Komplexe Vorhaben scheitern an Kommunikation

Zehn Maßnahmen für Erfolg in IT-Projekten

11.12.2008 von Riem Sarsam
Wenn IT-Projekte fehlschlagen, liegt das oft an Missverständnissen zwischen den Beteiligten. Die daraus resultierenden Fehler lassen sich nur mit hohem Aufwand wieder ausbügeln. Dabei sind sie vermeidbar.
Er spricht, sie lächelt. Die Frage ist nur, ob beide auch das gleiche meinen.
Foto: MEV Verlag

Die Erfolgsquote von großen IT-Projekten ist gering. Auf den ersten Blick sind die Gründe vielfältig. Doch bei genauerer Betrachtung sticht ein Faktor heraus: die Kommunikation. Dieser Ansicht ist das Beratungshaus Detecon.

Demnach ist bei jedem Kommunikationsvorgang damit zu rechnen, dass sich die Beteiligten nicht verstehen, schreibt Johannes Ewers, der die Gruppe "Telco Application Strategy" bei Detecon leitet. Missverständnisse führen zu Fehlleistungen, die mit viel Aufwand korrigiert werden müssen. Je komplexer ein Projekt wird, umso mehr Fehler entstehen auf diese Weise.

Der Schlüssel zum Erfolg bei großen IT-Projekten liegt laut Detecon in einem konsequenten Management der Kommunikationsströme. Der Berater hat zehn Maßnahmen zusammengestellt, die diese kontrollieren und optimieren.

Erfassen des Domänen-Wissens

Ein IT-Projekt dreht sich immer um einen bestimmten fachlichen Zusammenhang. Fachliche Objekte werden definiert und mit anderen Objekten in Beziehung gesetzt. Der Kern eines erfolgreichen IT-Projekts ist ein Domänen-Modell, das alle fachlichen Begriffe und ihre Abhängigkeiten repräsentiert. Gleichzeitig muss das Modell konsequent in der Implementierung in einem Programm referenziert werden. Es wird zum Bindeglied zwischen fachlichen Anforderungen und Lösungskonzept.

Die Ergebnisse der Kommunikation zwischen Realisierungsteam und Anwendern lassen sich so komplett abbilden. Um eine ausreichende Agilität in einem komplexen Vorhaben zu erreichen, muss das Modell iterativ entwickelt sein - zuerst in der Breite der Konzepte, danach sequenziell in den Bereichen mit der höchsten Priorität. Das Modell ist die Basis für alle fachlichen Diskussionen und reflektiert alle Änderungen der Anforderungen, die sich im Projektverlauf ergeben.

Gemeinsame Sprache

An Projekten arbeiten oft viele verschiedene Teams und Dienstleister, ohne vorher genau über die benutzten Terminologien unterrichtet zu werden. Selbst die einfachsten Begriffe interpretieren die Beteiligten verschieden oder falsch. Eine Nomenklatur ist laut Detecon essenziell.

Die Minimallösung ist ein Dokument, das Begriffe, Abkürzungen und Fachspezifika enthält, dem Projekt-Charter beiliegt und von allen Parteien akzeptiert wird. Außerdem sollten die Definitionen in den weiteren Dokumentationen immer wieder aufgeführt werden, damit die Begriffe auch bei wechselnden Teammitgliedern gleich interpretiert und verstanden werden.

Einsatz von Dokumentationsstandards

Die gemeinsame Sprache und das Domänen-Modell verbessern die Qualität der Kommunikation bei der Planung. Die Dokumentation dagegen ist das Gedächtnis des Projekts und optimiert die Kommunikation auf der Zeitachse. Standards dafür sollten deshalb bereits im Frühstadium eines Projekts definiert und gelebt werden.

Das Management einer brauchbaren Dokumentation erfolgt ähnlich wie der Aufbau einer Bibliothek. Mindestens eine Person übernimmt die Funktion eines Bibliothekars. Standards sollten auch in der Gestaltung der Dokumente vorgegeben und eingehalten werden, wie zum Beispiel durch die Nutzung einer Unified Medeling Language.

Management der Stakeholder

Mit der Zahl der Stakeholder erhöht sich die Komplexität des Projekts. Ein Projektleiter gerät fast zwangsläufig in Konflikt mit der einen oder anderen Interessengruppe. Wer dauerhaft die Erwartungen ignoriert, wird kaum Erfolg haben.

Die Kunst liegt in der offenen Kommunikation mit den Stakeholdern. Erfolg hat nur der Projektleiter, der die Interessenlage sowie das Potenzial der Mitstreiter objektiv einzuschätzen weiß und Maßnahmen einleiten kann, die Konflikte reduzieren.

Domänen-Modell basiertes Design

Um ein funktionierendes, Daten verarbeitendes IT-System zu erhalten, muss das Domänen-Modell in eine geeignete Software überführt werden. Bei einem komplexen Projekt besteht die Gefahr, dass sich Domänen-Modell und Software-Design auseinander entwickeln. Denn das eine Modell wird von der Fachseite, das andere von Programmierern entwickelt. Im schlimmsten Fall ist das System unbrauchbar.

Notwendig sind eine enge Kommunikation, eine nachvollziehbare Abbildung zwischen Modell und Design sowie eine kontinuierliche Synchronisation beider Welten. Nur so kann ein relevantes Software-Design abgeleitet werden. Bewährt haben sich laut den Beratern von Detecon ein Objekt-orientiertes Design und sogenannte Design Patterns, um die Kommunikation zu formalisieren.

Aufwand methodisch abschätzen

Überzogene Budgets und unzureichende Ressourcen sind häufig Gründe für das Scheitern von Projekten. Ein komplexes Vorhaben sollte nie ohne eine sorgfältige Abschätzung des Aufwands starten. Die Kommunikation und Verifikation der Abschätzung erhöht das Vertrauen aller Beteiligten in den Projektplan. Aber Vorsicht: Unrealistische Schätzungen wirken schnell demotivierend.

Agiles Projekt-Management

Agiles Projekt-Management erhöht die Flexibilität im Projekt bei neuen oder geänderten Anforderungen. Dazu wird durch eine umfassende Kommunikation ein Konsens zu den Zielen im Ganzen hergestellt. Einzelne Teilaufgaben werden erst bei Bedarf iterativ im Detail geplant und implementiert.

Aktive Teamkommunikation

Im agilen Projekt ergänzen enge Interaktionen im Team und mit dem Kunden die Dokumentation. Die Entwicklung findet in kurzen Zyklen von wenigen Wochen statt. Dadurch steht immer eine funktionsfähige Software für Tests und als Referenzobjekt beim Kunden zur Verfügung. Tägliche kurze Team-Meetings ermöglichen, schnellstmöglich ein produktives Ergebnis zu entwickeln.

Eine wichtige Rolle spielt dabei das Prinzip der Selbstorganisation. Ein kleines Team wird mit einem Ziel losgeschickt. Dabei gibt es keine bürokratischen Statusberichte, keine Sitzungen des Lenkungsausschusses und keine Kontrollen. Das Team bekommt alles, was es benötigt. Störende Einflüsse von außen werden vom Teamleiter abgeblockt.

Application Life Cycle Management Tools

Eine verlässliche Dokumenten-Kommunikation muss Konsistenz, Veränderungen und Abhängigkeiten der Projektfakten berücksichtigen. Notwendig ist ein System, dass als Single Source Repository alle Planungs- und Entwicklungsartefakte in allen Versionen speichert, den Realtime-Status über den Erfüllungsgrad aller Aktivitäten darstellt und einfache Hilfsmittel in allen Phasen zur Verfügung stellt.

Application Life Cycle Management Tools sind essenziell für den Erfolg, vor allem beim Offshoring. Denn dort sind direkte Interaktionen mit den auf verschiedene Zeitzonen verteilten Teams schwer zu bewerkstelligen.

Integratives Denken

Alle Maßnahmen setzen die Bereitschaft voraus, die Vielzahl von Anforderungen, Lösungsansätzen und Konflikten in einem Projekt integrativ zu betrachten. Eine offene, professionell betriebene Kommunikation, die nicht nur top-down von der Projektleitung erfolgt, sondern auch Feedback fördert, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor in komplexen Projekten.