Outsourcing

7 Stolperfallen bei Transition und Transformation

23.07.2013 von Jörg Hild
Beim Outsourcing ist die Übertragung der Leistungserbringung auf den neuen Provider eine wesentliche und kritische Phase. Gerade hier lauern tückische Fallen, die nicht selten darüber entscheiden, ob die Ziele der Auslagerung überhaupt erreicht werden.
Jörg Hild ist Partner IT Sourcing Advisory bei PwC Deutschland.
Foto: PwC

Ist die Tinte unter dem Outsourcing-Vertrag trocken, sind in der Regel beide Seiten erst einmal erleichtert. Aber oft wird übersehen, dass die wichtigste Arbeit jetzt erst beginnt: Den Übergang zu gestalten, denn von ihm hängt es ab, wie erfolgreich die langfristige Beziehung sein wird. Konkret geht darum, den IT-Betrieb - entweder vom Kunden oder dem bisherigen (Incumbent Provider) - auf den neuen Dienstleister zu übertragen. Dabei sind zwei Phasen voneinander abzugrenzen: Transition und Transformation.

Horizontale und vertikale Phasen

Die Transition ist ein rein horizontaler Prozess: Der IT-Betrieb wird in der Form, in der er gegenwärtig erbracht wird (CMO - Current Mode of Operation), zum neuen Dienstleister überführt. Es geht in dieser Phase um den Wechsel der Zuständigkeit, den vertraglichen Übergang. Ihr Abschluss wird markiert vom "Change of Control": Der alte Provider wird formell aus der Verantwortung entlassen, der neue übernimmt sie.

Die Transformation hingegen hat auch einen vertikalen Charakter. Während dieser Phase wird der heutige Betrieb zum künftigen, möglichst optimierten Zustand (FMO - Future Mode of Operation) weiterentwickelt. Technologien, Prozesse und Serviceinhalte werden entsprechend verändert - etwa Geräte ausgetauscht, Server konsolidiert, Applikationen zusammengeführt - mit dem Ziel, die Services effizienter zu erstellen und/oder durch andere Inhalte genauer auf den Kunden auszurichten.

Es ist der entscheidende Schritt, damit die mit der Outsourcing-Entscheidung verbundenen Ziele überhaupt erreicht werden. Die Grundlage dieser Phase ist eine klare Definition des neuen Betriebsmodells, damit der Kunde eindeutige Abnahmekriterien entwickeln kann. Bereits zu Beginn des Outsourcing-Prozesses sollte die Transformation deshalb als wichtiger Meilenstein erkannt und eingeplant werden.

Viele Verantwortliche fragen zu Beginn dieses Übergangs: Wäre es nicht sinnvoll, während der Transition-Phase auch gleich die Transformation anzugehen? Der vermeintliche Vorteil scheint auf der Hand zu liegen: Da ohnehin ein neuer Dienstleister ins Haus kommt und viele Veränderungen vorgenommen werden, geht alles "in einem Aufwasch" hin.

Doch wie so oft ist auch hier der Augenschein nicht der beste Ratgeber, denn eine solche Vermischung kann sich als ein gewaltiger Komplexitätstreiber erweisen. Multitasking birgt immer die Gefahr von Überforderung und Stress. Es gibt auf diese Frage keine eindeutig "richtige" oder "falsche" Antwort. Der Auftraggeber sollte sich aber des Risikos einer Phasenvermischung bewusst sein: Das System kann so instabil werden, dass das Ziel nicht mehr erreicht wird. Allenfalls in überschaubaren Bereichen, die die Komplexität nicht übermäßig erhöhen - zum Beispiel beim Austausch von Desktopgeräten - wäre sie zu empfehlen.

Wie der Übergang gestaltet werden sollte, hängt zudem von zwei Voraussetzungen ab: Wird der Servicebetrieb erstmalig außer Haus gegeben oder wird der bestehende Provider ausgetauscht? Im ersten Fall - man spricht von "First Generation Outsourcing" - spielt der Personalübergang eine große Rolle, denn viele bisher interne Mitarbeiter wechseln zum Dienstleister. Dabei sind umfassende Change-Management-Aktivitäten notwendig. Zudem hat der Kunde beim ersten Mal natürlich noch kaum Erfahrung mit dem Outsourcing sammeln können.

Beim "Second Generation Outsourcing", dem Wechsel vom gegenwärtigen zu einem neuen Provider, kann sich die Motivation des bisherigen Dienstleisters als Problem erweisen, denn er muss beim Management des Übergangs mitwirken, obwohl er durch einen Nachfolger ersetzt wird. Dem Kunden wiederum fehlt oft die Transparenz: Er weiß nicht genau, wie der Incumbent Provider die Services erbracht hat, und kennt nicht die notwendigen Details, um Situation richtig einzuschätzen. Das betrifft die eingesetzten Mitarbeiter ebenso wie die technische Infrastruktur und die genauen Abläufe.

Die Fallen in Transition-/Transformation-Projekten

Angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen, der inhärenten Komplexität und der Vielzahl von Handlungsoptionen ist es gerade in der Übergangsphase essentiell, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Transition- und Transformation-Projekte kosten in der Regel bis zu 10 Prozent des Vertragsvolumens. Leisten sich die Verantwortlichen hier schwere Fehler, kann das aber erheblich teurer werden - bis hin zur vollständigen Rückabwicklung, wenn die neue Outsourcing-Beziehung nicht funktioniert. Man kann sieben wesentliche Problemfelder identifizieren, in denen Stolpersteine lauern:

Stolperstein 1: Die Projektmethodik ist mangelhaft

Transition und Transformation sind verschiedene Phasen des Übergangs. Erstere ist markiert durch den Change of Control, letztere durch die Abnahme des neuen Betriebszustands.
Foto: PwC

Immer wieder stößt man auf Fälle, in denen der Projektplan, die Projektorganisation und die Vorgehensweise nicht detailliert genug vorbereitet wurden oder gar mangelhaft sind. Dafür gibt es mannigfaltige Gründe.

Häufig bestehen Unklarheiten über den aktuellen und den angestrebten Betriebszustand. Manche Dienstleisterteams sind schlicht überfordert, ein Projekt im Detail zu managen. Viele Zeitpläne erweisen sich als zu ambitioniert. Oft ist das Projektdesign nicht genau genug auf den Kunden zugeschnitten, weil der Provider einfach seine Standard-Vorgehensweise aufgepfropft hat. Und nicht zuletzt fehlen oft auf beiden Seiten die grundlegenden Projektmanagement-Skills.

Der Kunde sollte bereits zu Beginn einen klaren Projektauftrag erteilen und eine professionelle Projektorganisation sicherstellen. Wenn im eigenen Haus oder beim Provider die Kompetenzen nicht ausreichen, zahlt sich hier eine externe Unterstützung aus. Die zentralen klassischen Projektmanagement-Skills - wie Risikomanagement, Planung und Reporting - müssen im Team vertreten sein, im Zweifel per Training oder Zukauf erworben werden. Das Design der Transformation sollten Kunden und Dienstleister möglichst im Dialog erstellen - also keine Standardvorlagen verwenden - und gemeinsam verabschieden.

Ein professionelles, auf die jeweiligen Zielgruppen abgestelltes Change Management, das Change-Konzept, Kommunikationsplan, Maßnahmenkatalog etc. beinhaltet, sollte dafür sorgen, dass die Veränderungen, denen die Kundenmitarbeiter durch die neue Sourcing-Beziehung ausgesetzt sind, in die gewünschte Richtung gelenkt werden. Gerade bei Second-Generation-Outsourcing-Projekten kommt es nicht nur auf den Austausch zwischen Dienstleister und interner Steuerungseinheit an: Genauso wichtig ist die Kommunikation mit der Business-Seite, damit die Erwartungen der Anwender angepasst und der neue Dienstleister nicht von vornherein "schlecht geredet" wird.

Darüber hinaus sollte der Kunde eine eigene Projekt-Governance aufbauen um bei Bedarf schnell nachsteuern zu können. Vertragliche Rücktrittsrechte, geknüpft an vorher festgelegte Meilensteine, geben ihm zudem die Option, die Reißleine zu ziehen, wenn sich festgefahrene Situationen abzeichnen.

Stolperstein 2: Die Projektleitung ist überfordert

Eine besondere Herausforderung bei Transition und Transformation ist es, die Projektleiter des Kunden, des bisherigen und des neuen Dienstleisters optimal zu koordinieren.
Foto: PwC

Die Grundkonstellation im Übergangsprojekt besteht aus der problematischsten aller Beziehungen, dem Dreiecksverhältnis: den verantwortlichen Projektleitern bei dem bisherigen Dienstleister, dem Kunden und dem neuen Provider. Jeder hat spezifische Aufgaben und muss seinen Teil zum Gesamtergebnis beitragen.

Eine zentrale Rolle spielt der Projektleiter des künftigen Providers. Weist ausgerechnet diese Funktion Schwächen auf - etwa mangelnde Erfahrung, inhaltliche Unkenntnis oder unzureichende Projektmanagement-Skills - ist das besonders problematisch.

Ausgerechnet auf dieser Position findet oft während der Übergangsphase eine Fluktuation statt, denn manche Dienstleister schicken ihre besten Projektleiter gern von einem Kunden zum nächsten. Diese sind ist dann in der Angebots- und Anfangsphase dabei - nicht zuletzt, weil ihre Arbeitgeber beim Kunden einen guten Eindruck erwecken möchten - und werden dann ins nächste Akquise-Projekt delegiert. Nicht selten ist der neue Projektleiter weniger erfahren, vielfach wird er erst durch ein "Training on the Job" in dieser Position ausgebildet. Das führt zwangsläufig zu einem Bruch im Projektmanagement.

Empfehlenswert ist es deshalb, schon während der Ausschreibung mit dem neuen Provider zu vereinbaren, dass der Projektleiter mindestens bis zum Ende der Transformation-Phase zur Verfügung steht, gegebenenfalls sogar noch etwas länger, um einen stabilen Betrieb zu sichern. Der Kunde sollte sich vertraglich das Recht ausbedingen, auf einem Austausch des Projektleiters zu bestehen, sollte dieser sich als ungeeignet erweisen.

Die Steuerung des alten Dienstleisters kann entweder der Kunde oder der neue Provider übernehmen. Die beste Lösung sollte sorgfältig abgewogen und die Entscheidung abhängig von den Ressourcen, den Skills, aber auch dem manchmal delikaten Verhältnis zwischen den Parteien getroffen werden.

Stolperstein 3: Der alte Provider zieht nicht mit

Ein Transition- und Transformation-Projekt kann kritisch werden, wenn der Incumbent Provider nicht hinreichend mitwirkt. Hier wirkt sich das erwähnte Motivationsproblem aus. Es ist sogar durchaus verständlich, wenn er versucht, seine erfahrenen Mitarbeiter bei einem anderen Kunden zu platzieren, der ihm eine bessere geschäftliche Perspektive anbietet. Treten derartige Hindernisse auf, ist das meist eine Folge vergangener Versäumnisse, die den Auftraggeber jetzt einholen: Er hatte die Art der Leistungen, die der Dienstleister beim Übergang zu erbringen hat, sowie deren Umfang und Kosten im damaligen Outsourcing-Vertrag nicht oder nicht detailliert genug geregelt.

Wenn ein solch schwacher Vertrag vorliegt, sollte der Kunde versuchen, einen zusätzlichen Projektvertrag zu vereinbaren. Der alte Provider muss natürlich dazu bereit sein. Sein guter Wille wird gefördert, wenn er auch künftig an Geschäftsbeziehungen interessiert ist und keine verbrannte Erde hinterlassen möchte. Der Kunde kann seine eigene Position verbessern, wenn er den Ergänzungsvertrag schon während der Ausschreibung einfordert, bevor der neue Dienstleister ausgewählt wird. Da der bisherige Provider sich meist ebenfalls bewirbt, ist er in dieser Phase offener für solche Regelungen.

Stolperstein 4: Die Dokumentation taugt nichts

Die meisten Outsourcing-Verträge regeln die Dokumentation des Dienstleisters nur unzureichend. Ist sie mangelhaft, fehlen dem Kunden die Transparenz und das Detailwissen, um den Übergang wirksam zu steuern. Erneut holen ihn also Versäumnisse aus der Anfangsphase der Geschäftsbeziehung ein. Er sollte deshalb schon während der Vertragslaufzeit unbedingt darauf achten, dass der Dienstleister die vereinbarten Dokumentationspflichten erfüllt und nicht erst am Ende nachholt. Dies ist eine wichtige Aufgabe der Governance.

Stolperstein 5: Das Management schaut weg

Ist nach den oft intensiven Verhandlungen der Vertrag endlich unterschrieben, herrscht bei allen Beteiligten häufig das Gefühl: Jetzt ist das erst einmal abgeschlossen. Das Management des Kunden und des Dienstleisters, das bis dahin intensiv involviert war, wendet sich anderen Herausforderungen zu und überlässt den weiteren Gang des Outsourcing-Projekts den unteren Ebenen. Damit aber öffnet es einer Vielzahl der beschriebenen Probleme erst die Tür.

Beider Seiten sollten sich vergegenwärtigen: Die entscheidende Phase beginnt jetzt erst und muss mit der gleichen Aufmerksamkeit begleitet werden wie der Vertragsabschluss. Deshalb sollten die Parteien vereinbaren, dass auf der operativen wie der Managementebene eine regelmäßige Kommunikation stattfindet, und die dazu erforderlichen Prozeduren festlegen. Auf allen Ebenen sollten die Ansprechpartner eindeutig benannt sein. Zudem sollten für den Fall, dass bei Problemen die Regel-Kommunikation nicht ausreicht, die Eskalationswege und -prozeduren klar definiert sein.

Stolperstein 6: "Moving Targets" verhindern die Abnahme

Hat der Kunde anfangs den neuen Soll-Zustand nicht exakt beschrieben und mit dem künftigen Provider vereinbart, fehlen ihm am Ende der Transformation-Phase schlicht und einfach die Kriterien, um das Projekt abzunehmen. Häufig fällt es ihm schwer, diese Maßstäbe zu entwickeln, denn in der frühen Phase ist dazu eine Antizipation erforderlich:

Welche Effekte soll das Outsourcing bringen, und welches Betriebsmodell ist notwendig, um sie zu erreichen? Das ist eine komplexe Aufgabe, die viel Know-how und Erfahrung erfordert. Die Folge unklarer Vorstellungen sind dann "Moving Targets", die ein erhebliches Konfliktpotenzial in sich tragen. Der Kunde lehnt die Transition- und Neubetriebskonzepte des Providers immer wieder als unzureichend ab - der Dienstleister wiederum stellt Nachforderungen, weil die Ziele so nicht vereinbart waren.

Deshalb sollte bereits in der Ausschreibungsphase so genau wie möglich definiert und dann im Vertrag festgelegt werden, was die Zielumgebung leisten und wie sie aussehen soll. Die Wunschziele des Outsourcing - Kosten, Innovation, Flexibilität oder was auch immer - müssen auf Serviceinhalte und -volumina, Prozesse, technische Voraussetzungen, Skills usw. heruntergebrochen werden. Diese Herausforderung ist umso komplexer, als die gewünschte Zielumgebung mit den angestrebten Synergieeffekten in Einklang gebracht werden sollte:

Einerseits muss der Kunde seine Anforderungen eindeutig nennen, andererseits dem Dienstleister die Möglichkeit geben, diese mit seinen eigenen Standards zu optimieren. Es ist daher sehr ratsam, schon während der Ausschreibung zu klären, inwieweit die Kundenanforderungen und das Betriebsmodell des ins Auge gefassten Providers überhaupt kompatibel sind.

Stolperstein 7: Die Transformation ist falsch kalkuliert

Immer wieder kommt es vor, dass der Dienstleister versucht, während der Transformation seine Marge zu erhöhen, indem er die Kosten reduziert. Darunter leidet zwangsläufig die Qualität. Das ist meist keine Hinterhältigkeit, sondern der schiere Zwang, weil der Auftraggeber ihn durch harte Verhandlungen zu einer äußerst knappen Kalkulation gezwungen hat.

Der Kunde sollte darauf achten, dass im Vertrag die Transformation-Kosten separat ausgewiesen sind. Er sollte sie aber nicht eindimensional, sondern im Kontext des Outsourcing-Deals bewerten: Bei der Transformation handelt es sich um ein überschaubares, zeitlich abgegrenztes Projekt, in dem aber die Grundlagen für einen langfristig optimierten Betrieb gelegt werden. Diesen Posten in der Vertragsverhandlung zu sehr herunterzudrücken, könnte sich für das Gesamtvorhaben eher als kontraproduktiv erweisen.

Die Transitionsfähigkeit langfristig sichern

Angesichts der großen wirtschaftlichen und strategischen Bedeutung des Übergangs für das gesamte Outsourcing sowie der Risiken sollte der Kunde unbedingt sicherstellen, dass er langfristig "Transitionsfähig" bleibt: Er muss bei Bedarf immer wieder seine Gewerke von einem Dienstleister zum nächsten verlagern können, also möglichst autonom bleiben.

Abhängigkeit entsteht, wenn der Kunde keine Transparenz hat, die Inhalte von Services und Betrieb nicht überschaut, wenn die vertraglichen Rahmenbedingungen keinen Ausstieg erlauben oder wenn der Markt sein Angebot nicht annimmt, weil die potenziellen Dienstleister denken: "Der will ja nur ausschreiben, um die Konditionen zu verbessern, bleibt aber am Ende doch beim alten Provider." Er muss deshalb im eigenen Haus eine hinreichende Steuerkompetenz aufbauen, um einen Wechsel jederzeit inhaltlich und vertraglich managen zu können.

Jörg Hild ist Partner IT Sourcing Advisory bei PwC Deutschland.