Experton-Analyst

Abrechnung mit Outsourcing-Anbietern

01.08.2012 von Werner Kurzlechner
Viele IT-Dienstleister nehmen potenzielle Kunden nicht ernst. Die Anwender seien „stinksauer“, die Versprechen der Provider oft bloßes Marketing-Gedöns.

Ärger mit Anbietern von IT-Outsourcing kennt vermutlich jeder Anwender, der schon einmal eine solche Partnerschaft suchte oder noch lebt. Kunden aus dem Mittelstand werden von den Providern aber offenbar auf systematische Art gleichgültig oder herablassend behandelt. Das beanstandet jedenfalls die Experton Group. Analyst Heinz Schick schrieb jetzt – gewissermaßen als Anwalt und Sprachrohr der Anwender – einen merklich wütenden offenen Brief an die Dienstleister.

„Liebe Outsourcing-Anbieter, ist die Angebotserstellung und die Präsentation wirklich so schwer?“, fragt Experton. „Stinksauer“ seien die potenziellen Kunden ob der „Tricksereien“ in den Angeboten der Dienstleister. Damit gemeint seien das Weglassen von Inhalten und unvollständige Angaben. Bewusst würden zudem Schlupflöcher bei Zusicherungen eingebaut, um sich gegebenenfalls aus der Verantwortung stehlen zu können, insinuiert die Experton Group.

Experton-Analyst Heinz Schick: "Anscheinend haben es viele Outsourcing-Anbieter nicht mehr nötig, ein brauchbares Angebot abzugeben."
Foto: Experton Group

Es sei ein Fehler zu glauben, dass derlei Manöver von den Kunden nicht durchschaut würden. „Der dadurch erreichte Vertrauensverlust lässt sich später jedoch nur schwer korrigieren“, schreibt Schick.

3 zentrale Kritikpunkte

Im Wesentlichen umfasst die Experton-Kritik an den Providern drei Punkte.

Erstens stellen Anbieter ihre Leistungen nur vage dar oder unterschlagen bewusst notwendige Services. „In der Vertragslaufzeit muss der Kunde dann hohe Gebühren für diese Zusatzleistungen zahlen“, berichtet Schick.

Zweitens halten es viele Dienstleister nicht für nötig, ihr Standard-Angebot an die Ausschreibung des Kunden anzupassen.

Drittens sehen sie sich nicht in der Lage, überhaupt ein Angebot abzugeben. Als Ausflüchte werden dann beispielsweise mangelnde Kapazitäten genannt.

Gründe für die Fehlentwicklungen

Als Hintergrund für derlei Fehlentwicklungen macht Experton den derzeitigen Umbruch auf dem Markt für IT-Dienstleistungen aus. Zwar sei im Outsourcing-Markt der Trend zum Abschluss neuer Verträge und zur Fortführung bestehender Verträge nach wie vor ungebrochen.

Allerdings werde immer seltener eine komplette IT an einen einzigen Dienstleister ausgelagert. Deshalb gebe es vermehrt selektive Ausschreibungen und Deals mit einem eher geringen Volumen. Auf der Kundenseite stehen häufiger als früher mittelständische Firmen. Zugleich drängten mittelständische Dienstleister auf dem Markt, die nach Experton-Einschätzung von den Platzhirschen im Markt aber bisher nicht als Konkurrenz ernst genommen werden. „Diese Veränderungen sind bei vielen Anbietern offensichtlich jedoch noch nicht angekommen oder werden auf die leichte Schulter genommen“, so Schick. „Anders ist das Verhalten gegenüber den potenziellen Kunden nicht zu erklären.“

Als reines Marketing-Blabla nähmen sich in der Realität Werbebehauptungen aus, dass die Angebote maßgeschneidert für jeden Kunden zusammengestellt werden können und jeder Kunde wichtig sei. Die tatsächliche Geringschätzung für die Kunden und ihre Wünsche unterstreicht Experton an zwei Beispielen.

Nur 6 von 20 mit einem qualifizierten Angebot

In einem Fall habe ein Unternehmen 20 Dienstleister um ein Angebot gebeten. Sechs reagierten überhaupt nicht, nur sechs qualifizierte Angebote gingen ein. „Anscheinend haben es viele Outsourcing-Anbieter nicht mehr nötig, ein brauchbares Angebot abzugeben“, mutmaßt Schick und schiebt eine rhetorische Frage hinterher: „Oder sind sie so gut ausgelastet, dass sie keine Aufträge mehr brauchen?“

In einem anderen Fall schrieb ein Mittelständler neun Provider an. Vier Anbieter lehnten die Abgabe eines Angebots ab mit dem Hinweis, man wolle zunächst mit der Geschäftsleitung reden, zwei weitere sagten wegen mangelnder Ressourcen ab. Brauchbare Angebote wurden nur von drei Providern abgegeben.

Nur eine Kopie statt individuelles Angebot

„Viele Anbieter ignorieren die Angebotsaufforderung des Kunden und geben Angebote ab, denen das Drag & Drop-Verfahren deutlich anzusehen ist“, berichtet Experton weiter. „Beim Durchlesen taucht dann bisweilen auch noch der Name des Kunden auf, von dem man die Kopie gezogen hat.“ Zum einen eine Verletzung der Vertraulichkeit gegenüber dem alten Kunden, zum anderen ein Ausdruck dafür, dass man den neuen Kunden offenbar nicht ernst genug nimmt.

„Wenn Sie keine geeigneten Ressourcen für die Anfertigung eines qualifizierten Angebots verfügbar haben, ändern Sie die interne Organisation“, empfiehlt Schick den Anbietern. Präsentationen sollten lesbar und verständlich geschrieben sein und nicht vor Allgemeinplätzen strotzen. Im Übrigen seien Powerpoint-Präsentationen für diesen Zweck zu oberflächlich.

Berater zur Begutachtung hinzuziehen

Kunden-Anforderungen seien zu beachten, Abweichungen davon deutlich zu markieren – insbesondere wenn es sich um das Weglassen von Leistungen handle. „Holen Sie sich professionelle Hilfe von externen Beratern, um Ihr Angebot und Ihre Präsentation zu verifizieren“, rät Schick weiter. Ein Hinweis fasst gewissermaßen alles zusammen: „Nehmen Sie den Kunden ernst“, mahnt Experton an. „Er nimmt Sie auch ernst, sonst würde er nicht auf Sie zukommen.“

Versöhnlich weist Analyst Schick darauf hin, dass es auch positive Beispiele von Anbietern gebe. Diese hätten verstanden, dass sie den Wettbewerb um den Kunden nur dann gewinnen können, wenn sie ein fachlich gutes und auf die Anforderungen des Kunden zugeschnittenes Angebot abgeben. „Besonders wichtig ist, dass sich Kunde und Anbieter auf Augenhöhe gegenüberstehen“, so Experton. Gerade im Mittelstand sei der kulturelle Faktor nicht zu unterschätzen.