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Sam Palmisano ist langfristig optimistisch

16.05.2002
In seinem ersten Meeting mit der Wall Street als IBM-CEO ließ Samuel Palmisano wichtige Fragen offen - vor allem, wie der Konzern weiter wachsen und ob er in diesem Jahr Stellen streichen will.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - IBMs President und neuer CEO (Chief Executive Officer) Samuel "Sam" Palmisano hat gestern zum ersten Mal im neuen Amt das routinemäßige halbjährliche Meeting mit den Finanzanalysten der Wall Street absolviert. Zwei Fragen standen im Mittelpunkt des Interesses: Was tut der Konzern um seine Umsätze zu steigern, und wird es zwecks Senkung der Kosten Entlassungen geben? Um es vorwegzunehmen: Beide blieben im Großen und Ganzen unbeantwortet.

Anders als Amtsvorgänger Louis Gerstner, der sich mit Visionen stets eher zurückhielt, bemüht sich Palmisano - sofern man das nach seinen wenigen öffentlichen Auftritten bereits sagen kann - eher darum, eine umfassendere Sicht der IT-Welt und IBMs Rolle und Chancen darin darzulegen. "Computerwire" kommentiert, vielleicht habe auch Palmisano einfach gelernt, dass Reden über Visionen Zeit braucht, in der man sonst lästige Fragen beantworten müsste - beispielsweise über IBMs Aussichten im Halbleiter- und PC-Markt (oder mögliche Entlassungen). Gerstner habe sich stattdessen kurz gefasst und seinen Lieutenants - wie Palmisano - das Reden über Einzelheiten wie die wunderbare Welt des E-Business überlassen. Bei beiden sei man aus dem Analysten-Meeting gegangen und habe sich gefragt, ob man überhaupt irgendetwas darüber erfahren habe, was IBM nun tun wolle oder auch nicht. Insofern sei Big

Blues Strategie im Umgang mit der Finanzwelt eigentlich konsistent geblieben.

"Wir nutzen die Krise, um unseren Wettbewerbern Marktanteil abzunehmen", erklärte IBM-Chef Sam Palmisano.
"Wir nutzen die Krise, um unseren Wettbewerbern Marktanteil abzunehmen", erklärte IBM-Chef Sam Palmisano.

Was nun Palmisanos Sicht der IT-Welt angeht, so hat IBM in den beiden letzten Jahren bei Datenbanken, Middleware, Servern und Storage zugelegt und bei Services und PCs im vergangenen Jahr zumindest die Stellung gehalten. Von Zeit zu Zeit gemahnte er die Analysten, dass die IT-Industrie immer noch attraktiv sei (als ob dem Konzern der Wechsel in eine andere Brache offen stünde). Das Wachstum der IT-Ausgaben habe zwischen 2000 und 2002 zwar unter dem Weltwirtschaftswachstum gelegen, aber nach 2003 wird es nach Schätzung von IBM wieder drei- bis vier Mal höher liegen. Dies entspräche in etwa dem Wert zu Zeiten der "Internet-Blase" zwischen 1995 und 1999.

Auf einer Folie präsentierte Palmisano das durchschnittliche Weltwirtschaftswachstum zwischen 1978. Deutliche Knicks gab es 1982, 1991 und 2001 (zweimal unter ein, einmal unter zwei Prozent). Das erste Datum korreliert mit dem Beginn der PC-Ära, das zweite mit dem Start der Client-Server- und Outsourcing-Revolutionen - aus Sicht des IBM-Chefs keineswegs zufällig. "Die Industrie verhält sich zyklisch", erklärte Palmisano. "Jeder Abschwung schafft neue Chancen, und gerade in Zeiten wie diesen entstehen neue Marktführer."

IBM stehe weiter zu Gerstners langfristiger Position, dass sich der Konzern in Wahrheit auf zweistellige Gewinnwachstum pro Aktie konzentriere (was auch immer 2002 eintrete). Auf den zweiten Teil von Gerstners Credo, nämlich kontinuierliches einstelliges Umsatzwachstum, ging er dagegen nicht ein. Die Frage, wie IBM denn das angestrebte Umsatzplus erreichen wolle - das wurde auch Gerstner seit einem Jahrzehnt immer wieder gefragt - hielt sich Palmisano eher bedeckt. Im PC-Geschäft beispielsweise komme es dem Unternehmen eher auf Kennzahlen wie Profit, Lageraustausch und Marktanteil im Firmengeschäft an.

Palmisano weiß wie auch der Rest der Führungsetage, dass IBM jedes Jahr zwischen eine und zwei Milliarden Dollar Kosten sparen muss, um ein zweistelliges Gewinnwachstum je Anteilschein zu erzielen. Gleichzeitig ist die Strategie der Armonker, Geld zu verdienen und dies wiederum in Forschung und Entwicklung zu stecken, um sich mit innovativen Produkten einen Vorsprung am Markt zu verschaffen - anders als beispielsweise Dell, dass mittels eines innovativen Geschäftsmodells praktisch ohne R&D im Wesentlichen die Produkte anderer verkauft.

Die Kostensenkung könnte in diesem Jahr unter anderem durch Entlassungen erreicht werden (entsprechende Gerüchte kursieren, Computerwoche online berichtete). Palmisano wollte dazu aber nichts sagen. Ein Analyst rechnete vor, dass wenn IBM die Belegschaft der Einnahmensituation anpassen wollte, der Konzern angesichts eines rund sechsprozentigen Umsatzschwundes seit Anfang 2000 nun rund 15.000 Mitarbeiter entlassen müsste. Palmisano erwiderte, so viele Angestellte verließen Big Blue alljährlich allein durch natürliche Fluktuation (und implizierte damit, dass ein bloßer Einstellungsstopp im Bedarfsfall bereits ausreichen würde, um die angesprochene Zahl zu erzielen). Palmisano legte seine Pläne aber noch nicht offen und wollte auch nicht näher erläutern, was er in einem internen E-Mail mit "Anpassung der Kapazität" gemeint habe. Wahrscheinlich ist aber, dass IBM im

Zuge seines Festplatten-Deals mit Hitachi sich von den 17.000 bisher in der Harddisk-Fertigung beschäftigten Mitarbeitern zumindest teilweise trennt und auch in seiner noch vor eineinhalb Jahren aufgebohrten Halbleiterfertigung, wo die Einnahmen um 40 Prozent eingebrochen sind, entlässt. Palmisano versicherte den Zuhörern zumindest, sie würden in Kürze mehr über seine Pläne erfahren, und ließ es dabei vorerst bewenden. (tc)