Insourcing und Konsolidierung bei Infineon

60 Millionen sparen - für Innovationen

16.11.2007 von Rolf Roewekamp
Der Halbleiterhersteller trennt seine IT von der Speicherchipsparte Qimonda. Das bietet die Möglichkeit, IT-Kosten um jährlich 60 Millionen Euro zu senken. Für das Ziel investiert CIO Michael Schmelmer alle schnellen Einsparungen in neue Projekte.
Michael Schmelmer, CIO Infineon Technologies: "Meine Sorge war, dass wir trotz hoher Fixkosten nur noch über ein Framework an internen Ressourcen und IT-Kompetenz verfügen."

Der Outsourcing-Grad lag sehr hoch, dass war der IT bei Infineon bekannt. "Trotz allem waren wir über die Potenziale überrascht, die wir durch Insourcing heben konnten", berichtet CIO Michael Schmelmer. "Inzwischen fahren wie einen sehr starken Insourcing-Ansatz."

Mit der Abspaltung der Speichersparte von Infineon fiel zugleich der Beschluss, die IT zu trennen. Die Mitarbeiter in der IT wurden anteilig und unter Berücksichtigung der Standortgegebenheiten auf beide Unternehmensteile aufgeteilt. "New Infineon" gab dabei 40 Prozent der weltweit rund 1.300 IT-Mitarbeiter ab und verlor sein einziges Nearshore-Center in Bratislava. Es blieben jedoch Fixkosten an zentralen Standorten wie München, Singapur und Klagenfurt an Infineon hängen. "Meine Sorge war, dass wir trotz hoher Fixkosten nur noch über ein Framework an internen Ressourcen und IT-Kompetenz verfügen", sagt Schmelmer.

Er entschied sich deshalb, die IT einer Prüfung zu unterziehen: Welche Fixkosten, welche Ressourcen und welches Know-how waren noch verblieben? Für das Assessment holte sich Schmelmer externe Hilfe ins Haus, obwohl er kein zu großer Freund von Beratern ist. "Aber ich habe die Infineon-IT mit aufgebaut, und nach sieben Jahren verliert man die unabhängige Sicht", begründet er. Um nicht in alten Denkweisen steckenzubleiben, traf er mit den späteren Beratern eine ungewöhnliche Abmachung: "Wenn sie dachten, ich fange an zu blocken, sollten sie mich aus einer Diskussion rausnehmen. Was tatsächlich auch einmal passierte."

Unter vier Beratungshäusern entschied sich Schmelmer letztlich für Roland Berger, weil deren Vorgehensweise seinen Vorstellungen am meisten entsprach. Ein reiner Cost-Cut mit schnellen Erfolgen reichte ihm nicht. Der gewählte Ansatz orientiert sich nun am Net Present Value Ansatz (NPV). "Damit investieren wir schnelle Einsparungen wieder in neue Projekte", erklärt Schmelmer. Sie sollen später ihr Sparpotenzial entfalten. "Ab Ende 2008 wollen wir die heutigen IT-Kosten um 60 Millionen Euro reduziert haben." Er räumt allerdings ein: Solch einen Ansatz könne man nur fahren, wenn das Management nicht ausschließlich auf kurzfristige Kostensenkungsmaßnahmen dränge.

Um passende Projekte zu identifizieren, analysierte Schmelmer fünf Bereiche: Wertschöpfungstiefe, Organisation und Ressourcen, Kosten, Komplexität sowie weiche Faktoren wie Zusammenarbeit und Selbstverständnis. Am Ende der Bestandsaufnahme von Mai bis Juli 2006 standen 80 Maßnahmen, alle mit einem Business Case. Nur bei acht Projekten stellte sich bei der späteren Detailprüfung heraus, dass sie sich nicht rechneten und deswegen entfielen. Insgesamt identifizierte die IT allein bei den Fixkosten ein Sparpotenzial von 15 bis 20 Prozent jährlich.

Das Verhältnis IT-Kosten gemessen am Umsatz blieb mit der Ausgliederung von Qimonda nicht das alte. Ziel das gesamten Projektes war es deshalb, dieses Verhältnis deutlich zu verbessern. "Der CIO als IT-Chef sollte immer wieder mal nur auf die IT sehen und schauen, ob er noch angemessen in die richtigen Projekte investiert und ob er die Ressourcen noch auf Business-Projekten mit hoher Proiorität allokiert hat", rät Schmelmer.

Am meisten wird Infineon mittelfristig bei den Applikationen sparen. "Wir konsolidieren innerhalb von zwölf Monaten unsere SAP-Systeme auf vier Instanzen", nennt Schmelmer eines der größten und komplexesten Projekte. Darüber hinaus löst er bis März 2008 ein Mainframe-System (BS2000) ab, das Infineon noch zusammen mit Qimonda nutzt. Das Geld für diese und weitere Projekte wie die aktuelle SAP-Netweaver-Version, SAP-CRM und VoIP liefern die Quick Wins aus der Infrastruktur. In der Infrastruktur konsolidiert Infineon unter anderem in den Bereichen WAN, Research and Development und User Help Desk (UHD).

Sparen durch Insourcing

Auch das Insourcing spart eine Menge Geld. So zieht Infineon an seinem europäischen Standort im österreichischen Klagenfurt sowie im südostasiatischen Melakka in Malaysia bisher ausgelagerte Dienste zusammen. Damit entfällt unter anderem das aufwendige Vendor-, Service- und Cost-Management. Ein weiterer wichtiger Grund, das Insourcing zu forcieren, lag darin, Mitarbeiter für höherwertige Dienstleistungen wie im Applikationsumfeld (zum Beispiel Second- und Third-Level-Support) an das Unternehmen zu binden. Außerdem evaluiert die IT gerade den Aufbau eines eigenen neuen europäischen Nearshore-Standorts.

Die seit September 2006 laufende Realisierungsphase ITAM (IT Assessment Measures Implementation Program) führt Schmelmer ohne Berater durch. Jedem Projekt ordnete er einem Manager zu, der als Kostenstelleninhaber die Sparziele verantwortet. Aus eigener Verantwortung wusste Schmelmer auch, dass beim Sparen schnell natürliche Abwehrmechanismen anspringen. Um aber die Ziele nicht zu verwässern,richtete er ein Implementierungs-Office ein, das die Sparvorgaben kontrolliert.

Der Hauptsitz von Infineon.

Ein externer Berater sollte auf keinen Fall die Leitung des ITAM-Office übernehmen. Er wäre immer dem Vorwurf ausgesetzt gewesen, er habe keine Ahnung vonder internen IT und wisse nicht, dass man so viel gar nicht sparen könne. Aufgrund dieser Argumente übertrug Schmelmer die Führung Klaudia Seiling, einer erfahrenen Projektmanagerin von Infineon. "Die Leitung musste jemand übernehmen, der früher schon einmal Re-Engineering-Projekte umgesetzt hat und der das operative Geschäft kennt", begründet der CIO.

Außer dem ITAM-Office bestand ein weiterer Erfolgsfaktor darin, den Vorstand frühzeitig mit einzubeziehen und sich somit nicht unnötig Feinde im Management zu schaffen. Alle zwei Wochen traf Schmelmer sich mit dem Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Ziebart und Finanzvorstand Peter J. Fischl.

Lehren aus dem Projekt

Fakten zur Infineon Technologies AG.

Skepsis kam dagegen aus den Fachbereichen. Bei all den Einsparprojekten fürchteten sie nicht zu Unrecht, die Verfügbarkeit könne sinken, und Funktionen als Folge der Standardisierung könnten entfallen. Schmelmer konnte die Sorgen gut nachvollziehen. Denn nach einem achtwöchigen Assessment konnte die IT nicht exakt abschätzen, wie sich die Maßnahmen auswirken würden. Eine Lehre hat er daraus schon gezogen: "Beim nächsten Sparprojekt würde ich weitere drei Wochen an das Assessment hängen, um intensiver mit den Fachbereichen zu diskutieren." Außerdem würde er das Thema Business-Ressourcen und Gesamtprojektkosten stärker mit einbeziehen, eventuell sogar noch einen Business-Projektleiter als Koordinator installieren.

Rund 40 Prozent der Projekte sind erledigt, weitere 40 Prozent laufen noch. Bis Ende September 2008 will die IT auch die restlichen 20 Prozent abschließen. "Ohne die Reduktion der Komplexität des Geschäfts, wie sie durch die Ausgliederung von Qimonda erzielt wurde, wären aber solch hohe Einsparungen bei Applikationen und Insourcing nicht möglich“, meint Schmelmer.

Noch eine Lehre für seine küftige Arbeit hat Schmelmer aus dem Projekt gezogen. "Wann immer sich ein Unternehmen oder eine Unternehmenseinheit neu strukturiert, muss das IT-Management schauen, wo in der IT umstrukturiert und vereinfacht werden kann. Damit erbringt die IT einen weiteren Beitrag zur Kosteneffizienz", rät der Infineon-CIO. An der NPV-Betrachtung als Instrument für die Definition von Maßnahmen will er dabei auch künftig festhalten und Quick Wins immer wieder in innovative Sparprojekte investieren.

Die Vita von Michael Schmelmer.