Rolf Isermann

Alles gut geregelt

07.04.2003 von Andreas Schmitz
Mechatronik, nach Einschätzung des MIT einer der wichtigsten Techniktrends überhaupt, ist das Spezialgebiet von Rolf Isermann. Der Wissenschaftler denkt gern über die Zukunft nach.

Das Telefon klingelt. Rolf Isermann, Chef des Instituts für Elektrotechnik und Informationstechnik an der Technischen Universität Darmstadt, nimmt ab. Am anderen Ende der Leitung ist Johann-Dietrich Wörner. Der TU-Präsident sucht nach einfachen Worten für wichtige Forschungsvorhaben an der Universität - etwa in Isermanns Spezialfach, der Mechatronik. Die Zeitschrift Technology Review vom renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge hat diese Technologie kürzlich zu einem der zehn wichtigsten Trends weltweit erklärt. In Fachkreisen wird diese Einschätzung durch das MIT als heimlicher Nobelpreis der Ingenieurwissenschaften gehandelt; denn in Stockholm gehen Ingenieure nach wie vor leer aus.

Zur Person Rolf Isermann (64): 1968 Privatdozent für Automatisierungstechnik in Stuttgart, 1972 außerplanmäßiger Professor für Automatisierungstechnik an der Universität Stuttgart, 1977 Professor für Regelungstechnik an der Technischen Universität Darmstadt, 1989 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Freie Universität Brüssel, 1996 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Polytechnische Universität in Bukarest, Verleihung des Ehrenrings durch den Verband der Deutschen Elektroindustrie, 1998 Gastprofessur an der University of California in Berkeley, 2000 Gründung des Studiengangs Mechatronik an der Technischen Universität Darmstadt

"Das ist die Aktion einer Zeitschrift mit hoher Auflage", versucht Isermann die Bedeutung der Ehrung herunterzuspielen. Er habe gar nicht geahnt, welche Resonanz die Auszeichnung auslösen würde. Doch inzwischen hat er jede Menge Zuschriften aus der ganzen Welt erhalten. Immer wieder klingelt bei ihm das Telefon; auch hohen Regierungsvertretern muss er Auskunft geben: "Ein mechatronisches System ist wie ein biologisches Organ", beginnt der Regelungstechnikingenieur Isermann dann immer, "mit Steuerungselementen wie Nervenzellen, deren Erregung blitzschnell auf Zellen wirkt, während Hormone eher langfristig den Zellverband beeinflussen und Nervenbahnen, die die Erregung weiterleiten." Diese Formulierung hat auch TU-Chef Wörner verstanden.

Auf dem Besuchertisch von Isermanns Büro im fünften Stock des Universitätsgebäudes steht das Schnittmodell einer mechatronischen Autobremse; daran lässt sich das Verfahren erläutern: "Es ist ein komplexes geschlossenes System, in dem elektrische Strom- und Signalleitungen Hydraulikschläuche ersetzen, die den Elektromotor mit mechanischem Getriebe ansteuern." Bislang galten mechanische Komponenten zwar als überdimensioniert, dafür aber äußerst zuverlässig, elektronische Systeme und Elektromotoren dagegen als anfällig.

Fehlerdiagnose steht im Mittelpunkt

Heute sagt Isermann: "Wir haben viele Kontakte." Neue Projekte braucht er gar nicht anzuschieben - die Aufträge aus der Industrie kommen auch so. Wenn er wollte, könnte er bis zu seinem 68sten Lebensjahr weiter im Institut arbeiten. "Warum sollte ich aufhören?"

Immer zum Jahresanfang geht der Institutschef mit seinen 25 Mitarbeitern ins Kleinwalsertal nahe Oberstdorf ins Hochschulheim der TU. "Hier machen wir die Pläne fürs Jahr." Gut organisierte Teams zu haben ist für ihn sehr wichtig. "Da werden die Aufgaben und Projekte besprochen, und jeder weiß dann, was er zu tun hat."

Und wenn doch mal jemand Hilfe braucht, kann er auf Isermanns Erfahrung bauen. Der kennt meistens auch Fachliteratur und Projekte, die schon Jahre zurückliegen. "Was du da machst, hat der schon gemacht. Versuch den mal anzuzapfen; ihr macht was ganz Ähnliches und wisst gar nichts voneinander", rät er hin und wieder. Dabei kommt ihm sicherlich zugute, dass er schon seit mehr als 25 Jahren am Institut in Darmstadt arbeitet.

Der Wechsel in die Industrie stand für Isermann nie zur Diskussion. "Wer dort erfolgreich ist, gelangt relativ schnell ins reine Management. Man verliert das Gefühl für die Details und ist dann bei der hohen Entwicklungsgeschwindigkeit schnell raus aus dem wissenschaftlichen Forschungsgebiet. Im Mittelpunkt steht dann stattdessen oft nur noch der Erfolg von Quartal zu Quartal", weiß Isermann. "Dabei ist es so wichtig, über die Zukunft nachzudenken."