KPIs und Experten fehlen

4 Gründe, warum es mit BI nicht klappt

22.10.2012 von Hartmut  Wiehr
Die Gesundheitsbranche arbeitet laut Aberdeen Group nur halb so produktiv wie andere. Eine Ursache: Beim Einsatz von Business Intelligence hapert es gewaltig.
Aberdeen-Autor David White sieht einen enormen Bedarf an BI und Big Data im Healthcare-Sektor. Nur so könne er wirklich wirtschaftlich arbeiten.
Foto: Aberdeen Group

In dem Papier "Healthcare Analytics: Has the Need Ever Been Greater?“ diagnostiziert Autor David White von der Aberdeen Group einen dramatischen Wandel im Gesundheitswesen Europas und der USA: Reformen der gesetzlichen Vorgaben und neue Organisationsformen, die sich an der Privatwirtschaft ausrichten, setzen neue Anforderungen. Nötig würden effektivere Arbeitsabläufe und Prozesse, wobei der IT immer mehr die Rolle einer vorwärtstreibenden Kraft zukomme.

Doch noch, so die Aberdeen Group, hinke der Healthcare-Bereich in Sachen operationaler Umsetzung den führenden Wirtschaftssektoren ("Best-in-Class“) weit hinterher. Dies gilt besonders für die Arbeitsproduktivität, bei der man fast um 50 Prozent zurückliege. Bei den Reaktionszeiten auf Kundenanforderungen liegt man sogar um 54 Prozent zurück und bei der Umsetzung von geschäftlichen Anforderungen um 56 Prozent.

Budgetkürzungen stehen bevor

Für Aberdeen steht die eigentliche Bewährungsprobe in den meisten Ländern aber noch aus, da geringere Umsätze in den meisten Healthcare-Institutionen zu Budgetkürzungen führen würden. Generell gilt für Aberdeen: "Wenn die Umsätze sinken, werden interne Kostenreduzierungen notwendig.“ Da im Gesundheitsbereich die Personalkosten den größten Anteil an den Kosten ausmachen, sei besonders hier mit weiteren Kürzungen zu rechnen.

Viele Institutionen des Gesundheitswesens hätten deshalb Probleme, weil sie ihre Arbeit nicht oder zu wenig unter ökonomischen Gesichtspunkten betrachteten. Der Gesundheitsbereich sei inzwischen ein Geschäft wie andere auch, meint Aberdeen. Wie auch immer die selbstgesteckten Ziele aussehen würden, müsste man sich mehr um die Bilanzen, um das Verhältnis von Einnahmen, Ausgaben und Überschuss kümmern.

Zum Teil liege der Grund für das mangelnde ökonomische Verständnis des eigenen Unternehmens daran, dass Business Intelligence (BI) zu wenig im Gesundheitswesen eingesetzt wird. Lediglich Abteilungen wie allgemeine Verwaltung oder Finanzen setzen BI intensiver ein. Bei den "Top-Performing Companies“, die Aberdeen zum Vergleich heranzieht, liegt die Verbreitung dagegen bei über 50 Prozent.

Datenflut in Krankenhäusern und Arztpraxen

Die Aberdeen Group sieht die Healthcare-Branche im Vergleich zu anderen Sektoren bei Wirtschaftlichkeit und Effizienz weit zurückliegend.
Foto: Aberdeen Group

Das Problem verschärft sich für Aberdeen dadurch, dass auch Krankenhäuser, Arztpraxen oder Krankenhäuser in einer zunehmenden Flut von Daten ertrinken. Jedes Unternehmen müsse heute im Vergleich zu der Situation vor drei Jahren durchschnittlich mehr als 2,5 mal so viel digitale Informationen managen. In manchen Bereichen wie Retail oder Telekommunikation gehöre das zur normalen Geschäftsentwicklung, wenn wachsende Verkaufszahlen registriert oder mehr mobile Telefonate abgespeichert werden. Auch in medizinischen Institutionen werden heute mehr Daten erfasst und aufgezeichnet, allerdings zu einem größeren Bestandteil noch immer auf Papier. Das erschwert den Einsatz moderner Methoden von BI, Data Warehouses, Analytics oder "Big Data“.

Zwar gibt es inzwischen diverse Analytics-Angebote von Dell, HP, IBM und anderen auf dem Markt, die sich speziell an den Healthcare-Sektor richten, doch werden sie zurückhaltend aufgenommen, wie dies bei IT in diesem Wirtschaftsbereich noch üblich ist. Hinzu kommen organisatorische und kulturelle oder Healthcare-spezifische Gründe, die einer Anwendung solcher Methoden im Wege stehen.

Aberdeen zählt unter anderem auf:

1. Im Vergleich zu anderen Branchen sieht man nur eine geringe Anwendung von KPIs (Key Performance Indicators), um die Leistungsfähigkeit in allen Abteilungen zu messen. Da es kaum KPI-Definitionen gibt, verfügt man auch nicht über entsprechende Datensammlungen – eine wesentliche Voraussetzung für interne Analytics und BI.

2. Darüber hinaus fehlt es an solidem analytischem Wissen und an eigenen Experten. Diese gebe es zwar teilweise in den IT-Abteilungen, aber nicht in den einzelnen Geschäftsbereichen. Reports, grafische Darstellungen oder Dashboards könnten deshalb nur von einigen Personen gelesen und verstanden werden. Trainingsmaßnahmen seien unbedingt erforderlich, um diese Lücken zu schließen.

3. Wenn Daten erhoben werden, achtet man zu wenig auf ihre Qualität und Zuverlässigkeit. Aber wenn BI-Tools zum Einsatz kommen sollen, ist die Überprüfung der Datenqualität einer der ersten wichtigen Schritte. Aberdeen kritisiert auch, dass interne Datenerfassungen in verschiedenen Abteilungen von Gesundheitsorganisationen nicht genügend aufeinander abgestimmt sind.

BI und Analytics als Helfer bei wirtschaftlichen Problemen

Festlegung von KPIs und mehr Know-how in BI und anderen Messmethoden sind im Gesundheitswesen notwendig.
Foto: Aberdeen Group

4. Es gebe intern auch kaum Abstimmungen über den Prozess und die Kontrolle der Datenerhebungen. Einige Abteilungen gehen monatlich vor, andere lassen sich drei Monate Zeit für ein Refresh. Eine gezielte Koordination oder die Bestimmung eines BI-Beauftragten könnten hier weiterhelfen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass der Healthcare-Bereich zwar einige Schritte in Richtung gewinnorientierte Privatwirtschaft gemacht hat. Dies aber nur halbherzig. BI und Analytics könnten den Weg nach vorne weisen.