehmensergebnissen gemessen wie die anderen Business-Manager auch?"
Foto: Forrester Research

Condon beruft sich dabei unter anderem auf neue Erkenntnisse der Forrester-Forschung, wie sie kürzlich von der Analystin Margo Visitacion und ihrem Kollegen Bobby Cameron veröffentlicht wurden - unter dem Titel "Performance Metrics in the Age of the Customer" beziehungsweise "Manage BT Outcomes, Not IT Assets". Wobei das Kürzel BT für "Business Technology" steht und im Forrester-Jargon jede Art von (Informations-)Technik bezeichnet, mit der sich kundenbezogene Unternehmensziele erreichen lassen.

Es gibt messbare Leistungsparameter

Nach den von Visitacion publizierten Ergebnissen umfasst eine in diesem Sinn verstandene BT durchaus messbare Leistungsparameter; sie sollten sogar in der strategischen Planung explizit berücksichtigt werden. Und das ist auch logisch: Nur wenn die Entscheider über relevante und aktuelle Daten verfügen, die Kunden­ansprüche und eigene Leistungsfähigkeit in Beziehung setzen, können sie ihre Strategie "agil" dem Markt­geschehen anpassen. "Passen Sie Ihre Maßstäbe und Leistungsdaten Ihren strategischen Zielen an und auto­matisieren Sie deren Analyse so, dass Sie Fortschritte quasi in Echtzeit feststellen können", resümiert ­die Analystin.

Was sind das nun für Leistungsparameter, an denen sich der CIO künftig messen lassen soll? Dass sie in engem Zusammenhang mit den Unternehmenszielen stehen, ist nicht wirklich neu. Hinzu kommt jedoch, dass die Performance-Maßstäbe heute nicht mehr starr und unverrückbar zu verstehen sind, sondern das Kunden-Feedback aufgreifen und abbilden.

Geschäftsrelevante Ergebnisse und Prozesse

Als Basis für eine solche Feedback-Schleife empfiehlt Visitacion, ein "metrikgetriebenes Performance Measurement Framework" aufzubauen. Es konzentriert sich auf zwei Arten von Leistungsmerkmalen: Die einen betrachten die geschäftsrelevanten Ergebnisse, die anderen die Prozesse, die dahin führen.

Letztere sind im IT-Bereich gut eingeführt. Schon seit Jahren predigen Berater, es gehe in der IT vor allem darum, die Prozesse effizienter zu machen. Diese Aufgabe der Informationstechnik will Visitacion auch keineswegs in Abrede stellen. Aber sie bringt eine neue Unbekannte ins Spiel: die Ausführung ("Execution") der Prozesse in der realen (Business-)Welt. Deshalb gehe es bei der Prozessgestaltung nicht mehr nur um Effizienz, sondern auch um Wert (im Sinn des angestrebten Ergebnisses), um Kapazitäten sowie um Ausführungszeiten (Time to Market) aus Sicht der Kunden, also von Anfang bis Ende gemessen.

Wertbezogene Metriken

Wertbezogene Metriken sind zum Beispiel die Zahl der strategischen Programme, die im Budgetrahmen vollendet wurden, oder der Anteil der vorab provisionierten Ressourcen, die bei Bedarf auch zur Verfügung stehen. Beispiele für kapazitätsbezogene Metriken sind die Zahl der Fälle, in denen die geforderten Ressourcen zur Hand sind und/oder die benötigten Kapazitäten exakt kalkuliert wurden. Vergleichbare Metriken für die Time to Market sind der Prozentsatz der strategischen Projekte, die im Einklang mit der zeitlichen Planung fertiggestellt werden, oder die Akkuratesse der Forecasts, die an die Zulieferer herausgehen.

Daneben gibt es auch Leistungsparameter, die zeigen sollen, was für das Unternehmen herausspringt. Beispielsweise, inwieweit die Mission oder Vision des Unternehmens erfüllt ist, bis zu welchem Grad Finanzziele (Umsatzwachstum oder Prozesskostensenkung) erreicht werden und wie weit sich die Firma strategischen Zielen (Prozesseffizienz oder Kundenzufriedenheit) angenähert hat.

Budgetplanung wird obsolet

Mit diesem Aspekt hat sich vor allem Cameron beschäftigt. Nach Ansicht des Forrester-Analysten ist in der "BT-Agenda" des CIO künftig kein Platz für traditionelles Anforderungs-Management mit jährlichen Budgetkonferenzen, technischen Roadmaps, durchgeplanten Projekten und Zuordnung von Ressourcen. Ein richtig verstandenes Engagement für den Kunden erstrecke sich über ganze Lebenszyklen, diverse Vertriebskanäle und viele Back-Office-Systeme. Wobei sich alle Komponenten in ihrem eigenen Rhythmus veränderten. Ein so komplexes Geflecht einer konventionellen Budgetplanung unterwerfen zu wollen sei vergebliche Liebesmüh.

Stattdessen sollte sich ein CIO neuer Prägung auf die Lieferung eines Business-relevanten Ergebnisses festlegen, sagt Cameron. Dazu müsse er sich auch auf eine neue Art von "schnelldrehender" Governance einlassen, die rasche Auslieferung, unmittelbaren Testeinsatz und Feedback für die Weiterentwicklung umfasse. Dieses "Outcome-Management" sei weder eine Organisationsform noch ein Satz an Fähigkeiten, sondern das Betrachten von Governance, Sourcing, Test und Aus­lie­fe­rung in einem neuen, flexiblen Zusammenhang.

Die Macht der Endkunden zählt

Aus Forrester-Sicht spiegeln die hier skizzierten Metriken die neuen Aufgaben des CIO besser wider als rein IT-bezogene Performance-Daten. Und welche Aufgaben sind das konkret? Sie leiten sich direkt aus der ­gewachsenen Macht der Endkunden ab, deren "Erlebnis" letztlich das Wachstum des Anbieters bestimmt. Und das wurde in einer dedizierten CEO-Befragung des Forrester-Konkurrenten Gartner mit überwälti­gender Mehrheit zum Unternehmensziel Nummer eins ­erklärt.

Ein CIO, der zum Wachstum seines Arbeitgebers beitragen will, wird also die ihm zur Verfügung stehenden Mittel, nennen wir sie ruhig BT, vor allem dafür einsetzen, das Kundenerlebnis zu verbessern.

Die doppelte Agenda des CIO

Dabei ist jedoch anzumerken: Der überwiegende Teil der Unternehmenstechnik - Forrester schätzt ihn auf 77 Prozent der Budgets - ist derzeit noch der IT im eigentlichen Sinn zuzurechnen. Dieser Teil trägt zwar auch zum Unternehmenserfolg bei, aber eher indirekt. Bemerkbar macht er sich nur, wenn er nicht funktioniert. Und das muss der CIO bei aller Fokussierung auf die Endkundenseite tunlichst vermeiden.

Deshalb sollte es nach wie vor einen Programm-Manager geben, der dafür sorgt, dass die "kontinuierlichen Business-Services", von Forrester auch "Systems of Record" genannt, reibungslos funktionieren. Die Verantwortung für die guten alten IT-Systeme kann der CIO auch künftig nicht wegschieben, warnt Cameron. Aber er müsse diese Aufgabe ja nicht persönlich erfüllen.

Das Wachstum liegt auf der Business-Seite

Kümmern sollte sich der CIO aber darum, dass der IT-Teil seines Aufgabenbereichs zugunsten des BT-Teils schrumpft. "IT spielt ganz sicher noch eine Rolle", fasst Research-Chef Condon zusammen, "aber das Wachstum liegt definitiv auf der BT-Seite, und jeder Dollar, den der CIO bei der IT sparen kann, kommt der BT zugute.

Forrester empfiehlt ein "metrikgetriebenes Performance Measurement Framework" aufzubauen. Es konzentriert sich auf zwei Arten von Leistungsmerkmalen: auf geschäftsrelevante Ergebnisse und Prozesse.
Foto: Brothers Good - Shutterstock.com

"Alles in allem hat der CIO laut Forrester also eine "doppelte Agenda" zu bewältigen: Neben der Leistungsfähigkeit seiner Systems of Record sollte er sich auch um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens Gedanken machen. "Er muss eine technologische Vision haben und sie vorantreiben", fasst Condon zusammen.

Über den Schatten springen

Visionäre mit Sinn für IT-Praxis sind allerdings rar. Den beschriebenen Perspektivwechsel werden folglich nicht alle CIOs in der wünschenswert kurzen Zeit nachvollziehen können, hat Forrester Research herausgefunden: 15 Prozent der IT-Lenker in den USA und nur zehn Prozent ihrer Standesgenossen in Europa seien heute schon in der Lage, die doppelte Agenda für sich zu definieren und mit Leben zu füllen. Die neuen Aufgaben bedeuteten für den CIO schließlich auch, dass er über seinen Schatten springen und die IT-Alleingänge der Fachbereiche akzeptieren müsse. Es sind vor allem die Marketing- und Sales-Bereiche, welche die IT als zu kompliziert, schwer von Begriff und langatmig disqualifizieren. Laut Forrester haben sie damit auch manchmal recht, zumal sie die Beschränkungen nicht sähen, denen CIOs unterworfen seien.

"Der Third-Party-Anbieter spricht die Sprache des Chief Marketing Officer", erläutert Condon. Das sei einer der Gründe, warum sich die Marketiers lieber mit Außenstehenden unterhielten. Der CIO müsse dafür Verständnis aufbringen und, statt sich zu beklagen, beispielsweise definieren, wie denn der Rahmen für derartige Third-Party-Verträge auszusehen habe.

Wenn ein Unternehmen die "digitale Revolution" erfolgreich vollziehen will, ist es nötig, dass CIO und CMO zusammenarbeiten. Dazu sollten sich beide ein wenig ändern. Wie Condon ausführt, muss der CIO weg von seiner Technikverliebtheit, der CMO von seiner Konzentration auf die Markenpflege: "Beide brauchen einen größeren Plan." Dass sie bislang keine gemeinsame Sprache sprechen und häufig neben- oder sogar gegeneinander arbeiten, sei aber nur zum Teil ihr eigener Fehler; hier gebe es auch Versäumnisse der Unternehmensführung: "Die Ziele müssen aneinander angeglichen werden, und als gemeinsame Sprache sollte die des Kunden gelten."

CTO ist Warnsignal - CDO nur eine Notlösung

Eine direkte Beziehung des CIO zum CEO ist aus Condons Sicht unabdingbar - nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern um der Sache willen: "Wenn der CIO nicht an den CEO berichtet, wird das Unternehmen früher oder später Probleme bekommen." Daran ändere auch ein Chief Digital Officer (CDO) nichts. Der könne allenfalls eine zeitlich begrenzte Notlösung sein.

Deshalb muss sich der CIO wohl eher Sorgen machen, wenn das Unternehmen einen Chief Technical Officer (CTO) ernennt. Anders als der Name vermuten lässt, sind dessen Aufgaben häufig mindestens so eng mit den Business-Zielen verknüpft wie die des CDO. Und in den meisten Fällen umfassen sie einen nicht zu kleinen strategischen Teil, wie Condon weiß: "In diesem Fall sehe ich für den CIO tatsächlich schwarz."