Digitalisierung und Führung

7 Merkmale erfolgreicher Digital Leader

15.06.2020 von Esther Shein
Wer den Wandel im Unternehmen vorantreiben will, braucht eine Kombinationen verschiedener Eigenschaften.
  • Während 2012 noch 45 Prozent der Unternehmen angaben, die nötigen Führungsqualitäten für die Digitalisierung zu haben, sind es aktuell nur noch 35 Prozent
  • Die sieben Merkmale kreisen um Kommunikation, Fehlerkultur und Recruiting
Die digitale Transformation stellt neue Ansprüche an Führungskräfte.
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Digitalisierung und ihre Begleiterscheinungen bleiben eine Herausforderung für Führungskräfte. So haben die Berater von Capgemini und George Westerman (MIT) zwei Befragungen miteinander verglichen, die sie im Abstand von einigen Jahren unter gut 1.300 Managern weltweit durchgeführt haben. Aktuell erklären knapp vier von zehn Entscheidern, über die nötigen digitalen Fähigkeiten zu verfügen - dieselbe Menge wie 2012. Während aber 2012 noch 45 Prozent der Firmen angaben, auch die nötigen Führungsqualitäten zu haben, sind es aktuell nur noch 35 Prozent.

Unabhängig von diese Studie zeigt die Praxis, dass sich erfolgreiche Digital Leader durch sieben Eigenschaften auszeichnen:

1. Sie sind gute Kommunikatoren: Eric Sigurdson ist CIO bei der Beraterfirma Russell Reynolds Associates. Seine Haltung: eine gute Führungskraft unterstützt das Business beim Priorisieren und Artikulieren seiner Ziele. Dazu gehört etwa das Kommunizieren des Zeitrahmens eines Projektes. Außerdem verfügen solche Führungskräfte über Verhandlungsgeschick mit internen wie externen Beteiligten. Nicht zuletzt können sie gut zuhören, zwischen den Zeilen lesen - und ihren Optimismus bewahren.

2. Sie machen die Dinge möglichst einfach: Für George Brady, Executive Vice President und CTO (Chief Technology Officer) bei Capital One, sind Konzentrationsfähigkeit und die Fähigkeit zur Vereinfachung die Schlüssel. Er sucht Prozesse ständig auf Effizienzsteigerungen ab, um Überflüssiges zu vermeiden.

3. Sie stellen neugierige Menschen ein: Laut Dave Castellani, Senior Vice President und Business Information Officer bei New York Life, braucht gute Führung Mitarbeiter, die widersprechen. Er will Leute in seinem Team haben, die sagen: "Ich halte Ihren Ansatz nicht für richtig und ich kann Ihnen auch sagen, warum." Bei Neueinstellungen zieht Castellani intellektuell neugierige Menschen vor, die althergebrachtes Wissen hinterfragen. Anders sei die Forderung nach ständigem Lernen in einem sich ständig wandelnden Markt nicht zu erfüllen. Umgangssprachlich ausgedrückt, sagt Castellani: "Ich brauche keine zweite Version meiner selbst im Team!"

Wer führt, muss Vorbild sein

4. Sie packen mit an: Srini Koushik, CIO und CTO bei Magellan Health, pocht auf die Vorbildfunktion von Führungskräften. Mitarbeiter lernen umso besser, je stärker Chefs vorleben. Das Gegenteil einer guten Führungskraft ist für Koushik jemand, der schlaue Artikel über Digitalisierung liest, an sein Team weitergibt und sagt: "Macht mal!"

5. Sie können mit Fehlern umgehen: Castellani nennt es das "Paten-Prinzip": "Überbringe schlechte Nachrichten gleich!" Er hält Fehler für Teile jeden Lernprozesses. Daher dürften die Mitarbeiter nicht befürchten müssen, für Fehler bestraft zu werden. Gerät ein Projekt in eine Krise, kann eine gründliche Fehler-Analyse neue Erkenntnisse liefern.

6. Sie knüpfen gute Beziehungen - nicht nur mit Vertretern der Führungsriege: Larissa Tosch, Vice President of Information Technology und CIO bei der Glatfelter Insurance Group, hat als Entwicklerin in dem Unternehmen angefangen. Dann wurde ihr die Leitung eines Business-Analysten-Teams aus der Underwriting-Abteilung angetragen (Underwriter schätzen und zeichnen Risiken oder prüfen Anträge, Anmerkung der Red.). Das habe ihr geholfen, IT von außen zu betrachten, sagt Tosch heute. "Wir kennen alle diese Horrorgeschichten von IT-Abteilungen, die den Endanwendern etwas aufzwingen, oder von Fachabteilungen, die die IT übergehen", sagt Tosch. "Beides bringt auf lange Sicht keinen Erfolg." In der Digitalisierung brauchen Führungskräfte gute Beziehungen ins Unternehmen hinein.

7. Sie sind zukunftsorientiert: Wie Capital One-CIO Brady sagt, muss eine Führungskraft "immer um die Ecke denken" und sich nie in der falschen Sicherheit wiegen, schnell und gut genug zu sein. Srini Koushik von Magellan Health konsultiert Berater, von denen er sich Unterstützung beim Aufbau zukunftsfähiger Strukturen verspricht. Er sagt: "Man muss sich mit zukunftsorientierten Partnern verbünden."

Neue Führungspraxis für die digitale Welt
Der Sportdirektor eines Vereins
Der Sportdirektor eines Vereins stellt den Kader zusammen und gestaltet die Spiel- und Terminpläne für Wettkämpfe und Trainings. Er instruiert Talentscouts, kauft Spieler ein und stellt Bewegungsfreiheit für erforderliche Transfers sicher. Sein Ziel: Menschen zu finden und zu binden, die die Weiterentwicklung des Unternehmens konstant antreiben. Er erweitert die Suchkriterien für die Rekrutierung, stellt Mitarbeiter mit verschiedensten Hintergründen ein und ermöglicht Familien- und altersgerechte Arbeitszeitmodelle.
Führung in der Digitalisierung
Die Studie "Die Haltung entscheidet. Neue Führungspraxis für die digitale Welt" stammt von LEAD (Mercator Capacity Building Center for Leadership & Advocacy) in Kooperation mit der Unternehmensberatung Company Companions sowie der School of Public Policy (Central European University, Budapest) und dem Center for Leadership and Values in Society (Universität St. Gallen). Die Autoren empfehlen acht Rollen als Orientierungshilfen.
Die Landschaftsgärtnerin
Die Landschaftsgärtnerin gestaltet und pflegt Grünanlagen. Sie versteht das gesamte Ökosystem und weiß, wann welche Pflanzen im Jahreszeitenwechsel an welcher Stelle ihre Wirkung entfalten und wie alles zusammenspielt. Ihr Ziel: Das Unternehmen langfristig auf zustellen, wenn Krise und Veränderung zum Normalfall geworden sind. Sie ermöglicht schnelles „Prototyping“, geht unkonventionelle Partnerschaften ein und bricht Silos mittels heterogener, cross-funktionaler Teams auf.
Die Seismologin
Die Seismologin muss wissen, wo die Erde beben könnte. Dafür analysiert sie Daten, registriert feinste Erschütterungen und erkennt Spannungen frühzeitig. Sie erliegt aber nicht der Illusion, die Zukunft genau vorhersagen zu können. Ihr Ziel: Grundlagen für gute Entscheidungen in einer unübersichtlichen Welt zu schaffen. Sie etabliert „Situation Rooms“ zur Entwicklung von Handlungsstrategien, greift über digitale Plattformen auf verborgenes Wissen zu und schult ihre Intuition als zusätzliche "Datenquelle".
Der Zen-Schüler
Der Zen-Schüler ist in Ausbildung und Vorbereitung. Er lernt, reflektiert und prüft sich selbst. Achtsamkeit, Mitgefühl und Offenheit sind seine Tugenden, er pflegt eine disziplinierte (spirituelle) Praxis. Sein Ziel: Das finden, woran er sich festhalten kann, wenn sich alle an ihm festhalten. Er nutzt Coaching- und Mentoring-Programme, schafft physische Räume für den Ausgleich und richtet den Blick nach innen.
Der DJ
Der Discjockey bringt mit seiner Musik die Menschen zum Tanzen. Er setzt einen Rahmen, der motiviert, anregt und gemeinsame Energie erzeugt. Zugleich hat er ein offenes Ohr für Anregungen und sensible Antennen für das richtige Stück im richtigen Moment. Sein Ziel: Eine Kultur der Zugewandtheit zu schaffen – aber mit dem Fokus auf Ergebnisorientierung. Dafür baut er Empathie als Führungskompetenz auf, schafft Räume, in denen Menschen gerne arbeiten, und agiert als Vorbild für Zugewandtheit und Leistungsorientierung.
Die Intendantin eines Theaters
Die Intendantin eines Theaters wählt die Stücke für die Aufführung aus. Sie entwickelt den roten Faden und prägt die gesellschaftliche Wirkungskraft ihres Hauses. Die Künstler und deren Expertise bindet sie dabei ein. Ihr Ziel: in Zeiten großer Unsicherheit und Unplanbarkeit Orientierung zu geben. Über ein „Strategy Board“ schafft sie die Voraussetzung für Richtungsentscheidungen schaffen, erhöht mittels interaktiver Beteiligungsformen die Einigkeit über die Richtung – und hat den Mut zu klaren Ansage in der Krise.
Die Trainerin
Die Trainerin leitet eine Mannschaft taktisch, technisch und konditionell an. Sie bestimmt Trainingsablauf, Mannschaftsaufstellung und Strategie. Sie muss für Misserfolge geradestehen, Erfolge lässt sie ihrem Team. Ihr Ziel: Die Mitarbeiter zu mehr Verantwortungsübernahme zu befähigen. Dafür entwickelt sie über zeitgemäße Lernformate Kompetenzen entwickeln, baut gegenseitiges Vertrauen auf und führt Anreize zur Übernahme von Verantwortung ein.
Der Blogger
Der Blogger kommentiert Geschehnisse – zugespitzt, aufrüttelnd und meist aus einer persönlichen Sichtweise. Er will die Welt verstehen, erklären und übersetzen. Er lebt vom direkten Feedback der Leser. Sein Ziel: Veränderungsbereitschaft in die DNA des Unternehmens zu schreiben. Er kaskadiert die Geschichte der Veränderung in die Firma, moderiert gemeinsame Lernprozesse und gibt sichtbare Veränderungsanstöße.