Provider-Management

4 Erfolgsfaktoren der Retained Organisation

07.05.2010 von Hubert  Buchmann
Beim Outsourcing muss die Retained Organisation den Dienstleister kontrollieren und steuern. Dafür brauchen die Mitarbeiter völlig neue Skills. An vier neuralgischen Punkten entscheidet sich, ob das Abkommen erfolgreich verlaufen wird, meint Hubert Buchmann von Maturity in seiner Kolumne.
Hubert Buchmann ist Managing Director beim Münchner Beratungshaus Maturity.

Zwar liegen die Zeiten der "Mega-Deals" im Outsourcing hinter uns, doch kann auch ein kleiner Vertrag große finanzielle und strukturelle Folgen haben, wenn er durch den Auftraggeber nicht adäquat kontrolliert und gesteuert wird. Diese Aufgabe leisten muss die sogenannte Retained Organisation, die sich in der Regel aus Führungskräften und Mitarbeitern des Auftraggebers zusammensetzt.

Sie müssen sich auf gravierende Veränderungen durch das Outsourcing einstellen: Andere Fähigkeiten als bisher sind gefragt, und nicht jeder Administrator ist von Natur aus ein Experte für Vertragsverhandlungen oder den Zuschnitt von Services. Waren einst IT-Skills wichtig, lebt die Retained Organisation von Management-Skills. Daher kommt es oft zu Reibungspunkten und Bruchstellen.

Vier Bereiche sind entscheidend für den Erfolg der Retained Organisation: Die Ausgangsposition, eine realistische Abschätzung des Aufwands, die Auswahl der Mitarbeiter sowie die Ausprägung der Provider-Steuerung.

1. Aufbau, Vertragsgestaltung und Organisation

Der Prozess, eine Retained Organisation zu schaffen, läuft vielfach zufallsgesteuert ab. Sobald die Verträge erstellt sind, sollte auf Kundenseite der jeweilige Gegenpart zu den Mitarbeitern des Providers aufgesetzt werden. Als Problem stellt sich immer wieder heraus, dass die an der Vertragsgestaltung beteiligten Fachkräfte hinterher das Unternehmen verlassen.

Ihre Nachfolger in der Retained Organisation müssen die Versäumnisse und Fehler dann über die Vertragsaufzeit ausbaden. So werden die "Übriggebliebenen" ins kalte Wasser geworfen, bekommen Aufgaben zugeordnet und müssen dann den Provider kontrollieren – nicht die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start.

Ist die Retained Organisation klein, sind als Mitarbeiter eher Generalisten gefragt: Ökonomische und juristische Fragen werden von ihnen beantwortet oder eskaliert, Projekte gesteuert und Ressourcen beziehungsweise Anforderungen abgewogen. Incident- und Problem-Management gehören auch zur Tagesordnung, denn schließlich wenden sich die Endanwender bei Vorfällen selten direkt an den Provider. Im Projektgeschäft werden außerdem variable Leistungen angefordert, beurteilt, eingekauft und kontrolliert.

Für eine komplett ausgestattete Retained Organisation hingegen müssen rechtzeitig Stabsfunktionen des Unternehmens gespiegelt werden. Hier werden ausgewiesene Spezialisten auf den jeweiligen Positionen eingesetzt, also etwa für Controlling, Einkauf, Billing, Rechtsfragen, Kommunikation und Service-Management.

2. Kosten: 10 Prozent des Auftragsvolumens

Eine durch Spezialisten ihrer Fachgebiete angereicherte Retained Organisation bildet einen signifikanten Kostenblock. Häufig beklagen sich Provider darüber, die ihnen gegenüberstehenden Retained Organisations seien überdimensioniert. Der Hintergrund: Der Gesamtabnehmer der Leistungen muss die Steuerung des Dienstleisters immer mitzahlen. Durch den zusätzlichen Aufwand der Retained Organisation fallen die Produktkosten insgesamt deutlich höher aus als der vom Provider berechnete Basispreis.

Sobald der Endkunde das nicht nachvollziehen kann, schiebt er den Mehrpreis in der Regel auf den Provider. Dieser wiederum muss sich für Kosten rechtfertigen, die er nicht unmittelbar zu verantworten hat. Das führt zu Spannungen zwischen den Parteien und belastet das Tagesgeschäft.

Forrester Research hat vor einigen Jahren den Aufwand für die Retained Organisation auf drei bis sieben Prozent des Vertragsvolumens beziffert. Dies mag bei kleineren Deals durchaus zutreffen, wenn die Retained Organisation auf klassische Funktionen des Unternehmens wie den Hausjuristen zugreift, wodurch die Kosten an anderer Stelle anfallen.

Bei großen und voll ausgestatteten Steuerungsgruppen – einer Art Unternehmen im Unternehmen – werden alle Kosten sichtbar, weil sie direkt bei der Retained Organisation und damit beim Gesamtabnehmer aufschlagen. Hier ist es realistischer, den Aufwand für die Retained Organisation mit etwa zehn Prozent des Outsourcing-Volumens anzusetzen. So wird der eigentlich lohnende Deal schnell zu einem Zuschussgeschäft.

3. Mitarbeiter: Management-Skills statt IT-Experten

Bei der Steuerung des Providers werden Mitarbeiter mit Aufgaben konfrontiert, die früher zu den Randbereichen ihres Stellenprofils gehörten. Oft werden die falschen Mitarbeiter behalten – technische Experten, die kaum über Skills verfügen, die in einer Retained Organisation gefragt sind. Selten gelingt es jedoch einem IT-Experten, von der Technik loszukommen und sich Management-Herausforderungen zu verschreiben. Anderen die zugegebenermaßen schöne Aufgabe zu überlassen, technische Lösungen zu konzipieren, fällt in der Tat schwer – doch ist es nötig, sich an dieser Stelle weiterzuentwickeln.

Die Überlegung, technisches Fachwissen in der Retained Organisation abzubilden, um den Anschluss nicht zu verlieren und bei Bedarf eines Tages die Services ins Unternehmen zurückholen zu können, ist zumeist eine Verschwendung von Ressourcen.

Sollte der Insourcing-Fall eintreten, muss eine IT-Organisation ohnehin das operative Personal komplett wieder aufbauen. Da kommt es auch nicht auf Techniker an, die extra für den Ernstfall vorgehalten werden. Unstrittig ist, spezielle Aufgaben und Kompetenzen im Unternehmen zu behalten. Hierzu zählt etwa die grundsätzliche Architektur der IT. Wird jedoch die Server-Technik auslagert und gleichzeitig das Know-how in der Organisation behalten, zeugt dies nicht gerade von einem hohen Vertrauen in den Provider und die eigene Fähigkeit, externe Services zu beziehen.

4. Kontrolle: CIO muss loslassen können

Manager tendieren dazu, nicht loslassen zu können, Mitarbeitern alles haarklein vorzugeben und sie akribisch zu kontrollieren. Das Führen über Ziele ist effektiver, erfordert aber eine gewisse Abstraktionsfähigkeit und setzt die Bereitschaft voraus, Freiheiten einzuräumen. Allerdings tun sich Manager schwer, im Outsourcing-Fall Ziele zu definieren und vorzugeben. Kaum jemand weiß schließlich, welchen Preis er dem Provider für eine abstrakte Leistung setzen soll.

Dies führt zum Ansatz, mit Open Books über den Aufwand des Dienstleisters für Hardware, Software und Personal auf den "angemessenen" Preis schließen zu wollen. Sinnvoller ist es, Dienstleistungsverträge und Services großzügiger anzulegen und nicht zu zersplittern, um den Wartungsaufwand des Deals zu senken.

Kontrolleure bevorzugen den Einkauf technischer Leistungen, also eines SAP-Servers oder eines TB Storage. Derartig geprägte Retained Organisations haben einen enormen Bedarf an technischem Fachwissen, das sie in die Diskussionen mit dem Provider einbringen wollen. Eine glückliche Lösung ist das selten: Wenn schon ein IT-Bereich an einen Dienstleister ausgelagert wird, sollte dieser auch gleich die technischen Probleme für den Klienten lösen.

Es ist ein Unterschied, ob man ein HR-System oder eine Personalabrechnung einkauft. In letzterem Fall sollte es für den Kunden irrelevant sein, welches Betriebssystem und welche Hardware der Provider verwendet. Entscheidend beim Outsourcing ist, welche Leistung in welcher Qualität zu welchem Preis geliefert wird.

Auch muss man dem Dienstleister die Chance lassen, bei der Lösung eigene Kreativität ins Spiel bringen zu können. Wenn dem Provider die Luft zum Atmen genommen wird, kann er keine Höchstleistungen vollbringen. Daher trifft die Weisheit, weniger sei manchmal mehr, in der Regel auch auf die Ausgestaltung der Retained Organisation und ihre Ausübung der Kontrolle zu.

Hubert Buchmann ist Managing Director beim Münchner Beratungshaus Maturity.